Drogen im digitalen Untergrund: Wie ich auf der Silk Road Gras kaufte
Der bekannteste Drogenumschlagplatz im Darknet heißt Silk Road. Rauschmittel gibt es dort listenweise wie auf eBay. Kommen sie auch an?
Ich brauche also erst einmal diese Bitcoins, die digitale Währung von der man gerade überall liest. Wenn ich auf der Silk Road, einem der größten Drogenumschlagplätze im Untergrund des Internets, Gras kaufen will, muss ich mir irgendwoher diese digitalen Münzen besorgen.
Der Schritt kommt mir deutlich weniger verrucht vor als noch vor einigen Monaten. Immerhin haben ja sowohl der Chef der Notenbank der USA als auch der Chef des Online-Bezahldienstes PayPal gerade erst mehr oder weniger verklausuliert erklärt, dass es Sinn machen könnte, die Bitcoins ernst zu nehmen.
Das macht die Sache für mich allerdings nicht einfacher. Ich kann zwar ganz gut erklären, wie Bitcoins theoretisch funktionieren, wieso sie unkompliziert sind und schnelles Bezahlen ermöglichen, wie sie auf speziellen Rechnern digital gedruckt werden und warum sie Anonymität gewährleisten. Aber so ist das bei Journalisten ja oft. Theoretisch hat man die Sache ganz gut im Griff, praktisch aber wenig Ahnung.
Der Gras-Einkauf soll ein Realitätscheck sein. Ich habe mich einige Wochen lang durch die Seiten des Darknets geklickt, durch jenen Bereich des Internets, den Suchmaschinen wie Google nicht anzeigen. Ich habe mir dafür den Tor-Browser heruntergeladen und über das Adressverzeichnis des „Hidden Wiki“ - einer Wikipedia-artigen Liste mit Darknet-Homepages – nach interessanten Seiten gesucht.
Was kommt 2014? Die taz wagt den Blick in die Zukunft: In der taz.am wochenende vom 28./29. Dezember 2013 . Fabian Hinrichs wird „Tatort“-Kommissar, der Manhattan zum In-Getränk und Drohnen alltäglich. Außerdem: Prominente erzählen, was sich ändern muss. Am Kiosk, eKiosk oder gleich im praktischen Wochenendabo.
Es wird dort ja alles angeboten, was man sich vorstellen kann, vieles, was man sich noch nie vorgestellt hat und manches, was man sich gar nicht vorstellen möchte. Drogen, Twitter-Follower, die Dienste von Hackern, unterschiedlichste Waffen und widerlichste Kinderpornografie.
„I will 'neutralize' the ex you hate“
Und oft fragt man sich, gerade bei kriminell billigen Angeboten wie „Alle Amazon-Artikel zum halben Preis“, auf welche Art nun diese Abzocke funktioniert. Werden da gestohlene Produkte verkauft oder wird am Ende nur derjenige reingelegt, der glaubt, es gebe wirklich alle Amazon-Artikel zum halben Preis und naiv Bitcoins überweist, ohne das Diebesgut je zu empfangen.
Es gibt Seiten, da will man das lieber nicht ausprobieren. Sie heißen „Quick Solution“ oder „Hitman Network“. „I will 'neutralize' the ex you hate, your bully, a policeman that you have been in trouble with, a lawyer, a small politician...“, verspricht da jemand. „I am SERIOUS“, steht dabei. Ein Mord in Europa kostet 12.000 Dollar, man kann die Menge wählen, wie bei DVDs. Eine besonders morbide Art des Betrugs? Ein Witz? Man möchte es nicht darauf ankommen lassen.
Ein Gramm Gras zu bestellen, wirkt dagegen ziemlich praktikabel. Zumal es seit einigen Wochen wieder eine neue Version der Seite Silk Road gibt. Der angeklagte junge Mann, den das FBI für den Gründer dieses Drogenumschlagplatzes hält, sitzt in New York im Gefängnis. Sein Nachfolger allerdings hat den Marktplatz für Marihuana, Ecstasy, Kokain oder Burberry-Mäntel längst wiedereröffnet.
