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Drehbuchstreik in HollywoodEine linke Vision

Monatelang haben Au­to­r:in­nen in Hollywood gestreikt – mit Erfolg. Ihr Arbeitskampf steht für einen US-amerikanischen Zeitgeist.

Anfang Mai waren die Dreh­buch­au­to­r:in­nen in den Ausstand getreten Foto: Mario Anzuoni/reuters

Klar könnte man Filme und Serien in Zukunft von künstlicher Intelligenz schreiben lassen. Man könnte auch Pflegekräfte in Altersheimen durch Roboter ersetzen. Oder eine neue Steuer einführen, nennen wir sie X, mit der Marskolonisationsfantasien subventioniert werden. Und wie wäre es, wenn in den Fernsehtalkshows Maischberger und Anne Will bald nur noch Klartext-Bots mit gelegentlicher Emotionssimulierung gegeneinander antreten? Wobei das, wenn man ehrlich ist… naja, anderes Thema.

Wir könnten unheimlich viele dumme Sachen machen, nur weil wir die technischen Möglichkeiten dazu haben – beziehungsweise glauben, sie irgendwann zu erreichen. Oder aber wir überlegen uns auf demokratische Weise, welche Art von Fortschritt wir eigentlich wollen und wirklich brauchen. Genau das hat die US-amerikanische Gewerkschaft der Dreh­buch­au­to­r:in­nen in diesem Sommer getan.

Die Writers Guild of America (WGA) ging mit ihren rund 11.000 Mitgliedern Anfang Mai in den Streik. Studios standen daraufhin leer, Produktionen wurden verschoben, Latenight-Shows fielen aus. Weil im Juli auch die Gewerkschaft der Schau­spie­le­r:in­nen zur Arbeitsniederlegung aufrief, war Hollywood monatelang zu großen Teilen lahmgelegt. Bilder wurden in dieser Zeit allerdings trotzdem geschaffen – und zwar die der Solidarität.

Berühmte Schauspielerinnen protestierten neben unbekannten Schreibern und andersrum. Unterstützt wurde das Ganze laut Umfragen von einer überwältigenden Mehrheit der amerikanischen Bevölkerung. Im Verdrängen ist unsere Spezies zwar spitze, aber wenn Netflix und HBO Max nur 10 Dollar im Monat kosten, scheint irgendwie klar zu sein, dass an dieser Industrie nicht alle gleich goldig beteiligt sind.

Zwänge der Profitwirtschaft

In dieser Woche nun wurde der Streik beendet. Die Writers Guild of America und der Arbeitgeberverband der Film- und Fernsehproduktionen haben sich auf einen neuen Vertrag geeinigt, der einen immensen Erfolg für die Gewerkschaft darstellt. Neben einem Lohnzuwachs, besserem Kranken- und Altersschutz, mehr Transparenz über die Zuschauerquoten und einer Erhöhung der Tantiemen wurden auch – und das war ein zentraler Punkt – neue Regelungen für den Umgang mit künstlicher Intelligenz vereinbart. Den Studios ist es künftig untersagt, literarische Stoffe durch KI zu erstellen oder Texte von Au­to­r:in­nen durch KI umzuschreiben.

Ob und wie die Technologien als Hilfe zur Anwendung kommen, sollen die Au­to­r:in­nen eigens entscheiden können. Festgehalten wurden also nicht nur bessere Arbeitsbedingungen, sondern darüber hinaus eine Vision der kollektiven Selbstbestimmung. Statt sich den stummen Zwängen der Profitwirtschaft oder einem Tech-Fatalismus zu ergeben, haben die US-Autor:innen die Kultur als etwas verteidigt, „das mehr als eine Masse von pasteurisierten und vorverdauten Inhalten“ ist, wie der Historiker Gabriel Winant kürzlich schrieb.

Der Arbeitskampf der US-Autor:innen berührt nicht nur die Beschäftigten dieser einen Branche. Er stößt mitten in eine gesamtgesellschaftliche Debatte hinein. Seit die Firma Open AI im vergangenen November ihr Programm ChatGPT präsentiert hat, scheint das Thema KI endgültig im Mainstream angekommen zu sein. In Parlamenten werden mögliche Gesetzgebungen diskutiert, in Unternehmen neue Geschäfte kalkuliert.

