Dokumentarserie auf YouTube: Erfahrungen greifbar machen

Die Webserie „Berliner Farben“ porträtiert People of Color aus der Kunst- und Aktivismusszene. Nun erscheint die zweite Staffel auf YouTube.

Eine Frau, Cher Nobyl

Cher Nobyl erzählt in der zweiten Staffel von „Berliner Farben“, wie die LGBTIQ*-Community unterstützt werden kann Foto: Poliana Baumgarten

Wenn Poliana Baumgarten an die Medien ihrer Jugend denkt, erinnert sie sich an Arabella Kiesbauer und Viva-Moderatorin Milka: „Das waren die einzigen Personen, mit denen ich mich identifizieren konnte. Aber gleichzeitig haben sie Rassismus nie thematisiert.“

Heute dreht Baumgarten, die in Brasilien geboren ist und seit ihrem dritten Lebensjahr in Deutschland lebt, eine Webserie über People of Color (PoC), die unter anderem auch von ihren Diskriminierungserfahrungen sprechen. Die 26-jährige Kulturwissenschaftlerin erzählt, dass sie erst vor vier Jahren begann, sich mit ihrer Identität zu beschäftigen. Früher habe sie sich die Haare geglättet und versucht, besonders akzentfrei zu sprechen.

„Ich wollte mich assimilieren. Ich habe verdrängt, was Rassismus ist und wie er auf mich wirkt. Irgendwann habe ich festgestellt, dass das auch an den Medien liegt, die ich konsumiere.“ Die Repräsentation von PoC sei nicht realitätsnah, deshalb habe sie beschlossen, in „Berliner Farben“ PoC zu porträtieren, die etwas bewegen.

Die zweite Staffel der Dokumentarserie ist seit Dienstag auf YouTube verfügbar. Die Serie behandelt Fragen zu Race und Gender und macht Erfahrungen der PoC greifbar, die für weiße Zuschauer*innen normalerweise nicht zugänglich sind. Genau deshalb soll „Berliner Farben“ als Brücke zwischen zwei Welten agieren: die Protagonist*innen, die meist in der Kunst- und Aktivismusszene aktiv sind, erzählen ihre eigenen, ganz individuellen Geschichten und Erfahrungen. So sollen weiße Zuschauer*innen Realitäten erfahren können, „anstatt die Dinge gleich auf sich zu projizieren“.

Realitätsnahe Porträts

Die Idee, PoC aus unterschiedlichen Verhältnissen mit der Kamera zu begleiten, entstand aus dem Wunsch, der stereotypen Repräsentation klassischer Medien entgegenzuwirken. „Berliner Farben“ soll eine Plattform sein, auf der auch die „Minderheiten der Minderheiten“ zu Wort kommen, so Baumgarten: „Wenn wir uns zum Beispiel die westafrikanische Kultur anschauen oder die Latinokultur, sehen wir häufig stereotype Bilder, was die LGBTIQ*s angeht. Ich möchte auch innerhalb von Minderheiten die Stereotype abbauen und thematisieren.“

Während sich die erste Staffel größtenteils um Schwarze Protagonist*innen drehte, werden nun in der zweiten Staffel von „Berliner Farben“ Menschen aus der islamischen Diaspora und LGBTIQ*s porträtiert, aber auch weiße Personen: „Die, die sich nach dem schrecklichen Ergebnis der Bundestagswahl deutlich positionieren, und Schutzräume für PoCs und LGBTIQ*s schaffen wollen.“

Früher habe sie sich die Haare geglättet und versucht, besonders akzentfrei zu sprechen

Die relativierende Reaktion der weißen Menschen auf die Rassismuserfahrungen von PoC sei eine der wichtigsten Auslöser des Projekts. Auch eine der Protagonist*innen spricht das Problem an: Fotografin und Filmemacherin Mayowa Osinubi spricht davon, dass in Deutschland die Existenz von Rassismus grundsätzlich infrage gestellt wird und dadurch die Privilegien derer ignoriert werden, die nicht von Rassismus betroffen sind. Das führe wiederum dazu, dass die Mittel unsichtbar gemacht werden, mit denen PoC aus vielen Räumen ausgegrenzt werden.

Baumgarten findet, dass die Tendenz, das Rassismusproblem zu ignorieren, mit zum Erfolg der AfD beigetragen hat.

Wenn das Problem nicht richtig benannt werde, führe dies zu der Schlussfolgerung, dass es gar kein Problem gäbe, und so werde der Weg für Rassismus in Sprache und Verhalten geebnet. „Klar ist es schmerzhaft, über Rassismus zu reden. Das stößt erst mal vor den Kopf, wenn man gewisse Dinge einfach nicht nachvollziehen kann. Weiße Leute fühlen sich deshalb schnell angegriffen. Aber es reicht eben nicht, nur den Holocaust zu thematisieren. Der Rassismus in Deutschland bleibt bestehen und wird immer weiter reproduziert durch Bilder und Worte.“

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