Doppelmoral der Wirtschaftsförderer: Die Freiburger Öko-Angeber
Eigentlich vermarktet sich Freiburg gerne als „Green City“. Bei einem eigenen Neubau ist der Stadt das Öko-Image aber plötzlich egal.
Die versammelten Freiburger Energieexperten sind nun sauer: „Das Minimum ist nicht genug – schämt euch, Ihr Öko-Angeber!“, haben sie kürzlich einen offenen Brief überschrieben. Verfasser sind all jene Vordenker, die seit Jahren in Freiburg den Sachverstand des ökologischen Bauens repräsentieren, darunter die Energieagentur Regio Freiburg und mehrere örtliche Solararchitekten und Planer, darunter der Branchen-Pionier Rolf Disch.
„Seit Jahren wird unsere Green City weltweit vermarktet mit Projekten, die meist privat entstanden sind“, heißt es in dem Schreiben. Bei jeder Einweihung solcher von Bürgern finanzierten Projekte seien „die Herren Wirtschaftsförderer wort- und lautstark dabei“, doch nun, wo sie ihr eigenes Gebäude planen, soll es beim dürftigen Normstandard bleiben.
Im Freiburger Rathaus gibt man sich gelassen. Die Angriffe hätten „nicht überrascht“, sagt ein Sprecher auf Anfrage. Schließlich ist die Stadt gewöhnt, dass ihre Bürger auf eine ambitioniertere Umweltpolitik drängen. Weiter äußern will sich die Stadt zu dem aktuellen Vorfall aber nicht – offenbar um nicht noch mehr Aufsehen um das neue Verwaltungsgebäude ihrer Tochter FWTM zu erregen.
Deren Chef Bernd Dallmann gibt sich unterdessen konziliant. Emotional könne er die Kritik der Bürger verstehen, sagt er – und dann zählt er die Sachzwänge auf, denen man bei dem Projekt unterliege, architektonisch wie finanziell. Gleichwohl will sich Freiburgs oberster Wirtschaftsförderer nach den heftigen Angriffen nun mit den zum Teil bundesweit bekannten Energieexperten aus der Stadt treffen. An dem Energiekonzept des 20-Millionen-Euro-Projekts werde ja ohnehin noch gearbeitet, sagt er. Es wird zugleich auch eine Arbeit am Renommee der „Green City“ sein.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Prozess zu Polizeigewalt in Dortmund
Freisprüche für die Polizei im Fall Mouhamed Dramé
Ex-Wirtschaftsweiser Peter Bofinger
„Das deutsche Geschäftsmodell funktioniert nicht mehr“
Leben ohne Smartphone und Computer
Recht auf analoge Teilhabe
Fall Mouhamed Dramé
Psychische Krisen lassen sich nicht mit der Waffe lösen
Fake News liegen im Trend
Lügen mutiert zur Machtstrategie Nummer eins
Ex-Mitglied über Strukturen des BSW
„Man hat zu gehorchen“