Diskussion um Biospritherstellung: „Das ist der falsche Ansatz“

Dass die EU weniger Biosprit einsetzen will, hält Zertifizierer Norbert Schmitz für fragwürdig. Er will die Klimabilanz schon beim Anbau verbessern.

Kraft aus der Rübe: Die EU will weniger Bioethanol verwenden. Bild: dpa

taz: Herr Schmitz, die EU-Kommission will weniger Biosprit. Was halten Sie davon?

Norbert Schmitz: Die Kommission setzt ein oberes Limit für den Einsatz von Biokraftstoffen, die aus Weizen, Mais, Raps oder Zuckerrüben produziert werden. Ein Anteil von fünf Prozent für 2020 wäre weniger als wir heute in Deutschland einsetzen. Hier müssen Mineralölgesellschaften schon eine Quote von 6,25 Prozent erfüllen. Das wäre also eindeutig ein Rückschritt.

Was steckt Ihrer Meinung nach hinter dem Vorschlag der EU-Kommission?

Die Kommission will die Tank-oder-Teller-Debatte entschärfen. Allerdings ist es fraglich, dass ihr das so tatsächlich gelingt.

Die Kommission will nicht nur weniger Sprit. Sie will auch strengere Regeln, was die Nachhaltigkeit von Biokraftstoffen betrifft. Was halten Sie von diesem Vorschlag?

Offensichtlich will EU-Kommissar Günther Oettinger die sogenannten indirekten Landnutzungsänderungen bei der Berechnung von Treibhausgasemissionen für Biokraftstoffe einbeziehen. Ein Beispiel dafür: Produzenten von Nahrungsmitteln weichen auf bisher ungenutzte Flächen aus, weil auf ihrem Ackerland nun Pflanzen für Biosprit angebaut werden. Diese Auswirkungen zu berechnen und zu überprüfen, ist aber sehr schwierig. Ich glaube, das ist der falsche Ansatz.

ist Geschäftsführer von International Sustainability and Carbon Certification (ISCC), des weltweit ersten staatlich anerkannten Zertifizierungssystems für Nachhaltigkeit und Treibhausgasemissionen zum Beispiel für Produzenten von Biokraftstoffen.

Wie würde der richtige aussehen?

Wir bei ISCC überprüfen bei den Unternehmen, die wir zertifizieren, die gesetzlich vorgeschriebenen Faktoren, gehen aber darüber hinaus. Landwirte müssen zum Beispiel nachweisen, dass sie verantwortlich mit Pflanzenschutzmitteln umgehen, dass sie diese richtig lagern und ihre Mitarbeiter schulen. Dazu kommen soziale Kriterien wie ein Verbot von Kinderarbeit. Solche Regeln sollten auch gesetzlich festgeschrieben werden.

Die Länder der Europäischen Union sind bisher die einzigen, die eine Zertifizierung fordern. Bringt das etwas, wenn man bedenkt, wie groß der Energiebedarf etwa in China ist?

Der europäische Markt hat immer noch eine große Relevanz im internationalen Agrarhandel. Rund 1.600 Unternehmen aus 70 Ländern nutzen bislang unser System. Natürlich beliefern diese Unternehmen nicht nur europäische Kunden, aber sie wollen sich möglichst viele Optionen offenhalten und deshalb ist die Zertifizierung wichtig für sie.

Tatsächlich gibt es eine solche Zertifizierung für Nachhaltigkeit bisher ausschließlich für Biomasse und Bioenergie. Könnte das ein Modell sein für andere Bereiche?

Es wäre wichtig, die Anforderungen zu übertragen etwa auf die Futtermittelindustrie. Zum Vergleich: Der Bedarf an Sojabohnen in China wird nach Einschätzung von Händlern bis 2020 auf rund 90 bis 100 Millionen Tonnen steigen. Das sind gigantische Zahlen, wenn man bedenkt, dass der gesamte Biodieselabsatz in Deutschland im vergangenen Jahr bei gerade einmal 2,4 Millionen Tonnen lag.

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