Diskussion über Asylpolitik: Schöne Worte für Flüchtlinge
Das Abgeordnetenhaus debattiert über Flüchtlingspolitik. Die Opposition wirft dem Senat Wortbruch vor, die CDU lobt sich als vorbildlich. Aufnahmestopp bleibt vorerst.
Für den Senat wäre eigentlich alles in Ordnung – wenn nur die Rechtsradikalen nicht wären. Für die Opposition wäre eigentlich alles ganz einfach – wenn nur der Senat nicht so uneins und wortbrüchig wäre. So in etwa verliefen die Argumentationslinien zur Flüchtlingspolitik am Donnerstag im Abgeordnetenhaus.
Dabei waren sich zunächst alle ganz einig: Einstimmig nahmen die Abgeordneten einen parteiübergreifenden dringlichen Antrag an, der Flüchtlinge in Berlin willkommen heißt und gegen Fremdenhass Stellung bezieht. „Mit Sorge sehen wir die Zunahme rechtsextremistisch gesteuerter Demonstrationen gegen Flüchtlinge“, heißt es mit Bezug auf die fast schon regelmäßigen Protestaktionen gegen Flüchtlinge nahe den Standorten der künftigen Containerdörfer in Buch und Hellersdorf.
Wenn man die Entschließung ernst nähme, sagte später in der Debatte der Abgeordnete der Linkspartei, Hakan Tas, müsse sich allerdings „in der Flüchtlingspolitik einiges ändern“. Wie könne man vom „Recht auf menschenwürdige Unterbringung“ reden, die Menschen aber gleichzeitig in Containern am Stadtrand unterbringen wollen – fern jeder Integrationsmöglichkeit? Zudem verspreche die Resolution zwar, den Anwohnern von Flüchtlingsheimen mit Respekt und Akzeptanz zu begegnen – gleichzeitig aber seien die Containerdörfer ohne Absprache mit Bezirken und Anwohnerinitiativen vor Ort geplant worden.
Berlin muss derzeit keine Flüchtlinge aus anderen Bundesländern aufnehmen. Wegen Masern- und Windpockenfällen in einigen Erstaufnahmeheimen habe das Gesundheitsamt einen Aufnahmestopp verhängt, sagte Sozialsenator Mario Czaja (CDU) am Donnerstag im Abgeordnetenhaus. Vorwürfe der Opposition, in Folge dessen würden derzeit in Berlin neu ankommende Flüchtlinge nicht untergebracht, sondern in die Obdachlosigkeit entlassen, wies Czaja zurück. Die Betreffenden bekämen Hostelgutscheine oder würden von anderen Bundesländern aufgenommen, sagt er. Die Opposition beharrte dagegen auf ihrer Sicht, auch eine Mitarbeiterin des zuständigen Landesamts hatte am Mittwoch im Hauptausschuss gesagt, ihre Mitarbeiter könnten die Flüchtlinge derzeit nicht unterbringen. Das gleiche sagte am Freitag der Flüchtlingsrat, auch ein Betroffener sowie eine Mitarbeiterin des Lageso bestätigten dies der taz. (SUM)
Die Oppositionsparteien nutzten die Debatte zu einer Generalabrechnung mit der rot-schwarzen Flüchtlingspolitik. Fabio Reinhardt, flüchtlingspolitischer Sprecher der Piraten-Fraktion, kritisierte, es gebe weiterhin kein Gesamtkonzept zur Flüchtlingsunterbringung, Berlin sei damit offenkundig überfordert. Eine Folge: „Bei vielen sind die Antragsfristen so lang, dass etwa Traumata nicht behandelt werden können.“ Das führe nicht nur zu einer gesundheitlichen Verschlechterung, sondern auch zu höheren Kosten. Mit Bezug auf die Oranienplatz-Flüchtlinge forderte Reinhardt eine Wiederaufnahme der Gespräche. Sogar in Gerichtsurteilen sei festgestellt worden, dass Berlin für die Flüchtlinge zuständig sei. Trotzdem seien fast alle abgelehnt worden, viele obdachlos.
Ülker Radziwill von der SPD zeigte sich des ungeachtet zuversichtlich, dass der Senat seinen Teil des Abkommens mit den Flüchtlingen umsetzen werde – wobei sie nicht erklärte, welcher Teil des Abkommens künftig noch umgesetzt werden könnte. Auch Burkhard Dregger, Abgeordneter der CDU, sang ein Loblied auf die Flüchtlingspolitik Berlins und berief sich dabei auf den UN-Hochkommissar für Flüchtlinge, António Guterres. Der habe gesagt, Deutschland – und Berlin – brächten Flüchtlinge „menschenwürdig“ unter. „Nur am Oranienplatz waren Flüchtlinge menschenunwürdig untergebracht“, befand Dregger. Was die Behauptung angehe, der Senat habe das Abkommen mit den Flüchtlinge nicht eingehalten, sagte er: Nach seiner Information seien 222 Oranienplatz-Flüchtlinge ihrer Einladung zur Ausländerbehörde nicht gefolgt. Dabei sei dies ein vorbildliches rechtsstaatliches Verfahren gewesen.
Der Grünen-Abgeordneten Canan Bayram platzte daraufhin der Kragen: „Die 222 Menschen wurden eben nicht menschenwürdig behandelt!“, erwiderte sie. Man habe sie aus dem Verfahren und der Unterkunft rausgeworfen, „ohne jeden Bescheid“, weil sie nicht erschienen seien zu ihren Terminen – „ob entschuldigt oder nicht“. Um das gesamte Thema Flüchtlingsunterbringung voranzubringen, forderte Bayram einen flüchtlingspolitischen Gipfel. In Richtung des künftigen Regierenden Bürgermeisters Michael Müller (SPD) sagte sie: „Nehmen Sie mal das Thema in den Blick, sobald Sie in der Verantwortung stehen!“