Dragoner-Areal in Kreuzberg: Utopisten machen Stadt
Aktivisten und Politik sind sich einig: Das Dragoner-Areal soll ein modellhaftes Stadtquartier werden, mit 100 Prozent bezahlbarem Wohnraum.
Das ehemalige Kasernengelände hinter dem Rathaus Kreuzberg ist eine der größten verbliebenen Innenstadtflächen, die von Grund auf stadtplanerisch gestaltet werden können. Erst vergangene Woche hat der Haushaltsausschuss des Bundestages entschieden, dass das Areal vom Bund an Berlin übertragen wird, im Austausch für die Grundstücke von sechs vom Bund finanzierten Kulturinstitutionen wie dem Jüdischen Museum.
Die Bemühungen der Stadtgesellschaft, aus dem Gelände ein Modellprojekt für Wohnen, Arbeiten und Kultur zu machen, haben eine lange Geschichte. Eigentlich war es, wie es Stadtentwicklungssenatorin Katrin Lompscher (Linke) am Montag ausdrückte, schon an Private „verscherbelt“ worden. Erst eine Intervention Berlins im Bundesrat stoppte diesen Plan 2015. Ohne den beständigen Druck aus der Zivilgesellschaft, etwa durch die Initiative Stadt von unten, wäre es dazu nie gekommen.
Spätestens seit der Rathausblock – also das ganze Gebiet zwischen Mehringdamm, Obentraut-, Yorck- und Großbeerenstraße, zu dem das Dragoner-Areal gehört – 2016 als städtisches Sanierungsgebiet ausgewiesen wurde, laufen die Planungen auf Hochtouren. Das Ziel der Engagierten: Ein Stadtquartier mit 100 Prozent bezahlbarem Wohnraum und Bestandsschutz für die Gewerbemieter – selbstverwaltet, partizipativ, inklusiv und ökologisch. Eine Kreuzberger Utopie.
„Politik kann lernen“
Die Politik haben lernen müssen und bewiesen, dass sie das könne, so Enrico Schönberg vom Vernetzungstreffen Rathausblock, dem Zusammenschluss der Initiativen. Lompscher sprach davon, dass die AktivistInnen „ihr Recht auf Stadtmachen ausdrücklich eingefordert“ hätten. Die nun ausgehandelte Kooperationsvereinbarung, die in anderthalb Jahren erarbeitet wurde, trägt die Handschrift der Utopisten.
Vereinbart wurden neben der weiteren Zusammenarbeit und Einbindung der Öffentlichkeit die wesentlichen Ziele und dafür notwendigen Instrumente. Dabei geht es um die Schaffung bezahlbaren Wohnraums und gemeinschaftlicher Wohnformen, den Erhalt und die Entwicklung des Gewerbes, die Sicherung des Bodens in kommunalem Eigentum, die Beachtung einer Nutzungsmischung und nachbarschaftlichen Anbindung sowie die Schaffung eines Lern- und Geschichtsortes.
Im Juli soll es losgehen mit einem städtebaulichen Werkstattverfahren als Grundlage für den Bebauungsplan – wenn alles läuft wie gedacht, kann ab Ende 2021 gebaut werden. Geplant sind derzeit 500 Wohnungen, errichtet durch die Wohnbaugesellschaft Mitte. Der Streit darüber, ob auch Genossenschaften zum Zuge kommen, ist erst mal vertagt. Die Bundesanstalt für Immobilienaufgaben hatte verlangt, dass Wohnbaugesellschaften die Hoheit behalten, aber Lompscher stellte klar: „Weitere Partner sind herzlich willkommen.“
Bezirksbaustadtrat Florian Schmidt (Grüne) sprach von einem „Modellprojekt für kooperative Stadtentwicklung“, das in den Bezirk und darüber hinaus ausstrahlen soll. Es zeige, dass die Politik es ernst meine mit dem „Neubau von bezahlbarem Wohnraum, aber auch mit neuen Räumen für Kultur, Soziales und Gewerbe“. Eine frische Idee hatte er auch noch mitgebracht: Die Wohnungen sollten bevorzugt an Menschen vergeben werden, die aus der Nachbarschaft verdrängt wurden.
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