Dürre in Südafrika: Das einsame Nashorn
Eine Reise durch Südafrika ist Anschauungsunterricht in Sachen Klimakatastrophe. Der Regen bleibt aus, Farmer gehen pleite, Hotels schließen.
D olly ist blind und gefräßig. Nicht ungewöhnlich für ein Breitmaulnashorn. Dolly teilt sich ein Wasserloch mit einigen Wasserböcken, Gnus und zwei Giraffen. Dolly muss täglich gefüttert werden, mit einem Ballen Luzerne. Ansonsten würde sie verhungern. Denn es wächst schon seit Jahren kein Gras mehr in der trockenen Karoo in Südafrika, seit sieben Jahren hat es nicht mehr richtig geregnet. Dolly frisst etwa 100 Euro im Monat weg. Die Eigentümer der Farm Bultfontein leisten sich mit letzten Kräften die Gesellschaft dieses Nashorns, als sei es ein Totem der Zuversicht. Solange es vor der eigenen Veranda mampft, gibt es noch Hoffnung.
Aber es wird zunehmend schwieriger, weil gemäß kapitalistischer Logik die Preise für Luzerne in die Höhe geschossen sind. Also haben sich die Farmer mit anderen zusammengetan, um Futter mit einem Lastwagen aus entfernten Gebieten heranzuschaffen, wo die Preise niedriger sind. Die Hausherrin Carin muss in einem nahe gelegenen Städtchen als Lehrerin arbeiten, ihr Mann auf dem Bau.
Ansonsten würden sie nicht über die Runden kommen. Einige Nachbarn mussten schon ihre Farmen aufgeben und in die Städte ziehen. Das Überleben unter dem Diktat der Trockenheit ist ökonomisch schwierig, wenn die Fütterung der Schafe mehr kostet, als diese auf dem Markt einbringen. Öffentliche Unterstützung bleibt aus.
Wer dieser Tage durch Südafrika reist, erhält Anschauungsunterricht in Sachen Klimakatastrophe. Nicht nur in der Karoo bleibt der Regen aus. Auch in der Provinz Northern Cape, wo sogar die Kakteen teilweise verdorrt sind. Die Namaqua-Wüste, berühmt für ihre Blumenpracht im September, ist inzwischen eine sandfeste Wüste und die Blumen, dieses Symbol des widerspenstigen Lebens in mageren Zeiten, sind zwar auch dieses Jahr erblüht, aber nur kurz und vereinzelt, um schnell wieder zu verschwinden – wie ein flüchtiger Traum.
Endgültigkeit der Ereignisse wird evident
In dem kleinen Binnenstaat Lesotho warten die Menschen seit drei Jahren auf Regen. Brandnarben ziehen sich über die spektakulären Hänge. „Der Berg stand in Flammen“, erzählt ein Einheimischer, „so was hatten wir noch nie erlebt.“ Ein mächtiger Bergfluss, der einst Felsen verschoben hat, als seien es Kieselsteine, ist nur noch ein Rinnsal, in Jauchen waschen die Dorfbewohner ihre Kleidung, neben ihnen die durstigen Nutztiere. Die luxuriöse Maliba Lodge, die über ein eigenes Bohrloch verfügt, teilt das hochgepumpte Grundwasser mit den nahe gelegenen Gemeinden, aber wenn es nicht bald regnet, so der Manager, werde man die Türen des Hotels schließen müssen.
In den schön eingerichteten Hütten steht noch jeweils eine Badewanne, die allerdings alles andere als einladend wirkt. Im Gegenteil: Die Vorstellung, angesichts der Trockenheit, die der Gast jenseits des Fensters zu Gesicht bekommt, Wasser zu verschwenden, erscheint hochgradig pervers. So dürften es wohl die meisten Gäste empfinden. Im globalen Zusammenhang füllen wir Wohlhabendere jedoch weiterhin bedenkenlos unsere Badewannen mit dem flüssigen Stoff, der mit Privilegien verbunden ist.
Zwei Folgen von ökologischen Desastern werden angesichts solcher Zustände schmerzhaft evident: die Endgültigkeit der Ereignisse und die autoritären Notwendigkeiten. Wenn das Wasser ausgeht, gibt es keine Lösungen mehr, keine Reaktionsmöglichkeiten, keine raffinierten technologischen Adaptionen. Die Optionen sind buchstäblich zerronnen. Es gibt nur Flucht oder Tod. Beides ist nur schwer rückgängig zu machen.
Und die zwingende gesellschaftliche Antwort heißt Ordnungspolitik: Restriktionen und Regulierungen. Als vor etwa zwei Jahren Kapstadt als erste Metropole der Welt kurz davor stand, nicht mehr über ausreichend Wasser zu verfügen, wurde die administrative Keule ausgepackt. Strenge Beschränkung der konsumierten Wassermenge, das Füllen von Schwimmbädern und das Waschen von Autos zum Beispiel wurde verboten. Haushalte, die zu viel Wasser verbrauchten, mussten mit hohen Geldstrafen rechnen. Die Tarife wurden angehoben.
In Zeiten der Krise wird nicht mehr gequasselt über drohende Ökodiktatur und eingeschränkte Konsumfreiheit. Es wird gehandelt, und zwar autoritär. Genau das ist ein fataler Aspekt der Klimakatastrophe. Die entscheidende Frage ist nicht, ob autoritäre Regime besser geeignet sind, die notwendige ökologische Transformation durchzusetzen (wie manche Denkfaule neulich behaupteten), sondern ob angesichts der Katastrophe überhaupt noch gesellschaftliche Entscheidungsfreiheit möglich sein wird.
Der autofreie Sonntag in den 1970ern war akzeptiert
Wer heute klagt, es sei übergriffig, nicht fahren zu dürfen, wie und was man möchte, der wird sich in Zukunft mächtig umschauen müssen, wenn er oder sie überhaupt nicht mehr fahren darf. Der autofreie Sonntag war eine akzeptierte Selbstverständlichkeit in den 1970er Jahren, als aufgrund der ersten Ölkrise Versorgungsengpässe drohten. Massenproteste oder Unmutsäußerungen sind nicht verbürgt. Im Gegenteil: Viele Menschen empfanden die erzwungene Umstellung als Chance, etwas Neues zu erleben – mit dem Fahrrad auf der Autobahn etwa. Obwohl wir in jeder Hinsicht ökologisch heute schlechter dastehen als im Jahre 1973, ist der autofreie Tag verkümmert zu einem symbolischen Aktionstag, einmal im Jahr.
Regeln zur Schonung der Ressourcen sind nicht Geißelungen, sondern die zivilisierte Option, bevor der restriktive Hammer zum Einsatz kommt. Wer durch die Dürreregionen reist, versteht die Blindheit unseres destruktiven Systems noch weniger als sonst. Die einen haben nichts zum Trinken, anderen steht das Wasser bis zum Hals, wir aber rasten aus, wenn ein fleischfreier Sonntag angeregt wird.
Noch erhält Molly einen Ballen Luzerne am Tag. Aus Sentimentalität. Unser Mitgefühl reicht gerade noch so aus, ein bedrohtes Tier zu schützen.
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