Droht Berlin die Deutschland-Koalition?: Wer SPD wählt, wählt CDU und FDP

Die Berliner SPD lässt unter anderem mit ihrem Bekenntnis zum Auto Rot-Grün scheitern, mit ihrer Mietenpolitik stößt sie die Linken vor den Kopf.

Franziska Giffey, Spitzenkandidatin der SPD in Berlin Foto: dpa

Ziemlich aufgebracht sprach die grüne Fraktionsvorsitzende Antje Kapek, als sie am Donnerstag das Scheitern der Verhandlungen über das Mobilitätsgesetz kommentierte, davon, dass die SPD die Maske habe fallen lassen. Am Dienstagabend hatten sich SPD und Grüne nicht darauf einigen können, den Weg freizumachen für einen Umbau von Parkplätzen und Straßen im Sinn einer grünen Verkehrswende.

Nur, woher kommt die Überraschung von Antje Kapek? Kam das verkehrspolitische Rollback der SPD nicht mit Ansage? Bereits im Oktober 2020 hatten Spitzenkandidatin Franziska Giffey und Fraktionschef Raed Saleh in einem programmatischen Interview deutlich gemacht, wohin die Reise bei der SPD zu den Berlinwahlen am 26. September geht: zu mehr innerer Sicherheit und einem Bekenntnis zum Auto für die Wähler außerhalb des S-Bahn-Rings, die die SPD früh zu ihrer Kernklientel erkor.

Auch im Wahlprogramm vom Mai, das ganz die Handschrift von Franziska Giffey trägt, steht zwar viel von einer angestrebten Stärkung des ÖPNV und einem Umstieg auf Elektromobilität. Von einem fußgänger- und radgerechten Umbau der Verkehrsflächen ist aber keine Rede. Umso deutlicher wird dabei eine City-Maut abgelehnt, wie sie in anderen Metropolen bereits Realität ist.

Die SPD, so zeigen es die jüngsten Umfragen, scheint nicht schlecht zu fahren mit diesem Autokurs. Gleich zweimal lagen die Sozialdemokraten in der Hauptstadt kürzlich vor den Grünen. Eine Insa-Umfrage sah die SPD bei 22 und die Grünen bei 18 Prozent. Bei der Umfrage von Infratest dimap am Mittwoch kam die SPD sogar auf 23 Prozent, während die Grünen, die monatelang stabil vor der SPD gelegen hatten, auf 17 Prozent abrutschten. Wenn der Bundestrend auch noch weiter in Richtung SPD geht, wäre es schwer für die Grünen, das Ruder noch einmal herumzureißen.

Was aber würde es bedeuten, wenn die Berlinerinnen und Berliner diesen Trend am Wahltag bestätigen sollten? Wäre es das Ende von Rot-Rot-Grün und der Beginn einer Deutschland-Koalition aus SPD, CDU und FDP?

Nicht nur den Grünen hat die SPD in jüngster Zeit vor’s Schienbein getreten, sondern auch der Linken. Zuletzt hatte Franziska Giffey erklärt, mit keiner Partei in Koalitionsverhandlungen treten zu wollen, die sich für Enteignungen ausspreche. Unabhängig davon, welches Demokratieverständnis die ehemalige Frau Doktor pflegt, wenn sie schon vorab erklärt, das Ergebnis eines Volksentscheids nicht akzeptieren zu wollen, kann man diese Aussage auch als Beleg lesen, die Neuauflage eines rot-rot-grünen Bündnisses durch rote Linien zu torpedieren.

Wowereit hat's vorgemacht

Gut möglich, dass die SPD nach dem 26. September dennoch erst mal mit Grünen und Linken sondiert. Wie man solche Gespräche zum Platzen bringt, hat aber schon Klaus Wowereit vorgemacht, als er die A100 zum Vorwand machte, um am Ende mit der CDU zu koalieren.

Ein neuerliches Bündnis mit der CDU (und dazu noch mit der FDP) wäre der Berliner SPD-Basis zwar schwer zu vermitteln. Aber Giffey könnte es erzwingen. Wenn sie die Wahl mit innerer Sicherheit und Auto gewinnt, wird sie auch eine Koalition suchen, in der sie beides umsetzen kann.

Die SPD hat sich ihrer Spitzenkandidatin auf Gedeih und Verderb ausgeliefert. „Wer Giffey wählt, wählt SPD“, heißt es auf einem Plakat. Er könnte aber auch CDU und FDP mitwählen.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Jahrgang 1963, ist Redakteur für Stadtentwicklung der taz. Weitere Schwerpunkte sind Osteuropa und Brandenburg. Zuletzt erschien bei Bebra sein Buch "Morgenland Brandenburg. Zukunft zwischen Spree und Oder". Er koordiniert auch das Onlinedossier "Geschichte im Fluss" der Bundeszentrale für politische Bildung. Uwe Rada lebt in Berlin-Pankow und in Grunow im Schlaubetal.

Wir würden Ihnen hier gerne einen externen Inhalt zeigen. Sie entscheiden, ob sie dieses Element auch sehen wollen.

Ich bin damit einverstanden, dass mir externe Inhalte angezeigt werden. Damit können personenbezogene Daten an Drittplattformen übermittelt werden. Mehr dazu in unserer Datenschutzerklärung.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.