Drag Queens beim Topmodel-Finale: Missbrauch des Regenbogens?
Weil Drag Queens beim Finale von „Germany's Next Topmodel“ aufgetreten sind, wird ihnen jetzt Pinkwashing vorgeworfen. Zu Recht?
2 4 Drag Queens performen zu drei Hymnen der queeren Szene, schwenken eine riesige Regenbogenflagge, im Hintergrund flimmert in ebenso großen Buchstaben die Botschaft „Love Wins“. Die Szene war Teil der Final-Show von „Germany's Next Topmodel“, die vergangene Woche zur Primetime auf Pro7 lief und von 2,64 Millionen Menschen gesehen wurde.
Innerhalb der Drag-Szene gehen die Meinungen dazu auseinander. Das eine Lager bejubelt den Auftritt, das andere wirft den Drag-Kolleginnen vor, sich für eine „Pinkwashing“-Strategie hergegeben zu haben. Was ist damit gemeint?
Pinkwashing ist ein Kofferwort aus „Pink“ und „Whitewashing“. Letzteres heißt zum einen soviel wie Schönfärberei, zum anderen bezeichnet es aber auch die in der Filmbranche leider immer noch gängige Praxis, weißen Schauspieler*innen nicht-weiße Rollen zu geben.
Der Begriff „Pinkwashing“ tauchte erstmals Anfang der 90er Jahre auf. Er wurde gegen Kosmetikkonzerne verwendet, die eine rosa Schleife, Symbol für Engagement gegen Brustkrebs, auf ihren Produkten abbildeten, obwohl einige davon in Verdacht standen, ausgerechnet Brustkrebs auszulösen.
Brustkrebs, Israel – und jetzt Heidi Klum?
In Verbindung mit LGBTQIA* bezeichnet Pinkwashing die PR-Strategie, etwas erfolgreich vermarkten zu wollen, indem man sich mit der Szene solidarisiert. Besonders stark ist derzeit die israelische Regierung Pinkwashing-Vorwürfen ausgesetzt: Sie unterstützt die jährliche Gay Pride in Tel Aviv finanziell und brüste sich mit ihrer Homo-Freundlichkeit. Menschenrechtsverletzungen von Israels Armee in den besetzten Palästinensergebieten sollen so in den Hintergrund rücken, lautet die Kritik.
Und jetzt wird eben dieser Begriff mit Heidi Klums Castingshow in Verbindung gebracht.
Wahrscheinlich steckte wirklich eine PR-Strategie hinter dem Auftritt der Drag Queens. Das Ziel: höhere Einschaltquoten. Und ja, die Sendung ist auch wirklich immer noch ganz böse, vermittelt ein bescheuertes Frauenbild und kann Essstörungen bei (jungen) Frauen fördern. Aber vielleicht hat auch irgendjemand im Produktionsteam oder beim Sender kapiert, dass Drag Queens in die Primetime gehören, weil sie mit allem, wofür sie stehen, Teil unserer Gesellschaft sind – und weil sie außerdem die besseren Shows machen.
Vielleicht lässt der Auftritt bei Heidi Klum hoffen, dass dies nur ein Anfang war, dass auch mal stinknormale Nachrichten von Drag Queens moderiert werden oder dass Drag Queens sich bald in ihrer eigenen Sendung im deutschen Fernsehen darstellen können, wie sie es selbst wollen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Sturz des Assad-Regimes
Freut euch über Syrien!
Krieg in Nahost
Israels Dilemma nach Assads Sturz
100 Jahre Verkehrsampeln
Wider das gängelnde Rot
Weihnachten und Einsamkeit
Die neue Volkskrankheit
Grünes Wahlprogramm 2025
Wirtschaft vor Klima
Missbrauch in der Antifa
„Wie alt warst du, als er dich angefasst hat?“