Dokufilm „Arlette“: Bleib, wo du bist

„Arlette“ begleitet ein kriegsversehrtes afrikanisches Mädchen in der Berliner Charité. Doch wohin soll sie nach der Behandlung?

Arlette sitzt auf einem Bett im Krankenhaus

Keine Behörde fühlt sich für Arlette zuständig. Foto: SRF

Filme können doch etwas bewirken. Zuschauer eines Dokumentarfilms – „Carte Blanche“ von Heidi Specogna – sehen und hören den Schmerz eines kleinen Mädchens in der Zentralafrikanischen Republik. Kleine Mädchen sollten keine Schussverletzungen im Knie haben. Schussverletzungen im Knie sollten auch anders als mit Kräutersud behandelt werden. Es wird Geld gesammelt, eine OP in der Berliner Charité finanziert.

Arlette wird zum ersten Mal von ihren Eltern und Geschwistern getrennt, sie fliegt zum ersten Mal in einem Flugzeug. Sie sieht zum ersten Mal in ihrem Leben Schnee. Sie greift danach aus dem Fenster ihres Zimmers in der Charité – um damit ihren Orangensaft zu kühlen. Dass das Krankenhaus einen französischen Namen trägt, heißt nicht, dass die Ärzte Französisch können. Arlettes Knie können sie aber problemlos operieren.

In der Reha lernt Arlette Dagmar kennen, die sie Dagmann nennt. Dagmar/Dagmann kann Französisch. Wenn Arlette ihr erzählt, was passiert ist, sind Gestik und Mimik nicht weniger wichtig als Worte: „2003 waren bei uns viele, viele, viele, viele, viele, viele, viele kongolesische Rebellen. Sandrine... Im Haus von Sandrine haben die kongolesischen Rebellen sie... ganz, ganz viele. Und die Mutter und der Vater... Einfach so. Nein, aber warum? Und dann der Mutter... Der Vater von Sandrine ist tot. Der Vater saß so. So starb der Vater. Und danach sind sie gegangen.“

Arlette hat zum ersten Mal seit Jahren keine Schmerzen mehr. Sie ruft den Onkel an: „Hier in Bangui ist es schwierig. Sie haben den Präsidenten gestürzt. Die Rebellen sind wieder da.“ Die Mutter: „Was du bereits kennst, geschieht wieder. Komm nicht zurück! Bleib, wo du bist.“

"Arlette - Mut ist ein Muskel“, 3sat, 22.25 Uhr

Wohin mit Arlette? Keine Behörde wähnt sich zuständig. Also erst mal zur Mutter des Filmemachers, in die Berliner Wohnung der Filmemacherin Heidi Specogna. Bestimmt wollte auch Florian Specogna Hoffmann mit seinem Film etwas bewirken. Bestimmt hatte er sich das etwas anders gedacht. Bestimmt hatte er als Direct Cinema-geschulter Dokumentarfilmer nicht selbst in sein Kamerabild kommen wollen, um Arlette zu trösten. Bestimmt hatte er nicht gedacht, dass sein Film so aktuell sein würde.

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