Donald Trump auf dem G20-Gipfel: Der Eklat blieb aus
Demonstranten hielten seine Frau auf, beim Klima blieb er isoliert. Trotzdem lobte Trump die Kanzlerin. Die betonte die Differenzen.
Sein erster Besuch in Deutschland: Das war eines der interessantesten Ereignisse des G20-Gipfels in Hamburg, der am Samstag endete. Der US-Präsident, der bei einem Treffen im NATO-Hauptquartier im Mai einen Staatschef kurz vor dem offiziellen Foto beiseite rempelte, ist immer für eine Überraschung gut. Doch der ganz große Trump-Eklat blieb in Hamburg aus. Trump rüpelte nicht, sondern benahm sich der Sache angemessen.
Man hätte ihm durchaus andere Reaktionen zugetraut. Schließlich war ausgerechnet seine Frau Melania direkt von den Protestaktionen gegen den G20-Gipfel betroffen: Weil die Polizei aufgrund von Straßenblockaden nicht für ihre Sicherheit garantieren konnte, durfte sie am Freitag Vormittag ihre Unterkunft zunächst nicht verlassen und verpasste den ersten Teil des offiziellen PartnerInnenprogramms. Die Hafenrundfahrt auf der Elbe musste ohne Melania auskommen.
Doch statt über die Unfähigkeit der deutschen Polizei zu lästern, lobte Trump, es sei alles „professionell gelaufen und ohne große Störungen – abgesehen von ein paar Leuten“. Auch ansonsten fiel der US-Präsident weniger negativ auf, als viele im Vorfeld befürchtet hatten. Beim Konzert in der Elbphilharmonie stellte der US-Präsident zwar seine fehlende Vertrautheit mit klassischen Konzerten unter Beweis, indem er auch zwischen den einzelnen Sätzen von Beethovens 9. Symphonie klatschte.
Nicht immer ganz bei der Sache
Das taten allerdings auch andere Zuhörer, die Sitten der Hochkultur sind in der Elbphilharmonie nicht mehr sehr gebräuchlich. Und Trump war noch harmlos im Vergleich zu Putin, der zu spät zum Konzert kam und in einer hinteren Reihe Platz nehmen musste, oder dem türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdoğan, der das Konzert komplett schwänzte.
Trump fehlte hingegen bei zwei offiziellen Arbeitssitzungen des Gipfels. Die Sitzung zum Klima versäumte er zum großen Teil, um sich stattdessen über zwei Stunden lang zu einem bilateralen Gespräch mit Wladimir Putin zu treffen. Doch das Klimakapitel, in dem sich die übrigen G20-Mitglieder das Paris-Abkommen bekräftigen und eine schnelle Umsetzung versprechen, trug er mit.
Auch bei der Arbeitssitzung zum Thema Afrika fehlte der US-Präsident überraschend und schickte stattdessen seine Tochter Ivanka als Vertretung. Diesen ungewöhnlichen Vorgang mochte Merkel aber nicht kritisieren: „Die Delegationen entscheiden selbst, wer am Tisch sitzt, wenn der Präsident nicht da ist“, sagte sie nur.
Auch sonst schien Trump nicht immer ganz bei der Sache zu sein. Als Merkel etwa darum bat, dass alle vor Beginn der ersten Arbeitssitzung einmal gemeinsam in die gleiche Richtung zu den Kameras schauen, reagierte er zunächst nicht. Und einen goldenen G20-Anstecker mochte er im Gegensatz zu den meisten anderen Teilnehmern auch nicht tragen, sondern präsentierte nur die US-Flagge am Revers.
Trump gegen „America First“
Doch inhaltlich blieb der große Eklat aus. Sogar beim Welthandel scherte Trump nicht aus, sondern trug das Kapitel mit, das zum „Kampf gegen Protektionismus“ aufrief – und damit faktisch gegen die „America-First“-Politik des US-Präsidenten ist. Im Rahmen des Möglichen hat Merkel die ihr zugesprochene Rolle als „neue Führerin der freien Welt“ also einigermaßen erfüllt. Sie gemeindete Trump in die Runde der G20 ein, gleichzeitig blieben die Differenzen sichtbar – so hatten es Merkels Leute geplant.
In der abschließenden Pressekonferenz bemühte sich die Kanzlerin denn auch, die bestehenden Unterschiede zu betonen. Man habe „in einigen Bereichen recht gute Ergebnisse“ erreicht, sagte sie zurückhaltend. Und fügte in Bezug auf den Streit um das Pariser Klimaabkommen hinzu: „Dort wo es unterschiedliche Meinungen gibt, haben wir den Dissens klar benannt.“ Auch beim Thema Handel dürfte die Einigung auf die Abschlusserklärung nicht über bestehende Differenzen hinwegtäuschen, sagte Merkel. „Die Verhandlungen bleiben schwierig.“
Dass Trump und Merkel sich noch aneinander gewöhnen müssen, zeigte sich an Tag eins beim so genannten Defilee. Merkel stand einsam vor einer blauen Medienwand, begrüßte ihre Gäste einen nach dem anderen. Bei Macron und Trudeau gab es Küsschen. Bei Trump hielt sie Abstand, der Handshake fiel steif aus, beide schauten ungelenk aneinander vorbei.
Aber so absurd wie im März, bei Merkels erstem Besuch im Trump-Washington, fiel die Szene nicht aus. Damals saßen beide im Oval Office, Fotografen forderten laut den Handschlag. Die Kanzlerin beugte sich zu Trump hinüber und fragte, ob man sich die Hand geben wolle. Trump schaute stur geradeaus – und ließ die Kanzlerin ohne Handschlag sitzen. Sein Sprecher sagte danach, er habe die Bitte nicht gehört.
Und sogar auf Beschimpfungen von Journalisten, wie es sie beim Merkel-Besuch in Washington gab, hat Trump in Hamburg verzichtet. Dazu hatte er aber auch gar keine Gelegenheit: Eine Pressekonferenz des US-Präsidenten war gar nicht erst vorgesehen.
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