Diversität bei Disney: Mal wieder keine Hauptrolle
Im neuen Disney-Film „Jungle Cruise“ versucht sich das Unternehmen in queerer Sichtbarkeit. Natürlich nur in Form einer Nebenfigur.
E ndlich bin ich mal wieder in ein Kino hinabgestiegen, um mich von Bässen und schnellen Bildern in eine weiche Stuhllehne drücken zu lassen. „Jungle Cruise“ ist der aktuelle, 200 Millionen Dollar teure Sommerblockbuster: ein beinahe zu Tode computeranimiertes Abenteuerspektakel mit Emily Blunt und Dwayne „The Rock“ Johnson in den Hauptrollen, denen es gerade noch so gelingt, dem Ganzen Leben einzuhauchen; zum Abschalten aber mehr als zufriedenstellend.
Darin spielt der britische Comedian Jack Whitehall einen wunderbar tuntigen Sidekick im Stil eines femininen britischen Dandys. Er hat keine andere Funktion, als für ein paar Lacher zu sorgen, etwa indem er ein Dutzend Koffer mit exquisiter Abendgarderobe auf den Amazonastrip mitbringt oder wenn ihm die eine oder andere Anspielung aufs Schwanzlutschen entfleucht.
Mit so was sind wir natürlich heute nicht mehr okay, und das weiß Disney. Flache homophobe Stereotype zur Unterhaltung gehen gar nicht. Deswegen hat der tuntige Sidekick eine Szene bekommen, um ihm Tiefe zu geben. Eine Szene, in der er dem „Rock“ offenbart, wie die piekfeine Londoner Gesellschaft ihn ausgestoßen hat, weil er Männer liebt. Und dann stoßen beide drauf an, anders zu sein. Disney klopft sich jetzt jedenfalls so stark auf die Schulter für dieses Stück queere Sichtbarkeit, dass man um die Schulter fürchten muss. Und die Darsteller*innen in ihren Promointerviews verdrücken ein Tränchen darüber, wie echt und berührend die Szene gewesen sei.
Die Walt Disney Company hat letzthin viel Dreck abgekriegt, weil sich ihre Filme oft tuntiger, femininer oder queer wirkender Sidekicks und Bösewichte bedienen – während die Held*innen in blasse Heteroromanzen verwickelt sind. Das hat Disney beeindruckt, und deswegen bekommen unsere bösen Feen und Welpenkillerinnen jetzt eigene Filme mit schlimmen Kindheiten und unsere schwulen Witzbolde ein bisschen mehr Tiefe.
Ich habe aber überhaupt nichts gegen einen platten schwulen Sidekick, dessen einzige Funktion es ist, exzentrisch und extravagant zu sein und irgendetwas Phallisches zu sagen. Das Problem in Massenmedien besteht nicht darin, dass die queeren Nebenfiguren zu platt sind. Das Problem besteht darin, dass wir nach wie vor keine queeren Hauptfiguren kriegen. Wären Hauptfiguren in Disney-Blockbustern (oder auch ARD-Fernsehfilmen) routiniert LGBT, dann wären uns die Sidekicks doch völlig egal.
Da es aber nicht so ist, sondern in der Familienunterhaltung eine zentrale Heteroromanze erforderlich ist, liegt gleich unterhalb der Hauptrollen eine gläserne Decke, unter der die LGBT-Nebenfiguren um ihr Leben tanzen. Und deswegen kriegt am Ende von „Jungle Cruise“ das Mädchen (Emily Blunt) den Jungen („The Rock“). Immerhin in dieser Reihenfolge, so weit sind wir schon.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Rekrutierung im Krieg gegen Russland
Von der Straße weg
Deutschland braucht Zuwanderung
Bitte kommt alle!
Umfrage zu Sicherheitsgefühl
Das Problem mit den Gefühlen
„Freiheit“ von Angela Merkel
Die Macht hatte ihren Preis
Verkehrsvorbild in den USA
Ein Tempolimit ist möglich, zeigt New York City
Deutscher Arbeitsmarkt
Zuwanderung ist unausweichlich