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Doku über Billie Eilish bei Apple TVSanfte Heiserkeit der Seele

Die Doku „The World’s a Little Blurry“ ist großzügig und feinfühlig. Und sie zeigt, warum Billie Eilishs Weltschmerz so viele Menschen anzieht.

Die Familie als emotionaler Halt: Sängerin Billie Elish (rechts) mit ihrer Mutter Foto: Apple TV+

Dass Billie Eilish geweint haben soll, als sie den Dokumentarfilm über ihre Teenagerjahre gesehen hat, ist bereits überliefert. Wahrscheinlich hat sie auch ein Gesicht gemacht wie ein Schrei–Emoji oder sich in einen übergroßen Pulli verkrochen. Solche verschämten Gesten gehören zu den Erkennungszeichen der 19-jährigen Erfolgsmusikerin Billie Eilish, die mit 13 ihren ersten Hit landete, mit 17 ein Nummer-eins-Album und mit 18 fünf Grammys auf einmal einsammelte.

Apple, das erste Unternehmen, das Billie Eilish einst unter Vertrag nahm, hat sich für seine Video-Sparte Apple TV früh den Zugang zu Haus, Tourbus und Privatleben des Superstars gesichert, sowie das Vertrauen ihrer Familie. Herausgekommen ist ein Film, der großzügig und feinfühlig gegenüber seiner Protagonistin ist. Verantwortlich für „The World’s a Little Blurry“ zeichnet Regisseur R. J. Cutler, der schon Filme über die Schauspieler John Belushi und Marlon Brando und über den Republikaner Dick Cheney gedreht hat.

Die US-Künstlerin Billie Eilish, mit vollem Namen Billie Eilish Baird O’Connell, ist Sängerin, Songwriterin und Performerin. Bekannt ist sie als Streetwear-Ikone, für die tiefe Ernsthaftigkeit ihrer Texte; und für ihre Stimme, die ohne den im Pop üblichen Druck auf Kehlkopf und Stirnraum auskommt, stattdessen mit dem Kratzen und Springen an den natürlichen Übergängen zwischen Brust- und Kopfstimme spielt. Eine Art sanfte Heiserkeit der Seele.

Die Vertonung übernimmt Bruder Finneas, mit dem Billie Eilish ihre Songs in Kooperation textet und komponiert. Billie Eilish ist ohne diese Symbiose von Bruder und Schwester kaum vorstellbar, ebenso wenig ohne die wertschätzende Aufmerksamkeit und Tough Love ihrer Eltern, so die These, die der fast zweieineinhalb Stunden lange Film verfolgt.

Überraschend gut darin, Superstar zu sein

Und doch ist Billie Eilish, der Superstar, letztlich mit dem Starsein allein. „Ich kann nicht mal einen schlechten Moment haben“, sagt sie im Film nach einem missglückten Meet-and-Greet. Ein einziges Mal hat die professionelle Lächlerin und Umarmerin keine Lust, noch endlos Menschen anzulächeln und zu umarmen. „Ich habe einmal einen schlechten Moment und schon schreibt jemand darüber in den sozialen Medien.“

Billie Eilish, die sich „nie bewusst entschieden hat“, so freigiebig ihr Innerstes offenzulegen, wie sie es tut, ist überraschend gut darin, ein Superstar zu sein. Sie hat früh verinnerlicht, was von ihr erwartet wird, wie sie in Interviews durch ihre besondere Rezeptur Sympathien gewinnt: ein Teil schüchtern, ein Teil too cool for school, ein Teil Ich-muss-nicht-hier-sein-IHR-wolltet-das.

Die Familie, die sich entschieden hat, ihr emotionaler, kreativer und professioneller Halt zu sein (Mutter Maggie Baird begleitet ihre Kinder auf jeder Tournee), hat sich offenbar auch entschieden, mit diesem Film alles ausleuchten zu lassen. Das scheint erstaunlich, wo doch Billie Eilish schon jetzt mit Stalkern zu tun hat, die vor ihrem Elternhaus campen.

Aber für das Unternehmen Billie Eilish scheint Verbergen keine Option mehr, es bleibt nur der Transparenz-Angriff nach vorn. Als Billie Eilish dreizehn ist, wird sie mit dem Song „Ocean Eyes“ ihres Bruders über die Musikplattform Sound­cloud ein Netzphänomen, noch vor dem ersten Plattenvertrag. Verstecken war in ihrer Welt nie eine Option.

Was ist schon gewöhnlich?

Der Film beginnt mit dem Songwriting für Billie Eilishs Debütalbum „When We All Fall Asleep, Where Do We Go“, zunächst vor allem aus selbstgedrehten Handyaufnahmen der Familie geschnitten. Später schleicht sich ein professionelles Kamerateam dazu, das von da an die Familie begleitet, in kreativen Momenten, auf Tournee, bei der ersten Liebe und auch bei so gewöhnlichen Momenten wie der Anmeldung zur Fahrschule. Aber was sind schon gewöhnliche Momente im Leben eines Teenagers?

Nur in einem Punkt hebt sich der Teenager Billie Eilish dann doch ab. Sie versteht den Umgang mit Worten und Harmonien, mit Ästhetik und Performance. Anstatt dass ihre erratische Teenagerhaftigkeit und ihr Weltschmerz also Erwachsene und Gleichaltrige nervt und in die Flucht schlägt, wird sie zu Kunst, die anziehend wirkt. Für Billie Eilish, die unter der Last ihrer Sensibilität zu leiden scheint, war der Erfolg womöglich die Rettung, auch wenn er sie körperlich und psychisch belastet.

Welche Kinderstar-Geschichte endete noch mal nicht in einer Katastrophe? Diese Frage möchte man immer wieder wegschieben. Und Hoffnung setzen in das Familienunternehmen Baird O’Connell und dass dessen Mix aus Rampenlicht und Selbstsorge Billie Eilish vor Schlimmerem schützen wird.

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