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Dokumentarfilme über die UkrainePünktlicher Bus trotz Beschuss

Die Dokfilme „In Ukraine“ und „Iron Butterflies“ laufen auf der Berlinale. Sie zeigen den prekären Alltag in der Ukraine – auf unterschiedliche Weise.

Mit Waffen spielende Kinder: Alltag im Ukrainekrieg Foto: Piotr Pawlus

Coming-of-Age-Storys lassen sich am besten mit Color-Grading erzählen. Satte, sanfte Farben, die die unerträgliche Leichtigkeit des Sommers abbilden, gibt es auch „In Ukraine“, dem Dokumentarfilm von Piotr Pawlus und Tomasz Wolski, der einfühlsam eine Reise durch das kriegsgebeutelte Land zeigt. Zwei Kinder, die schlingernd Fahrrad fahren, ohne Eile; das Bild ist fast universell lesbar, doch in der Ukraine umfahren die beiden geübt einen liegengebliebenen russischen Panzer.

„In Ukraine“ kündet von Alltag im Krieg. Sinnbildlich steht im Film dafür die Scheibe einer Bushaltestelle, durchschossen und zerkratzt, hinter der Menschen mit Einkaufstaschen warten; der Bus kommt unglaublicherweise auch zu Kriegszeiten pünktlich.

Aufnahmen von verlassenen Dörfern, die Bewohner sind längst geflohen, doch Hunde streifen weiterhin durch die Straßen. Während die Mischlinge sich schnell anzupassen scheinen, tun sich zurückgelassene Zucht- oder Rassehunde schwer damit, um die knappe Nahrung zu kämpfen. Auch für die Menschen sind Lebensmittel rationiert. Kraftlos streitet man sich um Cornflakes und Babynahrung.

Aufbauen, wegbomben, wieder aufbauen

Zu richtigem Streit wächst sich der Zank jedoch nicht aus; dass die Essenausgabe funktionieren muss, ist unausgesprochenes Gesetz in dieser neuen Realität. Man staunt in „In Ukraine“ immer wieder über die Menschen, die mitten im Krieg Aufräumarbeiten leisten, wieder aufbauen, was schon wenige Wochen später wieder in Schutt und Asche gebombt sein könnte.

Ukraine-Dokfilme bei der Berlinale

„Iron Butterflies“: 24. 2.2023, 18.30 Uhr, Cubix 9; 25. 2., 16 Uhr, Zoo Palast 2 Berlin

„W Ukrainie“: 25. 2. 2023, 10.30 Uhr, Zoo Palast 5 26. 2., 13.30 Uhr, Delphi Berlin

Dass der Krieg mitnichten vorbei ist, wird immer wieder spürbar durch Bombenalarm, durch Straßensperren, bei denen nicht nur eine Pass-, sondern auch eine Sprachkontrolle durchgeführt wird: Passieren darf nur, wer sich durch eine bestimmte Aussprache als Ukrai­ne­r:in ausweist. Zur neuen Realität in der Ukraine gehört auch die stete Präsenz von Menschen in Militärkleidung, die, in den besetzten Gebieten und auf der Krim schon seit Jahren Alltag, mit Kalaschnikows unterwegs sind.

Das AK-47 wurde 1946 entwickelt, die Smartwatch, die eine Soldatin am Arm trägt, bringt das Absurde, Anachronistische dieses Krieges auf den Punkt. Auch Kinder tragen heute in der Ukraine mitunter Militärkleidung, ist im Film zu sehen, statt mit Spielzeugpistolen schießen sie mit echten Gewehren, ohne Munition. Spielplätze, so sieht man auch, bleiben indes meistens leer.

Abschuss von MH-17

Wie schnell sich der Mensch an neue Verhältnisse anpasst, ist auch der Umstand, der in „Iron Butterflies“ am meisten erschreckt. Roman Liubyi versucht in dem als essayistisch zu klassifizierenden Film den Nebel um den Abschuss der Malaysia-Airlines-Maschine MH-17 zu Beginn des Krieges in der Ostukraine 2014 zu lichten. Das Passagierflugzeug sei „wunderschön gefallen“, hören wir zwei Kinder sagen, die die Streitkräfte der Volksrepublik Donezk zu ihrem Treffer beglückwünschen.