Ein Gramm „Dutch Super Amnesia / Strawberry Haze“ kostet bei dem Händler namens sugarwand 0,042 Bitcoins. Das sind Ende Dezember umgerechnet etwa 30 Euro. Ziemlich teuer. Es gibt aber ganz appetitliche Bilder von diesem Gras. Wie verschicken sie das wohl, damit es kein Spürhund riecht? Wie auch immer, ich brauche jetzt 0,042 Bitcoins.
Wie komme ich schnell an Bitcoins?
Ich probiere es zunächst auf //www.bitcoin.de/:bitcoin.de, merke dann aber schnell, dass das eine ganze Weile dauern kann, weil ich erst auf die Bitcoins zugreifen kann, wenn das Geld per Überweisung wirklich angekommen ist. Das hieße mehrere Tage Wartezeit, ich wäre wieder von der Bank abhängig, von der mich die Bitcoins eigentlich emanzipieren sollen. Ein anderer Dienst, der verspricht, das über Kreditkarte schneller zu regeln, funktioniert in Deutschland noch nicht. Irgendwann empfiehlt mir jemand //localbitcoins.com/:localbitcoins.com.
Dort wirkt alles sehr übersichtlich. Man sieht, zu welchem Kurs bestimmte Verkäufer ihre Bitcoins anbieten und wie man ihnen das Geld zukommen lassen kann. Als ich beginne, mich umzusehen, werden noch 700 Euro für einen Bitcoin verlangt, zwei Tage später sind es nur noch 600, dann um die 500. Und so weiter. Über PayPal, einen anderen Dienst namens OKPay oder per Bank-Überweisung kann ich bezahlen. PayPal klingt am wenigsten umständlich, wird allerdings für kleinere Beträge gerade nicht angeboten. Bei einem Verkäufer aus Tschechien könnte ich 30 Euro umtauschen, per Überweisung.
Soll ich mich darauf einlassen? Was, wenn er von mir das Geld bekommt und damit abhaut? Er hat ein paar positive Bewertungen, aber vielleicht bin ich der erste, den er linkt? Andererseits: wegen 30 Euro? Ich überweise ihm das Geld. Wenige Tage später besitze ich 0,0498 Bitcoins.
Eigentlich müsste ich das Geld nun waschen und von hier an eine digitale Geldbörse, ein Wallet, überweisen, damit die Bitcoins nicht mehr mit meinem Namen verbunden sind. Aber das wird mir langsam zu umständlich, ich schicke die Bitcoins also einfach auf die Silk Road.
Dafür muss ich nur den Link meiner Silk-Road-Geldbörse bei //localbitcoins.com/:localbitcoins.com eingeben. Wenige Minuten später sind die 0,0498 Bitcoins auf der Silk Road angekommen. Ich kann die Bestellung des „Dutch Super Amnesia / Strawberry Haze“ beenden.
Das Geld liegt jetzt auf dem Silk-Road-Konto. Der Verkäufer kann noch nicht darauf zugreifen. Erst wenn die Ware verschickt wurde, bestätige ich, dass sie angekommen ist, und die Bitcoins fließen nach Großbritannien, wo das Gras herkommt. Der Versand dauert angeblich fünf Tage.
Nach drei Tagen: nichts. Nach sieben: immer noch nichts
Während ich warte, klicke ich mich weiter durchs Darknet. Mir fällt auf, dass es auch einen deutschen Grasshop gibt, das wäre vielleicht ein bisschen einfacher gewesen. Aber gut.
Nach drei Tagen: nichts. Nach fünf Tagen: nichts. Nach sieben Tagen: immer noch nichts.
Dann ist Weihnachtspause auf der Silk Road. Und drei Mitarbeiter in den USA, in Irland und Australien werden festgenommen. Haben die Lieferschwierigkeiten damit zu tun?
Ich werde warten, bis der Marktplatz wieder öffnet. Dann werde ich versuchen, meine Bitcoins zurückzubekommen. Falls das Gras nicht vorher ankommt.
Die Ganze Geschichte "Die Parallelgesellschaft" über den Silk-Road-Gründer mit dem Decknamen "Dread Pirate Roberts", über seine Utopie und die Morde, die er in Auftrag gegeben haben soll, lesen Sie in der taz.am wochenende vom 28./29. Dezember 2013.
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