Disney-Animationsfilm „Wish“ im Kino: Ein Wunsch frei
Disney macht sich mit dem Animationsfilm „Wish“ ein Geschenk zum 100. Geburtstag. Darin gibt es viele Zitate aus den eigenen Zeichentrickklassikern.
Ein Animationsfilm darf ein bisschen hanebüchen sein; der Wille zum Unsinn gehört sogar dazu. In der „Monster AG“ (2001) beschäftigten sich die zwei Hauptfiguren damit, Kinder im Schlaf zu erschrecken, damit aus ihren Schreien Energie gewonnen werden konnte. In „Alles steht Kopf“ (2015) wird menschliches Vergessen als Aufräumaktion einer staubsaugerbewehrten Putzkolonne illustriert.
Und das Schöne an Märchenverfilmungen wie „Schneewittchen und die sieben Zwerge“ (1937) war immer schon, dass sie es mit der Vorlage nicht so genau nahmen, und stattdessen aus vormals bedrohlichen Zwergen ausdrucksstarke Charaktere machten, die Dopey und Sleepy heißen und die hinterher jedes Kind als Spielfigur haben wollte.
Es ist also nicht das Moment des Unrealistischen, dass die Prämisse von „Wish“ so wenig überzeugend macht. Ein Zauberer gründet ein Königreich, in das er alle Wünschenden einlädt, mit dem Versprechen, ihnen ihre Wünsche abzunehmen und wegzusperren. Nur ein Mal im Monat will er einen davon erfüllen. Warum ist Asha, die zentrale Heldin dieses Films, davon überrascht, dass ihr eigener Großvater, der mit 18 Jahren ins Königreich kam, nun bereits seinen 100. Geburtstag feiert, ohne seinen Wunsch je wieder gesehen zu haben?
Wie gesagt, es wäre zu viel verlangt, von einer Disney-Prinzessinnenfigur so was wie Wahrscheinlichkeitsrechnung zu erwarten. Grundzüge einer plausiblen Motivation und Figurenzeichnung aber schon.
„Wish“. Regie: Chris Buck, Fawn Veerasunthorn USA 2023, 92 Min. Ab 30. 11. im Kino
Immerhin ist sie sympathisch, diese Asha. Nach inzwischen etablierter Tradition ist ihr Äußeres am Vorbild ihrer Originalsprecherin angelehnt, dem Oscar-prämierten Broadway-Star Ariana DeBose. Sie strahlt mit Langhaar-Braids und coolen Sprüchen allerdings mehr urbane Modernität aus, als es die irgendwie an „1001-Nacht“-Exotismus anschließende Umgebung des „Wish“-Königreichs verträgt. Dennoch geht man erst mal bereitwillig mit ihr mit, wenn sie zum Vorstellungsgespräch beim König eilt, der als Zauberer jedes Jahr einen neuen Lehrling bei sich aufnimmt.
Ein gutgelauntes Kugelwesen
Auch Magnifico, der König hat ein paar markante Züge mit seinem Sprecher Chris Pine gemeinsam – die Augenbrauen! – und verspricht zuerst ein fesselnder Antagonist zu werden. Er kommt daher als geschickter Blender, dessen Fassade im Gespräch mit Asha aber allzu schnell Risse bekommt. Er gibt zu, dass er gar nicht vorhat, Wünsche wie den ihres Großvaters zu erfüllen, weil er ihn für gefährlich hält. Fortbestand des Reichs, Machtsicherung und so.
Asha kann das nicht nachvollziehen, bekommt den Job als Zauberlehrling nicht und singt erst mal enttäuscht einen Stern an. Der bequemt sich in Form eines zwar stummen, aber gutgelaunten Kugelwesens prompt zu ihr herab und inspiriert mit allerlei Streichen zur Revolte gegen Magnifico. In mehreren Anläufen bringt Asha diese dann auf den Weg. Liegt es an den völlig uninspirierenden und monoton klingenden Songs, dass man so gut wie gar nicht mitfiebern will, mit ihr und ihren sträflich zu kurz kommenden Mitstreitern?
Vielleicht liegt es aber auch daran, dass der Film „Wish“ noch eine ganz andere Funktion hat. Mit ihm soll der 100. Geburtstag der „Walt Disney Company“ begangen werden. Man hatte es sich so schön vorgestellt: ein Animationsfilm in der besten Tradition des Hauses, mit den erfolgreichsten Elementen von gestern und heute, der gleichzeitig den wechselnden Animationstechniken die Ehre erweist. Man findet dieses Konzept nur leider allzu deutlich in der Filmgestaltung wieder. Während die Hintergründe mit der alten „Watercolor“-Methode gemalt wurden, sind die Figuren im Vordergrund computeranimiert.
Nostalgie nach den früheren Filmen
Das Ergebnis aber sieht nicht nach Hommage, sondern wie schlecht recycelt aus. Der Eindruck der wenig nachhaltigen Wiederverwertung wird noch verstärkt dadurch, dass es von sogenannten Easter eggs, von direkten Anspielungen an frühere Disney-Filme, nur so wimmelt. Da tanzen und lächeln die Blümchen als Chor wie in „Alice im Wunderland“, bewegen sich Sterne als Wolken wie in „Bambi“ und erinnert der dunkle Wald an „Pocahontas“.
Empfohlener externer Inhalt
Trailer „Wish“
Das alles könnte auch witzig sein, doch entgegen dem Willen der Macher weckt jedes dieser „Ostereier“ nur die Nostalgie nach den früheren Filmen, ohne deren Zauber wiederholen zu können.
Umso bedauerlicher ist das Scheitern, weil „Wish“ neben dem selbstbewussten Mädchen im Zentrum auf wunderbar selbstverständliche Weise weitere „woke“ Elemente enthält, wie sein ethnisch diverses Ensemble und einen Plot, der die Anlage enthält, sich auf positive und empathische Weise auf die Erfahrung von Flüchtenden zu beziehen. So kann man am Ende dem Wortspiel nicht widerstehen und sich nur wünschen, es wäre ein besserer Film.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Exklusiv: RAF-Verdächtiger Garweg
Meldung aus dem Untergrund
Anschlag auf Magdeburger Weihnachtsmarkt
Vieles deutet auf radikal-islamfeindlichen Hintergrund hin
Keine Konsequenzen für Rechtsbruch
Vor dem Gesetz sind Vermieter gleicher
Anschlag in Magdeburg
Auto rast in eine Menschenmenge auf dem Weihnachtsmarkt
Wahlprogramm von CDU und CSU
Der Zeitgeist als Wählerklient
Russische Männer auf TikTok
Bloß nicht zum Vorbild nehmen