Diskussion über öffentlich-rechtlichen Rundfunk: Die Gremien der Zukunft
Rundfunkräte könnten bald mehr Aufgaben bekommen. Beim Dok Leipzig fordert Sachsens Medienstaatsminister einen Sinneswandel.
Medienpolitik hat aktuell Konjunktur. Nicht zuletzt wegen der jüngsten Skandale bei RBB und NDR. Auch in Leipzig beim alljährlichen Panel der AG dok, Deutschlands wichtigstem Verband unabhängiger Dokumentarfilmer*innen, ging es um die Krise des öffentlich-rechtlichen Rundfunks und die Reform seiner Gremien. Welche Position dabei die CDU vertritt, war bislang eher unscharf geblieben. Aus Sachsen-Anhalts CDU-geführter Koalition kommen zwar immer wieder sektiererische Maximalforderungen, doch die sind in der Union nicht Konsens.
Beim AG dok-Panel im Rahmen des Leipziger Dokumentarfilmfestival positionierte sich jetzt Sachsens Medienstaatsminister Oliver Schenk (CDU), der auch stellvertretender Vorsitzender der Rundfunkkommission der Länder ist. Ihm geht es vor allem um die Gremien, die die gesellschaftliche Vielfalt widerspiegeln sollen, weshalb ihre Mitglieder von gesellschaftlichen Organisationen wie Parteien, Gewerkschaften, Verbänden, Kirchen und Vereinen entsandt werden.
Schenk forderte hier nicht weniger als einen Sinneswandel und nahm die Entsende-Organisationen direkt in die Pflicht. „Die Rundfunkräte müssen mit Menschen besetzt sein, die sich da richtig einarbeiten“, forderte Schenk. Es müssten Leute sein, „denen man das auch zutraut. Bislang wird da zu oft gesagt, da haben wir noch einen schönen Posten für dich.“
Die Gremienverter*innen bräuchten hier mehr Selbstbewusstsein – und ein besseres Standing. „Wir brauchen eine andere Kultur zwischen Intendanzen und den Rundfunkräten“, so Schenk. Diese müssten sich „auf Augenhöhe“ begegnen. Dazu „brauchen die Gremien aber Qualifizierung und Personal, das ihnen zur Seite steht“.
Distanz und Initiative
Für die grüne Medienpolitikerin Tabea Rößner geht es darum, „Gremien von den Intendanzen unabhängig zu machen“, sonst sei die Nähe zu groß. „Rundfunkräte sind wie Aufsichtsräte, da ist kritische Distanz wichtig.“
Bislang, machte WDR-Rundfunkrätin Petra Schmitz klar, verstünden sich viele Gremien „eher als Komanager der Anstalten denn als Kontrolleure“. Doch das sei „ein falsches Grundverständnis“, so Schmitz: „Es gibt viele Sachen, die können Rundfunkrät*innen eigentlich schon heute machen, sie tun es aber nicht. So sei es im WDR-Rundfunkrat „mühselig“ gewesen, eine Stellungnahme durchsetzen, die WDR-Intendant Tom Buhrow kritisierte. „Da herrscht die Haltung vor, dass man im Haus Einmütigkeit präsentiert.“ Außerdem gebe es zu wenig Austausch zwischen den Gremienmitglieder und Mitarbeitenden. „Gremienvorsitz und Hausleitung vermitteln eher, dass Rundfunkrät*innen nicht eigeninitiativ im Haus tätig werden sollen.“
Gogo Gensch, bis 2019 beim SWR als Redakteur in leitender Position unterwegs, brachte das trocken auf den Punkt: Er habe in seiner ganzen Laufbahn genau einmal Kontakt zum Rundfunkrat seiner Anstalt gehabt, als es um ein neues Koproduktionsmodell ging. „Es sind in meiner Zeit nie Redakteure auf den Rundfunkrat oder umgekehrt Rundfunkratsmitglieder auf die Redaktionen zugegangen.“
Für die AG dok liegt hier der Kern des Problems. Um die Gremien der öffentlich-rechtlichen Medien zu reformieren und zukunftsfähig zu machen, fordert sie, dass Branche und Publikum stärker in den Gremien vertreten sein müssten. „Nur durch das Knowhow der Branche und eine Einbeziehung der Nutzer*innen lassen sich die bestehenden Defizite langfristig kompensieren“, sagte Alice Agneskircher vom AG dok-Vorstand.
Zumal in Zukunft noch deutlich weitreichendere Aufgaben auf die Gremien zukommen. Diese Woche wollen Ministerpräsident*innen den neuen Medienstaatsvertrag unterzeichnen, laut dem die Rundfunkräte dann ab 2023 auch für Programmleitlinien und Qualitätsmanagement zuständig sind.
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