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Diskriminierung von Hoffenheims HoppDie Folgen der Hassfolklore

Der DFB hat sich schicke Antidiskrimierungsregeln gegeben. Ausgerechnet gegen Hoffenheim-Eigner Hopp kommen sie erstmals zum Einsatz.

Anstößige Tapete: Bayernfans beim Spiel gegen die TSG Hoffenheim Foto: MIS/imago

Es herrscht Aufregung in Fußballland. Von der Schande von Hoffenheim ist die Rede. Bundesliga-Spiele sind unterbrochen worden. Es tobt eine Debatte um Diskriminierung im Fußball. Von Durchgreifen ist die Rede. Fans stehen in der Kritik. Von ihrer Bestrafung ist die Rede, von einem Tabubruch. In der Woche zuvor schon war ein Spiel unterbrochen worden, weil der Schiedsrichter Verhalten der Fans von Borussia Mönchengladbach für nicht hinnehmbar hielt.

Die hatten Dietmar Hopp, den Eigentümer der TSG Hoffenheim im Fadenkreuz gezeigt. Zudem hatten sie ihn als „Hurensohn“ beschimpft. Eine Woche lang tobte eine Debatte über Hate­speech aus den Kurven und Diskriminierung. An diesem Spieltag nun erfuhr sie einen neuen Höhepunkt, als Fans des FC Bayern Dietmar Hopp wieder als „Hurensohn“ bezeichnet haben. Was ist da eigentlich los in der Liga?

Es war Karl-Heinz Rummenigge, der die Vorgänge wahrscheinlich eher unfreiwillig in einen Kontext stellte, ohne den die Geschichte der Milliärdarsbeleidigungen nicht nachzuvollziehen ist. Man habe gewusst, dass die Fans etwas planten, sagte der Boss des FC Bayern München nach dem 6:0 seiner Mannschaft und nach zehn Spielminuten, in dem die beiden Teams sich den Ball hin und herschoben, um so gemeinsam ihr Missfallen am Verhalten der Bayernfans zum Ausdruck zu bringen.

Geplant gewesen sei eine Solidaritätsaktion zugunsten der aktiven Fansszene von Borussia Dortmund. Der Klub war wegen anhaltender Schmähkritik der Fans an Dietmar Hopp von der Sportgerichtsbarkeit des DFB dazu verdonnert worden, in den kommenden zwei Jahren ohne Anhänger zu Auswärtsspielen nach Sinsheim zu fahren. Eigentlich hatte der DFB den Kurven und Klubs zugesichert, keine Kollektivstrafen für die Vergehen einzelner mehr auszusprechen. Und nun das.

Kraichgauer Ausftiegsmythos

Als Reaktion darauf packten die Gladbacher Fans vor einer Woche ihren eigentlich schon gut abgelagerten Hass auf das Hoffenheimer Modell aus und reaktivierten ihre schon beinahe verstummten „Hurensohn“-Gesänge in Richtung Dietmar Hopp. Die gehörten jahrelang zur Soundcloud in jedem Bundesligastadion, in dem die TSG Hoffenheim aufgelaufen ist.

Der Dorfklub aus dem Kraichgau, der mit den üppigen Mitteln des Milliardärs Dietmar Hopp in die Bundesliga gehievt wurde, galt lange als Inbegriff des Bösen für die Fußballtradi­tionalisten der alteingesessenen Vereine. Dass der DFB unter anderem für Hopp seine Regeln geändert hat, nach denen Investoren nur 49 Prozent der Stimmanteile an einem Klub besitzen dürfen, hat die Kritik am Oli­garchenmodell Hoffenheim nur noch lauter werden lassen.

Nach dem Aufstieg von RB Leipzig, der nur unter der vom DFB geduldeten Umgehung bestehender Schutzregeln gegen allzu großen Einfluss von Investoren möglich war, verschob sich der Hass der Fanszenen gen Osten. Dort war ein Spitzenklub entstanden, in dem zwar im Sinne des Fußballs sinnvoll gearbeitet wird, der aber eben nichts anderes ist als ein Marketinginstrument für Limo. Dass Leipzig sich eine Lizenz besorgt hat und anders als Hoffenheim nicht von den untersten Ligen nach ganz ober geklettert war, machte den Klub in den Augen der traditionsverliebten Ultra-Szenen umso verachtenswerter. Leipzig löste Hoffenheim als Hassobjekt ab.

Anhaltender Anti-Hoppismus

Gegen Hopp ziehen auch verfeindete Fangruppen an einem Strang

Doch in Dortmund wurde die Anti-Hopp-Folklore weiter mit allem Engagement betrieben. Der Multi-Milliardär fing an, sich mit juristischen Mitteln ­gegen die Beleidigungen von der Tribüne zur Wehr zu setzen. Es kam zu Verurteilungen gegen Dortmunder Fans, denen mittels Aufnahmen von Überwachungskameras und Richt­mikrofonen nachgewiesen werden konnte, dass sie „Dietmar Hopp, du bist ein Hurensohn“ gerufen haben.

