Drogen- und Alkoholverbot in Bremen: Saufen nur im Laufen
Rund um den Hauptbahnhof dürfen keine Drogen und kein Alkohol konsumiert werden, beschließt die Bürgerschaft. Nur wer zügig geht, darf Alkohol mitführen.
Das Gesetz macht eindeutig klar, dass seine Auswirkungen ausgesprochen beschränkt sein werden: Es geht lediglich darum, das subjektive Sicherheitsgefühl von Nutzer:innen und Fahrer:innen des öffentlichen Nahverkehrs zu verbessern. Denn diese sind seit einigen Jahren am Bremer Hauptbahnhof zunehmend mit schwer drogen- und alkoholkranken Menschen konfrontiert, die sie anpöbeln oder auch attackieren, wie es in der Gesetzesbegründung heißt. Letzteres gelte insbesondere auch für Reinigungspersonal, das regelmäßig Polizeischutz anfordern müsse.
Als ursächlich gilt die wachsende Anzahl von Menschen, die Crack-abhängig sind. Kein Bremer Problem. In Bremen sei die Droge allerdings etwas später angekommen als in einigen anderen deutschen Städten wie beispielsweise Berlin, sagt Eileen Bumann, die bei der Inneren Mission den Bereich der Wohnungslosenhilfe leitet. „Unsere Streetworker stellen fest, dass es immer mehr Betroffene gibt, die sie vorher auch noch nicht kannten.“
Crack ist rauchbares Kokain, macht aber wesentlich schneller und stärker abhängig. Zudem wird es schneller im Körper abgebaut, die Abhängigen brauchen viel häufiger Nachschub, was auch die Begleiterscheinungen verstärkt wie Betteln, Beschaffungskriminalität und Straßenprostitution.
Konsum als Ordnungswidrigkeit
Aufgrund des hohen Suchtdrucks ziehen sich die Süchtigen häufig nicht zurück, sondern konsumieren an Ort und Stelle, etwa an Straßenbahnhaltestellen, die überdacht sind und an denen es Bänke gibt.
Die Konsumbedingungen von Crack erschweren laut der Begründung im Gesetz die Strafverfolgung: So ist nur der Besitz, nicht aber der Konsum illegaler Drogen verboten. „Die Drogen und Instrumente werden dabei in Gruppen in der Regel hin und her gereicht, so dass der Konsum zwar beobachtet, die Frage des Besitzes aber in der Regel nicht beweissicher festgestellt werden kann“, heißt es im Gesetz. Und: „Wenn man die Droge in verbrauchsgerechter Menge von einem Dritten zum sofortigen Verbrauch erhält und dann auch sofort zu sich nimmt, ist es rechtlich schwierig, einen strafbaren Besitz anzunehmen.“
Der Konsum an den Haltestellen soll in Zukunft als Ordnungswidrigkeit verfolgt werden können, auch Platzverweise sind möglich. Nicht belangt werden sollen „Personen, die insbesondere mit alkoholischen Getränken zielstrebig den Bereich durchqueren, ohne zu konsumieren, Kontakt zu Dritten halten und keine Zwischenstopps einlegen“.
Die Opposition aus CDU und FDP stimmte im Landtag gegen das Gesetz. Es sei unmöglich, dessen Einhaltung zu kontrollieren, sagte der FDP-Politiker Marcel Schröder, etwa zwischen denen zu unterscheiden, die sich an den Haltestellen betrinken, und denen, die dort bereits im Vollrausch ankommen. Zudem sei „aus den Augen, aus dem Sinn keine Lösung für Suchtprobleme“. Die Süchtigen würden lediglich verdrängt, die Probleme in den Stadtteilen würden sich noch verschärfen.
Sofia Leonidakis, Fraktionschefin der mitregierenden Linken
Die CDU hatte am Dienstag in der Stadtbürgerschaft einen ähnlichen Gesetzesvorschlag vorgelegt – stimmte am Donnerstag dennoch gegen den der Regierungskoalition, weil er ihr nicht exakt genug war, beispielsweise was die Beschilderung angehe. Die Fraktionsvize Wiebke Winter warb dafür, das Thema zur Beratung in die Fachausschüsse zu überweisen und es nicht eilig durchzupeitschen. Dabei beschwert sich die CDU in ihrem Antrag darüber, dass die Koalition nicht schon früher gesetzgeberisch gehandelt habe. Zudem müsse es mehr Ausstiegshilfen für Süchtige geben, nicht nur akzeptierende Arbeit wie Drogenkonsumräume.
Darin stimmte ihr die Linken-Fraktionschefin Sofia Leonidakis zu – auch die Einschätzung, dass sich das Problem in die Stadtteile verlagern werde, teilte sie, wie auch alle anderen Redner:innen, darunter SPD-Innensenator Ulrich Mäurer. „Wegen dieses Gesetzes wird es keinen Suchtkranken weniger geben“, sagte sie. Der Druck auf die Süchtigen werde sogar steigen, daher seien weitere Maßnahmen geplant. Dazu zählte sie auch die Substitution mit Diamorphin. Für Crack gibt es aber bisher kein wirksames Ersatz-Medikament – auch darauf verweist die Gesetzesbegründung.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Israelische Drohnen in Gaza
Testlabor des Grauens
Proteste bei Nan Goldin
Logiken des Boykotts
Rekrutierung im Krieg gegen Russland
Von der Straße weg
Bundeskongress der Jusos
Was Scholz von Esken lernen kann
Bündnis Sahra Wagenknecht
Ein Bestsellerautor will in den Bundestag
Demokratieförderung nach Ende der Ampel
Die Lage ist dramatisch