Drohanrufe bei der SPD: Verschärfte Basisdemokratie
Ein Unbekannter hat mit Drohanrufen versucht, von SPD-Mitgliedern die Zustimmung zur Großen Koalition zu erzwingen. Er trat als Mitarbeiter von Andrea Nahles auf.
BERLIN dpa | SPD-Generalsekretärin Andrea Nahles hat entsetzt auf die Drohanrufe eines Unbekannten bei SPD-Mitgliedern reagiert, die sich kritisch zur großen Koalition geäußert haben. Nahles verurteilte das Vorgehen als „kriminellen Akt“. „In der SPD gibt es keinen Platz für Drohanrufe“, schrieb sie in einem Brief an einen Parteifreund, wie die Deutsche Presse-Agentur berichtet. Die Parteizentrale prüft nach ihren Angaben nun eine Anzeige gegen Unbekannt.
Kritische SPD-Mitglieder hatten in den vergangenen Tagen Anrufe von einem Mann erhalten, der sich als Mitarbeiter Nahles ausgegeben hatte. Am Telefon drohte er ihnen Konsequenzen für ihre Karriere an, falls sie bei der Mitgliederbefragung über die große Koalition mit Nein stimmen sollten, wie stern.de und Zeit online am Mittwochabend berichteten.
SPD-Sprecher Tobias Dünow bestätigte auf dpa-Anfrage nur einen Fall. Nach Informationen von Zeit online wurde am Dienstag aber mehrere Juso-Mitglieder unter einer Telefonnummer des Berliner SPD-Bundesvorstandes angerufen. Wer der Mann war und wie ihm dies gelingen konnte, ist bislang völlig unklar.
In der SPD-Zentrale wird es für unwahrscheinlich gehalten, dass sich der Anrufer in das Telefonsystem des Willy-Brandt-Hauses gehackt hat. Damit müsste die Nummer des Parteivorstandes, die bei den Anrufen zu sehen war, durch eine andere technische Manipulation auf dem Display erschienen sein.
Einer der Betroffenen war laut stern.de der Vorsitzende der SPD Bruchsal, Fabian Verch, der sich vor einigen Tagen in der ZDF-Sendung Maybrit Illner gegen eine große Koalition ausgesprochen hatte. Der Anrufer habe sich als Mitarbeiter des Büros von Nahles vorgestellt und ihn aufgefordert, schleunigst öffentlich machen, dass er seine Meinung geändert habe und bei der Mitgliederbefragung für Schwarz-Rot stimme, sagte Verch stern.de. Der Mann habe ihm gesagt: „Du hast doch schließlich auch noch Ambitionen in der Partei.“ Danach habe er angekündigt, er melde sich am nächsten Tag noch einmal. Als das nicht geschah, beschwerte sich Verch per Mail bei Nahles.
Die Generalsekretärin reagierte umgehend. „Wir arbeiten mit Hochdruck an der Aufklärung, wie die Person, die Dich angerufen hat, dies über eine Telefonnummer des Willy-Brandt-Hauses machen konnte“, schrieb Nahles am Mittwoch in einer E-Mail an Verch. Jemand, der zu solchen Methoden greife, gehöre nicht zur sozialdemokratischen Familie. „Vielmehr ist das meiner Ansicht nach ein krimineller Versuch, der SPD zu schaden.“
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