Es geht um technische, wirtschaftliche, politische, ethische, aber auch philosophische Fragen. Was zum Beispiel unterscheidet menschliche Intelligenz überhaupt von künstlicher? Und inwiefern ist der Begriff KI sinnvoll, wenn man bedenkt, dass künstliche Intelligenzen ja erstens von Menschen gemacht sind, also die Künstlichkeit sehr bedingt ist, und zweitens kaum über Intentionalität verfügen, also man auch die Intelligenz in Zweifel ziehen kann. Zwischen naiver Gutgläubigkeit und stumpfer Verteufelung finden sich hier alle Positionen.

Forderung nach Demokratisierung

Der Streik der US-Autor:innen könnte Signalwirkung haben, weil er diesen Diskussionen ein Subjekt vorschiebt: Wer entscheidet eigentlich, wie KI die Gesellschaft künftig verändern wird?

Bislang sind es primär die CEOs der großen Tech-Firmen, die bestimmen. Kapitalkonzentration bedeutet Machtkonzentration. Aber Machtkonzentration scheint selten ein ausgeprägtes Verantwortungsbewusstsein zu bedeuten.

Open-AI-Chef Sam Altman zum Beispiel hat mit ChatGPT erst eine geniale, unfertige, gefährliche Software in die Welt gesetzt, um nun etwas pseudo-dringlich eine Regulierung eben jenes Programms zu fordern. Man muss kein Anhänger der Zentralwirtschaft sein, um solche Entwicklungen mit Bedenken zu verfolgen. Auch mit Blick auf den Einfluss von Konzernen wie Google und Amazon wird immer deutlicher, wie überfällig eine Demokratisierung unserer digitalen Strukturen ist.

Demokratisierung war Ziel der Streikenden

Demokratisierung war von Anfang an das Ziel der streikenden Autor:innen. Und damit sind sie nicht allein. Auffällig ist, dass in den USA immer mehr Arbeitskämpfe stattfinden, bei denen nicht nur punktuelle Korrekturen verlangt werden, sondern eine grundsätzliche ökonomische und ökologische Transformation vorangeschoben wird. Die United Auto Workers, die sich seit Mitte September im Streik befinden, visieren neben einer sozialverträglichen Produktionsumstellung Richtung E-Autos auch eine Vier-Tage-Woche an.

Streikende Leh­re­r:in­nen haben in den vergangenen Jahren in Städten wie Los Angeles und Chicago für umfassende Reformen gekämpft, die weit über das Klassenzimmer hinausgehen. Es geht zum Beispiel um den Schutz vor Zwangsräumungen, einen Abzug der Polizei aus den Schulen und Investitionen in andere soziale In-frastrukturen. Nimmt man all diese Forderungen zusammen, ergibt sich fast schon ein ganzes linkes Programm. Zumindest ist es eine neue Vorstellung von Arbeit: emanzipierter, nachhaltiger, gerechter.

Bis zur Erfüllung dieser Vision ist es weit. Die politischen Bedingungen in den USA bleiben unterm Strich gewerkschaftsfeindlich. Wenn die Writers Guild of America jedoch eine Sache demonstriert hat, dann den Weg dorthin: Streiks haben Wirkung.

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1 Kommentar

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  • Ich bin beeindruckt, dass der Autor an die gute Sache glaubt. Sieht es doch sehr nach einem Pyhrussieg aus. Es ist Sache des Autors zu bestimmen wie viel KI dabei verwendet wird? Viel Glück! Dann nimmt man halt Autoren, die die KI nutzen. Und die Preise werden sich ebenfalls daran anpassen. Klar, jetzt hat die Gewerkschaft noch nicht Macht. Noch geht es nicht ohne die Masse an Schreibern. Aber fragt mal einen Monch, was er von Gutenberg und seiner Maschine gehalten hat. Und ob es möglich war den Fortschritt aufzuhalten. In China mag das sogar noch gehen, dort bestimmt die Partei. In der "freien Welt" wird es verdammt schwierig werden an der Vergangenheit festzuhalten. Egal ob im kreativen oder im fachlichen. Rechtsanwälte und Steuerberater werden auf jeden Fall ein geändertes Arbeitsbild vorfinden - solange sie noch arbeiten können. Über Übersetzer brauchen wir dabei gar nicht sprechen.