Neue Zeiten schaffen neue Helden: In Russland stellt kurz darauf ein Möbelhersteller ein Kinderbett her, das die Form eines Boden-Luft-Lenkwaffensystems Typ BUK hat. Genau um dieses BUK kreist der Film, denn die MH-17 stürzte ab, nachdem eine BUK-Rakete direkt über ihr explodierte.

Russland weist die Schuld für den Abschuss von sich, über Luftabwehrraketen dieser Art verfügten die separatistischen Streitkräfte der Ostukraine nicht, heißt es richtigerweise. Dass das BUK im Vorfeld über die Grenze in die Ukraine und später wieder zurück nach Russland transportiert wurde, belegen in „Iron Butterflies“ zahlreiche Bild- und Videoaufnahmen. Zu sehen sind Fotos des mobilen Flugabwehrsystems, das ukrainische Ortsschilder passiert, Menschen fotografieren sich vor dem riesigen Fahrzeug, stellen die Fotos ins Netz.

Indizien, aber keine Beweise

Auch Tonaufnahmen, ein Gespräch über den geplanten und schließlich durchgeführten BUK-Transport, sollen die Schuld Russlands belegen. Als Beweis können die zumindest im Film jedoch nicht gelten, führt Regisseur Liubyi doch weder aus, wer auf den Aufnahmen zu hören ist, noch, woher diese stammen.

Überhaupt gibt es in „Iron Butterflies“ zu wenig Quellen, als dass er als Dokumentarfilm gelten könnte. Das will er aber auch nicht sein, immer wieder sind choreografierte Tanzszenen zwischen die Filmsequenzen geschnitten, mit denen sich Liubyi allerdings keinen Gefallen getan hat. Zu fremdartig wirken sie neben den Aufnahmen aus Gerichten und vom Absturzort.

Lohnenswert ist der Film jedoch in seiner Nachzeichnung der russischen Nar­ra­tiv­entwicklung. Während die Donezker Streitkräfte erst vermeldeten, ein Flugzeug der ukrainischen Armee vom Himmel geholt zu haben, hieß es kurze Zeit später, ukrai­ni­sche Streitkräfte hätten die nun als Zivilflugzeug ausgewiesene Maschine abgeschossen.

Wenn die TV-Wahrsagerin Zweifel äußert

Russische Talkshows, in denen der von einer niederländischen Untersuchungskommission ermittelte Absturzhergang vermeintlich neutral diskutiert wurde, werden eingeblendet, auch eine Wahrsagerin, die im russischen Fernsehen Zweifel an der offiziellen, westlichen Schilderung äußert, ist zu sehen.

Anzurechnen ist dem ukrainischen Film- und Produktionsteam dabei, dass sie die russischen Erklärungsversuche nicht ins Lächerliche ziehen, nicht hämisch sind gegenüber den immer schwerer nachzuvollziehenden Theorien. Selbst die eingeblendeten Selfies, die stolze Se­pa­ra­tis­t:in­nen vor den Trümmern der Maschine machen, in denen 298 Menschen, darunter 80 Kinder, den Tod fanden, sollen, aneinander collagiert, nicht den Hass auf Rus­s:in­nen schüren, sondern sind schlicht als Ausdruck von Kriegslogik zu lesen; mit Trophäen posieren Soldaten seit jeher.

Wer sich für den Abschuss letztlich verantworten muss, ist auch sieben Jahre später noch unklar. Zu lebenslanger Haft verurteilt wurden im November in Abwesenheit zwei russische und ein ukrainischer Staatsbürger. Bis jetzt befinden sie sich in Freiheit in Russland.

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  • Umso schlimmer finde ich, wenn mir dann mitten in diesem Artikel über die bewegende Filme per Annonce ein Foto der grinsenden Wagenknwecht und Schwarzer gezeigt wird, die zum "Aufstand für den Frieden" am 25.2. auzfrufen. Kann die taz nicht besser ihre Anzeigen steuern, oder ihren Anzeigenanbieter wechseln?