Diskussion um falsch-positive Fälle: Die Zeit heilt so manche Wunde
Die Häufung von falsch-positiven Coronafällen im Sport würde zu einem Kuriosum verkommen, wenn die Konsequenzen nicht so hart wären.
S portler werden getestet. Das ist eine seit Jahrzehnten gängige Praxis. Kommt ein positives Ergebnis dabei heraus, dann ist das zumeist negativ für den Betroffenen. Nach einem positiven Dopingtest droht nicht selten ein Berufsverbot von zwei Jahren. Bei einem positiven Coronatest ist der Spuk manchmal schon nach zwei Tagen vorbei – falls der Nachtest negativ ausfällt und das positive Erstergebnis zum falsch-positiven wird.
Im Profisport, der wegen seiner privilegierten Stellung Zugang zu vielen Coronatests hat, gibt es auffällig viele dieser falsch-positiven Ergebnisse, und man fragt sich automatisch, wie viele dieser falsch-positiven Fälle es wohl in der Normalbevölkerung gäbe, wenn sie ähnlich leicht wie Tennis- oder Radprofis an einen oder mehrere Nachtests käme.
Falsch-positiv waren zuletzt Bayern-Star Serge Gnabry und ein Fußballspieler des Zweitligisten Würzburger Kickers (neben zwei Trainern). Die krasseste Meldung aus diesem Bereich flatterte Ende August aus der US-Football-Liga NFL über den großen Teich, als gleich mal 77 Personen auf einen Schlag falsch-positiv waren und Zweifel an der Verlässlichkeit des sogenannten Corona-PCR-Tests aufkamen, der nach einer RNA-Sequenz fahndet und diese nach bis zu 40 Verdopplungsvorgängen messbar macht.
Nun muss man wissen, dass jedes Verfahren anfällig ist für zwei Fehler: Es kann eine Infektion übersehen oder eine nicht infizierte Person als infiziert klassifizieren, als falsch-positiv. Um die Güte eines Tests zu beurteilen, braucht man immer zwei Angaben: die Wahrscheinlichkeit, dass ein Infizierter richtig positiv getestet wird, und die Wahrscheinlichkeit, dass ein Nichtinfizierter fälschlicherweise positiv getestet wird.
Eine Frage der Spezifität
Angenommen, die Krankheitsverbreitung durch Corona in der Bevölkerung, also die Prävalenz, liegt aktuell bei 3 Prozent, der Test hätte eine Spezifität von 99 Prozent, und wir testen 100 Menschen, dann wäre zu erwarten, dass wir drei positive Fälle finden und einen falsch-positiven Fall. Wir hätten also vier Fälle herausgefischt; der sogenannte positive Vorhersagewert läge bei 75 Prozent; der unerwünschte Beifang läge bei 25 Prozent. Gingen wir von einer höheren Krankheitsverbreitung und einem noch sichereren Testverfahren aus, würde sich die Anzahl der falsch-positiven Fälle entsprechend reduzieren.
Da aber vor allem die Prävalenz ein Schätzwert ist, wissen wir nicht, wie hoch der Anteil der Falsch-Positiven genau ist. Die Sporttestungen liefern nur einen groben Anhaltspunkt dafür, dass man im Falle des Falles lieber nachtesten sollte, um Genaueres zu wissen.
Daher verwundert es nicht, wenn der Chef des Radsportteams Bora hansgrohe, Ralph Denk, in dieser Zeitung von einer „Lotterie“ im Umgang mit den PCR-Tests spricht. Ob nun ein positives, negatives oder später dann ein falsch-positives Ergebnis herausspringt, das liegt für ihn durchaus nachvollziehbar im Bereich eines Losverfahrens – und allein steht er mit dieser Meinung in der von coronabedingten Absagen gebeutelten Leistungssportszene gewiss nicht da.
„Ich habe Angst davor, dass auf der Basis von nicht 100-prozentig sicheren Tests so gravierende Entscheidungen wie der Ausschluss eines Fahrers oder gar eines ganzen Rennstalls getroffen werden“, sagt er – und fordert, dass die Gesundheitsbehörden der Veranstaltungsorte auch Nachtests akzeptieren und nicht gleich mit dem Ausschluss eines positiv getesteten Fahrers oder Betreuers reagieren.
Ralph Denk, der permanent an das wirtschaftliche Überleben seines Millionenunternehmens in schwierigen Coronazeiten denken muss, fordert nichts anderes als einen zeitlichen Puffer, damit die richtige Entscheidung getroffen wird. Manchmal reichen ja schon 48 Stunden und aus positiv wird wie von Geisterhand negativ – was dann gewissermaßen wieder positiv ist, weil es ja falsch-positiv war.
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