Doping in der Leichtathletik: Staatsplan Doping
Gezieltes Doping Russlands und geheime Labore, um dies zu vertuschen – ein Bericht der Anti-Doping-Agentur Wada erschüttert die Leichtathletik.
So schnell wird es wohl nicht mehr hell werden in der Welt der Leichtathletik. Sebastian Coe, der Präsident des Internationalen Leichtathletikverbands IAAF, hatte am Sonntag in der BBC von „dunklen Zeiten“ gesprochen, in denen sich die olympische Kernsportart Leichtathletik befinde. Wie finster es wirklich in der Welt der Läufer, Springer und Werfer zugeht, das machte die Welt-Anti-Doping-Agentur (Wada) am Montagnachmittag in Genf bekannt.
Da stellte eine unabhängige Ermittlungsgruppe, die die Wada eingesetzt hatte, fest, wie tief eine Kultur des hemmungslosen Dopings im russischen Nationalteam verwurzelt ist. Die Forderung, die dabei gestellt wurde, war unmissverständlich: Der russische Verband soll aus dem IAAF ausgeschlossen werden. Zudem sollen fünf russische Athleten und fünf Trainer lebenslang gesperrt werden.
Dick Pound, der ehemalige Wada-Chef, der die Untersuchung im Auftrag der Agentur geleitet hatte, sprach von einer tief verwurzelten Betrugskultur und sieht keine Alternative zum Ausschluss der Russen aus dem Weltverband. Russische Athleten dürften dann nicht mehr an Weltmeisterschaften oder Olympischen Spielen teilnehmen.
Sollte sich nichts Grundsätzliches in der Kultur ändern, dann hätten, so Pound, russische Läufer und Werfer bei den Spielen in Rio im nächsten Jahr nichts verloren. Wertlose Ergebnislisten wie in London 2012 könnte man dadurch verhindern. Zu den fünf Sportlerinnen, für die die Kommission lebenslange Sperren fordert, gehören die Olympiasiegerin von London über 800 Meter, Maria Sawinowa, sowie die Bronzemedaillengewinnerin Jekaterina Poistogowa.
Hinweise auf Doping eliminieren
Das systematische Dopen und die mit hoher krimineller Energie betriebene Vertuschung von Dopingvergehen haben selbst Pound überrascht. So haben die Wada-Ermittler in Moskau ein Labor ausfindig gemacht, das genauso ausgestattet sei wie ein von der Wada akkreditiertes Antidopinglaboratorium. Der einzige Zweck des Labors sei es allerdings gewesen, Hinweise auf Doping zu eliminieren. Nicht nur dieses mit öffentlichen Mitteln finanzierte Schattenlaboratorium deute darauf hin, dass in Russland ein staatlich gefördertes Dopingsystem installiert worden sei. Auch die russische Antidopingagentur Rusada muss wohl eher als Dopingvertuschungsagentur bezeichnet werden.
Ein paar Tage bevor Wada-Ermittler nach Moskau gereist seien, so Pound, habe Rusada-Chef Grigori Rodschenko die Vernichtung von über 1.400 Blut- bzw. Urinproben angeordnet, um Beweise zu vernichten. Dem Labor solle die Akkreditierung der Wada umgehend entzogen werden, es sei keine unabhängige Einrichtung mehr, so Pound. Am Ende stellte sich der Eindruck ein, Russland unterhalte eine geheime Dopingvertuschungsarmee. Es sei, so Pound, eher unwahrscheinlich, dass Russlands Sportminister Witali Mutko von alldem nichts gewusst hat.
Von den erpresserischen Machenschaften der Familie des ehemaligen IAAF-Präsidenten Lamine Diack ist in dem Bericht nicht die Rede. Erkenntnisse darüber, wie die Diacks die Vertuschung positiver Dopingproben gegen die Zahlung von hohen sechsstelligen Dollarbeträgen an eine zu Geldwäschezwecken zwischengeschaltete Agentur angeboten habe, soll es in einem zweiten Bericht geben. Dieser soll erst dann veröffentlicht werden, wenn die strafrechtlichen Ermittlungen in diesem Fall abgeschlossen sind.
Die haben schon zu einer Durchsuchung der IAAF-Zentrale in Monaco durch die französische Polizei sowie zur Verhaftung von Ex-Präsident Diack geführt.
Überraschend ist, dass Pound dem bislang doch arg zurückhaltenden IAAF-Chef Sebastian Coe zutraut, seinen Verband zu reformieren: „Er kann das.“ Leicht wird das gewiss nicht. Denn Pound ist überzeugt, dass nicht nur in Russland beschissen wird. Auch glaube er nicht, dass nur in der Leichtathletik systematisch gedopt wird, was das Zeug hält. Sebastian Coe wird das kaum trösten können.
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