Drohender Mitarbeitermangel: Mehr Anreiz durch Dienstwohnungen
Der Senat beschließt erneut, die Personalsuche für den öffentlichen Dienst zu beschleunigen. Der Ernst der Lage soll helfen, dass es jetzt klappt.
Evers setzt darauf, dass der Ernst der Lage – bis 2030 geht fast jede und jeder Dritte im Landesdienst in den Ruhestand – die Umsetzung nun erleichtert. „Ich glaube, dass größerer Druck zu Lösungen führt – und der Druck war nie größer als jetzt“, sagte er vor Journalisten.
Allein die in der Presserklärung des Senats dazu benutzten englischen Fachbegriffe aus dem Personalmanagement wie Recruiting und Onboarding werden aber nach allgemeiner Einschätzung von Arbeitsmarktexperten nicht reichen, die absehbaren Lücken im öffentlichen Dienst zu füllen. Zu dem Senatsbeschluss gehört daher auch die Ankündigung, schrittweise zu einer Bezahlung der Berliner Landesbeschäftigten auf Bundesniveau zu kommen.
Dem stehen derzeit noch tarifliche Verabredungen der Bundesländer entgegen. Evers drängt dort auf mehr Flexibilität bei der Bezahlung, gerade bei unterschiedlichen Verhältnissen in den Ländern, womit er auf die Konkurrenz bei der Personalgewinnung gegenüber den zahlreichen in Berlin ansässigen Bundesbehörden und Bundesministerien anspielte. Dabei soll auch ein baldiges Gespräch mit dem Vorsitzenden der Finanzministerkonferenz helfen. „Unsere Intention ist, keine Wettbewerbsnachteile gegenüber Bundesbehörden zu haben“, sagte Evers. Grundsätzlich gibt es aus seiner Sicht dazu bereits einen „fruchtbaren Austausch“ mit seinen Länderkollegen.
An den Berliner Gymnasien soll es schon in diesem Schuljahr keine Prüfungen zum Mittleren Schulabschluss (MSA) mehr geben. Den Abschluss soll bereits 2024 automatisch erwerben, wer in die 11. Klasse versetzt wird.
Den Gesetzentwurf dazu hat der schwarz-rote Senat am Dienstag beschlossen. Laut Bildungssenatorin Katharina Günther-Wünsch (CDU) soll er schon am Donnerstag Thema im Bildungsausschuss des Abgeordnetenhauses sein. Lehrer und Eltern haben laut Günther-Wünsch seit Jahren kritisiert, dass es nicht sinnig sei, den Unterricht in der 10. Klasse auf die anstehenden Prüfungen zu konzentrieren, statt die Schüler auf den Übergang zur gymnasialen Oberstufe vorzubereiten. Die SPD hingegen sträubte sich lange gegen eine Änderung, um die Gleichwertigkeit von Gymnasium und Sekundarschule zu betonen. (sta)
Evers machte aber auch deutlich, dass es trotz aller Anstrengungen mutmaßlich nicht möglich sein wird, alle bis 2030 frei werdenden Stellen tatsächlich wieder zu besetzen. Aus seiner Sicht werden Senatsverwaltungen und Bezirke mit weniger Mitarbeitern auskommen müssen. Ausgeglichen werden solle dies etwa mit Strukturveränderungen mittels künstlicher Intelligenz (KI) und über Automatisierung sich wiederholender Vorgänge. „Diese Potenziale müssen und werden wir nutzen“, versprach der Senator.
Erste Versuche mit künstlicher Intelligenz gibt es laut Evers beim Abarbeiten von Anträgen zu Pandemiehilfen. Mache man das auf herkömmliche Weise, sei die Verwaltung damit noch drei Jahre beschäftigt, mit KI soll das deutlich schneller gehen.
Ein weiterer Anreiz für den Landesdienst sollen Dienstwohnungen sein, die das Land laut Evers entweder bauen oder kaufen will. Allein im Polizeidienst kommt nach seinen Zahlen ein Drittel der jährlich neu Eingestellten nicht aus Berlin und sucht in der Stadt – oft unter großen Mühen – eine Wohnung. Einen vergleichbaren Beschluss dazu hatte der damals SPD-geführte Senat bereits 2021 gefasst, ohne dass merklich viel passiert wäre. Der Finanzsenator versprach nun, dass Ende September ein Konzept zum „Beschäftigtenwohnen“ vorliegen soll.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Israel, Nan Goldin und die Linke
Politische Spiritualität?
Matheleistungen an Grundschulen
Ein Viertel kann nicht richtig rechnen
Innenminister zur Migrationspolitik
Härter, immer härter
Nikotinbeutel Snus
Wie ein Pflaster – aber mit Style
Prozess gegen Letzte Generation
Wie die Hoffnung auf Klimaschutz stirbt
Israels Brüche der Waffenruhe
Die USA sind kein neutraler Partner