Diskussion zum „Lockdown-Macher“-Skandal: „Bild“ bleibt sich treu

Der „Bild“-Chef hat sich mit For­sche­r:in­nen zu einer Podiumsdiskussion getroffen: Eine Reaktion auf den Eklat um vergangene Berichterstattung.

Bildzeitungs-Aufsteller auf der Straße

Will weiter für dumm verkaufen: die „Bild“ Foto: dpa

BERLIN taz | Nach massiver Kritik seitens der Wissenschaft ist Bild-Chefredakteur Johannes Boie am Freitag mit For­sche­r:in­nen zusammengetroffen. Es war der erste öffentliche Austausch zwischen Springer-Verlag und Forschungsgemeinschaft nach dem Eklat um den Bild-Artikel „Die Lockdown-Macher“ im Dezember.

Die Podiumsdiskussion unter dem Titel „Dialog zur Rolle des Boulevardjournalismus in Zeiten der Pandemie“ wurde auf Youtube live gestreamt. Bild-Chef Boie sprach unter anderem mit zwei der drei Forscher:innen, die im „Lockdownmacher“-Artikel im Dezember diffamierend abgebildet worden waren.

Die Physikerin Viola Priesemann und den Immunologen Michael Meyer-Hermann hatte Bild mit dem Artikel im Dezember groß abgebildet und unterstellt, sie hätten Lockdown-Maßnahmen „ausgetüftelt“. Mehrere Forschungsgesellschaften warfen daraufhin Bild „einseitige Berichterstattung gegen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler“ vor, der Presserat sprach eine Rüge aus. Boie hatte zuvor im Oktober die Bild-Chefredaktion von Julian Reichelt übernommen.

Ebenfalls auf dem Podium saßen Michael Hallek, Mitglied des Wissenschaftsrates und Otmar D. Wiestler, Präsident der Helmholtz-Gemeinschaft. Wiestler betonte, dass es ich um eine „gemeinsame Veranstaltung“ handele und man als Wissenschaftler immer dialogbereit sei, „gerade in heikleren Situationen“.

Entschuldigung von Bild?

Wiestler mahnte zu faktenbasierter Kommunikation und respektvollem Miteinander. „Dagegen hat der Artikel Lockdown-Macher in eklatanter Weise verstoßen.“ So etwas dürfe sich nicht wiederholen, nicht nur in der Pandemie, sondern auch mit Blick auf die Klimadebatte.

Immunologe Meyer-Herrmann sagte, er habe jede Kommunikation mit Bild „aufgrund schlechter Erfahrungen“ eigentlich stets abgelehnt. Er habe den Gespräch dennoch zugestimmt, denn er begreife die Veranstaltung als Entschuldigung von Bild.

Chefredakteur Boie sagte: „Der Artikel war absolut unglücklich, ich würde ihn so nicht noch mal drucken.“ Zu den Anfeindungen, die die Wis­sen­schaft­le­r:in­nen im Anschluss erlebten, sagte Boie: Diese kenne er selbst, der Shitstorm gegen Bild und Bild-Journalist:innen sei „absolut brutal“.

Physikerin Priesemann beklagte, viele Kol­le­g:in­nen wollten mit ihren Forschungsergebnissen nicht mehr an die Öffentlichkeit treten. „Das sollte uns zu denken geben.“ Das Aufbereiten wissenschaftlicher Forschung für eine breite Öffentlichkeit sei extrem zeit- und arbeitsaufwendig.

Boie widerspricht

„Wenn man dafür an den Pranger gestellt wird, kann ich verstehen, dass sich dem nicht jeder aussetzen will.“ Es gebe eine klare Rollenverteilung: Wissenschaft sei nicht Politik. Dem widersprach Boie. Wenn Wis­sen­schaft­le­r:in­nen aus den Laboren herausträten, hätten sie eine öffentliche Rolle. Die Politik begründe nun mal ihre Maßnahmen mit den Ergebnissen der Wissenschaft.

Priesemann und Meyer-Hermann schlugen eine „neutrale“ Wissensseite in der Bild vor, „ohne Meinung“. Sie erhofften sich von Bild Unterstützung beim Aufklären über die Impfung.

Bild-Chef Boie zeigte viel Verständnis, äußerte aber keine konkreten Versprechen. Man arbeite daran, die Kultur in der Redaktion zu verbessern, damit jemand, „der Bauchschmerzen bei einem Text hat“, sich jederzeit äußern könne. Beim Zuspitzen von wissenschaftlichen Debatten müssen man künftig genauer prüfen.

Zuspitzungen müssten stets von Recherchen getragen werden und ethisch haltbar sein. Dennoch: „Boulevard muss Boulevard bleiben.“ Wenn man ihn abschaffe, erreiche man viele Le­se­r:in­nen nicht mehr.

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