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Diskussion um 11. PflichtschuljahrFlexen für mehr Bildung

Uta Schleiermacher
Kommentar von Uta Schleiermacher

Jugendlichen, die nach der 10. Klasse ohne Abschluss abgehen, will Berlin neue Angebote machen. Sie sollten aber schon viel früher aufgefangen werden.

Raus aus dem Klassenzimmer, rein in die Betriebe? Bislang ist unklar, wie das 11. Pflichtschuljahr aussehen soll Foto: Felix Kästle/dpa

P ro Jahr verlassen rund 3.000 Schü­le­r*in­nen in Berlin die 10. Klasse, ohne zu wissen, was sie danach machen werden. Die Verwaltung wiederum weiß nicht, was aus diesen Schul­ab­gän­ge­r*in­nen auf lange Sicht wird – einem einfachen Übergang in gut bezahlte Berufe oder in eine gute weitere Ausbildung ist solch ein Ende der Schulzeit aber vermutlich nicht dienlich.

Diesen Schü­le­r*in­nen will nun Bildungssenatorin Katharina Günther-Wünsch (CDU) zukünftig ein besseres Angebot machen. Sie will alle diejenigen auffangen, die mit Ende der allgemeinen Schulpflicht weder in eine weiterführende Schule noch in eine Ausbildung wechseln. Denn das sei eine Gruppe, die die Bildungsverwaltung bisher „komplett vom Schirm verloren“ hätte. Ein bitteres Eingeständnis, immerhin sind das im Schnitt 10 Prozent eines Jahrgangs, bei jährlich rund 30.000 Ab­sol­ven­t*in­nen der 10. Klasse.

Grundsätzlich finden auch Po­li­ti­ke­r*in­nen anderer Parteien, Verbände und die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) diesen Vorstoß unterstützenswert. Doch was ein gutes Angebot für diese Schü­le­r*in­nen­grup­pe sein könnte, darüber gehen die Ideen stark auseinander.

Das fängt schon beim Namen an: Die Bildungssenatorin redet bisher von einem „11. Pflichtschuljahr“ – den Grünen klingt das zu abschreckend, sie würden es lieber „Perspektivenjahr“ nennen. Am nächsten an die Zielgruppe – und deren Sprachgebrauch – kommt sicherlich die GEW, die am Donnerstag im Bildungsausschuss des Abgeordnetenhauses ein „Flex-Jahr“ ins Gespräch brachte. Die GEW ist auch die Stimme, die deutlich einfordert, dass so ein Jahr nicht allein einer Vorbereitung auf eine Ausbildung dienen, sondern den Jugendlichen wirklich eine Perspektive eröffnen sollte.

So wenig Schule wie möglich

Wichtig finden die meisten, dass das, was nach der 10. Klasse kommt (also nach der allgemeinen Schulpflicht), so wenig nach Schule aussieht wie möglich. Ein Vertreter der Industrie- und Handelskammer etwa pocht auf eine starke Praxisorientierung. „Es darf sich nicht anfühlen wie Schule, und daher sollte es zu Beginn eines solchen Jahres erst gar nicht in ein Schulgebäude gehen“, fordert er.

Denn wie so ein 11. Pflichtschul-, Flex- oder Perspektivenjahr ausgestaltet werden soll, und wie es sich von bestehenden Angeboten unterscheidet, ist bislang unklar. Genauso ist offen, wo es etwa Überschneidungen zu den bereits bestehenden, vielfältigen berufsorientierenden Angeboten geben wird.

Generell ist es erstmal gut, dass diese Gruppe der Schul­ab­gän­ge­r*in­nen in den Blick kommt. Doch die Debatte sollte sich nun nicht nur auf das 10. und ein mögliches 11. Jahr konzentrieren. Denn die Frage ist ja auch, was im Schulsystem falsch läuft, dass so viele Schü­le­r*in­nen letztlich durchs Raster fallen.

Wenn Schü­le­r*in­nen eine sogenannte Schuldistanz entwickeln, liegt das weniger an den jungen Menschen selbst, sondern daran, dass Schule, wie sie noch immer vielerorts umgesetzt wird, vor allem diejenigen erreicht, die sich in das System einpassen.

Abschied von der Fixierung auf Kernfächer

Gerade diejenigen, die an dem System scheitern, sollten allerdings bereits viel früher Angebote bekommen, über die sie in erfolgreiche Bildungswege finden können – ohne dass das übrigens zwingend eine duale Ausbildung sein muss. Dazu braucht es zuverlässige Beziehungen: zu Lehrer*innen, zu Mit­ar­bei­te­r*in­nen bei den Jugendberufsagenturen, zu So­zi­al­ar­bei­te­r*in­nen, zu Berufsberater*innen. Es müsste dazu Raum geben für wiederholte Treffen mit all diesen Beteiligten.

Schulen müssten sich zudem von ihrer Fixierung auf Mathe, Deutsch und Englisch verabschieden und mehr als bisher Wissen über und Einblicke in vielfältige Berufsfelder vermitteln. Denn ja, ein gutes Abschneiden in den sogenannten Kernfächern macht vieles leichter und hilft beim Bildungserfolg.

Aber im Bildungssystem müssen sich auch Schü­le­r*in­nen aufgehoben fühlen und Erfolgserlebnisse haben, deren Stärken in anderen Bereichen liegen. Wer die 3.000 Schü­le­r*in­nen nicht „verlieren“ will, sollte sie schon weit vor einer 11. Klasse im Blick haben und fragen, was sie brauchen, um gut voranzukommen.

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Uta Schleiermacher
Redakteurin für Bildung und Feminismus in der taz-Berlin-Redaktion
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3 Kommentare

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  • Flexen für mehr Bildung!



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    Na ja, wenigstens den Umgang mit ner Flex zu lernen, hat was.



    Aber auch die Akku-Flex mit ins Programm einbeziehen, denn nicht immer gibt es ne Steckdose in Reichweite, wenn eine FLEX dringend gebraucht wird! :-))

  • Den Einwand der Autorin konnte ich nicht nachvollziehen.

    Es geht nicht um Schüler mit Schuldistanz.

    Auch nicht um Schüler ohne Abschluss.

    Die rund 3.000 Schüler machen nach der Schule nichts mehr.

    Die haben sozusagen den Anschlusszug verpasst.

    Ich habe mehrere davon in der Familie.

    Teilweise war die Oberschule für sie eine schöne Zeit.

    Die letzten beiden Absätze klingen wie ein Plädoyer für die Wiedereinführung von Haupt- und Realschüler.

    In der Sekundarschule brauchen manche gute Leistungen in den Kernfächern, weil sie noch ein Abitur machen wollen.

    Jene in meiner Familie haben überwiegend eine Hauptschule besucht. Dort spielten in der 10. Klasse die Kernfächer keine große Rolle mehr.

    Team und Persönlichkeitsentwicklung waren der Schule wohl ein Anliegen.

    Alle hatten übrigens ein gutes Vertrauensverhältnis zu ihren engagierten Klassenlehrerinnen.

  • Sind die Jugendlichen denn noch im schulpflichtigen Alter? Ein oder zweimal sitzengeblieben, und es ist essig mit dem 11. Pflichtjahr, da eine Volljährigkeit besteht.