Doku über Designer: Das Enigma Martin Margiela
Regisseur Reiner Holzemer hat den Designer für sein Filmporträt „Martin Margiela – Mythos der Mode“ vor die Kamera bekommen – teilweise.
![Eine Frau mit Perücke im Gesicht und einem weissen Oberteil auf dem Laufsteg Eine Frau mit Perücke im Gesicht und einem weissen Oberteil auf dem Laufsteg](https://taz.de/picture/4417071/14/Martin_Margiela_Mythos_Mode-1.jpeg)
Bis zum Ende, und da nervt es dann doch, kommt Reiner Holzemer in seinem Dokumentarfilm „Martin Margiela. Mythos des Mode“ immer wieder darauf zurück, dass der porträtierte Modemacher sich als Person nie zu erkennen gegeben hat, bis heute nicht, obwohl er sich aus dem Modegeschäft längst zurückgezogen hat und nun bildhauerisch arbeitet.
Wo andere Designer mit ihrem Gesicht für ihre Marke standen oder sich mit ihrem Auftreten als deren eigentlicher Star zelebrierten, blieb Martin Margiela der große Unbekannte, der öffentlich nicht in Erscheinung trat. Entsprechend existieren von ihm keine Fotos oder Filmaufzeichnungen. So ungewöhnlich Margielas Anstrengung war, sich einer Imagebildung zu verweigern, zumal in den 80er Jahren als der Celebrity-Kult erste hohe Wogen schlug, er entkam ihr trotzdem nicht.
Es war dann eben das Enigma Margiela, an dem Modewelt und Gesellschaft seine Identität festmachte. Ihm huldigt auch Reiner Holzemer in seinem Film, interessanterweise umso mehr, als er die Abwesenheit Margielas penetrant betont, wo doch der Modedesigner selbst bereit war, in seinem Film mit eigener Stimme zu sprechen und mit eigener Hand wichtige Dinge zu bedeuten, Entwürfe aus dem Archiv zu bergen und die Idee dahinter zu erklären.
Mode aus Plastiktüten und alten Armeesocken
Das Enigma wird also nicht dekonstruiert, so wie Margiela in den späten 1980er Jahren die Mode auseinandernahm und ihre Tricks sichtbar machte, indem er das Innerste nach außen kehrte, die Polster, die Versteifungen, die Abnäher, die Nähte, die er nicht versäuberte und die Fäden, die er lose baumeln ließ, um dann doch an anderer Stelle perfekte Verarbeitung zu zeigen. Das scheinbar Unfertige dieser Kleider deutete auch schon den Zustand an, in dem sie fertig sein würden, abgewetzt und zerschlissen.
„Martin Margiela. Mythos der Mode“. Buch und Regie: Reiner Holzemer, D, F, B, 91 Minuten. Filmstart ist der 15. Oktober
Auch diesen Zustand war Margielas Betrachtung wert, wie die im Film gezeigten Kollektionen belegen, wo Röcke aus Vintage-Foulards zusammengenäht sind und Pullover aus alten Armeesocken. Im Frühjahr/Sommer 1998 waren Kleider aus Plastikeinkaufstüten zu sehen. Entwürfe kamen im XXXXL-Format daher, schwer zu tragen, vielleicht mit der Idee, wie schwer zu ertragen die Mode doch ist.
Er experimentierte auch mit den Vergrößerungen von Puppenkleidern aus seinen ersten Anfängen als Kind, wie er sie bei seiner Großmutter, die Schneiderin war, für seine Barbiepuppen schneiderte – nachdem er im Fernsehen eine Dokumentation über André Courrèges und Pierre Cardin gesehen hatte, ein Erlebnis, mit dem ein für allemal sein Berufswunsch Modedesigner feststand.
Nach dem Studium an der königlichen Akademie der Schönen Künste in Antwerpen – zur selben Zeit wie die Antwerp Six, mit denen er lose verbunden war – gründete er 1988 zusammen mit Jenny Meirens sein Maison Martin Margiela. Die berühmten weißen Etiketten in der Kleidung, von außen durch vier diagonale Heftfäden erkennbar, gehen auf sie zurück. Was im Film aber nicht der Rede wert ist, da Meirens hier nur eine Randnotiz ist.
Die Farbe Weiß, das wissen wir, war da schon die Farbe von Maison Martin Margiela, ebenso wie die Leerzeichen, mit denen der Designer arbeitete, das Blankoetikett Markenzeichen, die Models ohne Gesicht, sei es, weil ihr Afro ganz um sie herumwuchs wie einst bei Rebecca Horn, sei es, weil ein Tuch ihren Kopf verhüllte. Dazu kamen die am großen Zeh geteilten Schuhe, die wie Kamelhufe wirkten.
Die Aufnahmen seiner ersten Fashionshow zeigen dann auch eine bestürzend schöne Situation: Wie ein Außerirdischer landete Martin Margiela mit seiner so ganz anders aufgetakelten Entourage irgendwo in einem Pariser Vorort und danach war tatsächlich nichts mehr wie zuvor in der Mode.
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