Ausbildung von Fußballspielern: Erfolg in der Diaspora

Der Fußball in der Ukraine liegt kriegsbedingt brach, was auch die Nachwuchsförderung trifft. Für die ist der Krieg aber auch eine Chance.

Nachwuchsspieler samt Fan.

Fan und Nachwuchs von Shakthar Donezk Foto: Roman Stepanow

LUZK taz | Der Transfer von zwei jungen Spielern in die Premier League im Januar war das vielleicht bedeutendste Ereignis im ukrainischen Fußball der vergangenen Jahre. Zwei Spieler, die von einheimischen Trainern ausgebildet wurden, spielen nun in der reichsten Fußballliga der Welt. Der FC Chelsea zahlte 100 Millionen Euro für den offensiven Mittelfeldspieler Mychailo Mudryk an Schachtar Donezk und der AFC Bournemouth hat 23 Millionen Euro für den Verteidiger Ilja Zabarnyi von Dynamo Kyjiw auf den Tisch gelegt.

Solche Schätze gibt es in der Ukraine nun kaum mehr. Ein veraltetes Ausbildungssystem, fehlende finanzielle Mittel für die Akademien und der Krieg haben die Entwicklung junger Qualitätsspieler zum Stillstand gebracht.

Doch, so paradox es klingen mag, der Krieg hat ihnen auch Chancen eröffnet. Mehrere hundert junge Spieler aus der Ukraine gehen jetzt im Ausland zur Schule. Das könnte ihnen nicht nur die Chance eröffnen, außerhalb ihrer vom Krieg zerstörten Heimat ihr persönliches Glück zu finden. Es könnte auch dem Fußball in der Ukraine helfen. Davon jedenfalls ist Andriy Kudyrko, der Gründer der Nachwuchsplattform “Goldenes Talent“ und Kenner des ukrainischen Jugend- und Kinderfußballs, überzeugt: „Die ukrainische Nationalmannschaft kann den Weg von Kroatien und Marokko wiederholen“, meint er.

Marokko habe ihren sensationellen Erfolg bei der WM in Katar zu einem großen Teil den Kinderfußballschulen in den europäischen Ländern zu verdanken. 15 der 26 Spieler der Auswahl seien in süd- und westeuropäischen Akademien ausgebildet worden. Und etliche Kicker, deren Eltern während der Balkankriege in verschiedene Teile Europas fliehen mussten, hätten 2018 und 2022 im WM-Kader Kroatiens gestanden. Kovacic und Susic wurden in Österreich geboren, Stanisic und Paszalic in Deutschland.

282 Kicker

Nun wurden viele ukrainische Kinder wegen des Kriegs ins Ausland geschickt. Unter ihnen sind viele talentierte Fußballer, die die Chance haben, nach modernen europäischen Standards zu trainieren. Kudyrko schätzt, dass es in Europa derzeit 282 junge Fußballer ukrainischer Herkunft im Alter von 15 bis 20 Jahren sind. Und er ist überzeugt davon, dass die Zahl der ukrainischen Spieler in Europa weiter steigen wird, nachdem im vergangenen Jahr beschlossen wurde, keine Nachwuchsmeisterschaft in der Ukraine mehr auszutragen.

Die Gefahr, unter Beschuss zu geraten, war zu groß. Und so schickten die meisten Schulen und Fußballakademien ihre Zöglinge zusammen mit Verwandten oder in Gruppen ins Ausland. Selbst die Top-Akademien der reichsten ukrainischen Vereine hatten den Kindern nichts mehr zu bieten und gingen diesen Weg.

Shakhtar, einer der ganz großen Klubs im Land, hat fast seine gesamte Jugendabteilung verloren. Zu denjenigen, die gegangen sind, gehören die 15-jährigen Bohdan Olitschenko und Artjom Stepanow. „Beide sind in Luzk geboren und haben für lokale Klubs gespielt. Als sie ein höheres Niveau erreichten, haben wir sie zu Shachtar gebracht, das nach Kriegsbeginn 2014 in Kiew ansässig war“, sagt Artjoms Vater Roman Stepanow, selbst ehemaliger Fußballspieler.

Von Preußen zum BVB

Roman Stepanow hat bis zum Tag des Überfalls auf die Ukraine am 24. Februar 2022 als Scout bei Shakhtar gearbeitet. Nun machte er sich daran, die Karriere seines Sohnes in Europa voranzubringen. Mit Erfolg. Sohn schaffte es zusammen mit seinem Freund Bohdan Olitschenko zum FC Bayern. Doch nur Bohdan blieb in München, der junge Stepanov wurde von Bayer Leverkusen verpflichtet. Ein weiterer Shakhtar-Schüler, der 17-jährige Mittelfeldspieler Daniil Krewsun, wechselte zu Jahresbeginn zu Borussia Dortmund. Bis dahin hatte Krewsun bei Preußen Münster in der Junioren-Bundesliga West gespielt. Nachdem er vier Tore in sieben Spielen geschossen hatte, wurden die Scouts der Borussia auf ihn aufmerksam.

Auch in Köln, Salzburg und Brügge gibt es junge Spieler aus Shakhtars Akademie. Doch selbst der Ukrainische Fußballverband (UFA) hat nicht alle Informationen über die jungen Ukrainer, die im Ausland trainieren und spielen. „Junge Fußballspieler verlassen die Ukraine als Flüchtlinge, weil sie unter 18 sind. Sie gehen allein oder mit ihren Eltern ins Ausland und werden dort von potenziellen neuen Vereinen betreut“, erklärt Andriy Kudyrko.

Jetzt gehe es für den Ukrainischen Fußballverband darum, diese Spieler schnell davon zu überzeugen, möglichst bald für die Nationalmannschaften in den verschiedenen Altersklassen zu spielen. “Sonst gehen diese Talente dem ukrainischen Fußball verloren.“

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