Was die Fans über den Prozess vor dem Amtsgericht berichten, dass zum Beispiel nicht einmal versucht wurde zu prüfen, ob Hopps Strafantrag rechtzeitig gestellt worden ist, hat gewiss nicht dazu beigetragen, den Glauben an das Funktionieren des Rechtsstaats in Hopps Heimatregion zu stärken.

Unvergessen bei Dortmunder Fans sind auch die Nebengeräusche, die während der Partie des BVB bei Hoffenheim im Jahre 2011 nicht zu überhören waren. Aus einer im Gästebereich unter dem Stadiondach angebrachten Apparatur erklang immer dann ein schrillen Pfeifton, wenn Dortmunder Fans zu ihren Gesängen angesetzt haben. Der Erklärung der TSG Hoffenheim, nach der ein Mitarbeiter „eine entsprechende Apparatur eigenmächtig zum Einsatz gebracht“, als „Gegenmittel“ gegen die Anti-Hopp-Gesänge, wollten viele Fans nicht glauben. Es ist jedenfalls kein Wunder, dass in Dortmund der Anti-Hoppismus besonders ausgeprägt ist.

Solidarische Fanszenen

Er hat letztlich zur Verhängung jener Kollektivstrafe durch den DFB geführt, gegen die sich die unterschiedlichsten Fanszenen nun solidarisiert haben. Wenn es gegen den „modernen Fußball“ und den DFB geht, ziehen Fangruppierungen, die sich sonst spinnefeind sind, auch mal an einem Strang. Und so grassiert der Antihoppismus bei Bayern in der Kurve ebenso wie bei Köln oder Mönchengladbach.

Dass lang eingeübte Rituale wie die Anti-Hopp-Manifestationen mit einem Mal so große Aufmerksamkeit erlangen, hat mit einer neuen Richtlinie zu tun, die der DFB seinen Schiedsrichtern auf den Weg gegeben hat, zu tun. Sie sollen den Drei-Stufen-Plan umsetzen, mit der Schiedsrichter auf das Fehlverhalten von Fans reagieren können.

Die erste Stufe sieht folgende Maßnahme vor: „Wenn der Schiedsrichter rassistische oder andere diskriminierende Beleidigungen wahrnimmt, soll er das Spiel unterbrechen und eine entsprechende Sta­dion­durchsage verlangen.“ In der zweiten Stufe soll das Spiel unterbrochen werden, so wie es in Hoffenheim gehandhabt wurde. Die dritte Stufe sieht bei anhaltendem Fehlverhalten der Fans den Spielabbruch vor.

2009 hatte die Uefa einen solchen Drei-Stufen-Plan in ihr Reglement aufgenommen und so auf den um sich greifenden Rassismus in vielen Stadien Europas reagiert. Zehn Jahre später übernahm die Fifa die Regelung in ihren Disziplinarkodex. Gehandelt werden soll demnach, wenn die Schiedsrichter „verachtende, diskriminierende oder abwertende Worte oder Taten (egal auf welche Weise) auf der Grundlage von Rasse, Hautfarbe, ethnischer, nationaler oder sozialer Herkunft, Geschlecht, Behinderung, sexueller Orientierung, Sprache, Religion, politischer Ansichten, Einkommen, Geburt oder eines anderen Status oder Grundes“ wahrnehmen.

Beleidigung und Diskriminierung

Im Bereich des DFB wird diese Antidiskriminierungsregel nun das erste mal konsequent umgesetzt. Um Rassismus geht es dabei nicht. Der DFB misst den beleidigenden Äußerungen gegenüber Dietmar Hopp einen diskriminierenden Charakter zu. Verbandspräsident Fritz Keller meinte nach den Spielunterbrechungen vom Samstag im ZDF, dass die Schiedsrichter auch weiterhin gegen Hopp-Schmähungen vorgehen sollen. „Wir haben Hassbilder und Neid in der gesamten Gesellschaft, das spiegelt sich im gesamten Fußball wieder. Jetzt muss durchgegriffen werden“, sagte er. Und: „Vereine müssen darüber nachdenken, welchen Fans sie die Tickets pauschal geben.“

Der FC Bayern München soll in dieser Hinsicht bereits zur Keule gegriffen haben und möchte die Ultra-Gruppierung „Schickeria“ nicht mehr ins Stadion lassen. Die ist bekannt für ihren antifaschistischen Ansatz. Das Gedenken an den von den Nazis vertriebenen jüdischen Klubchef Kurt Landauer, das der FC Bayern so gerne pflegt, würde es ohne die Erinnerungsarbeit der „Schickeria“ wohl so nicht geben. Am Ende könnte also die Anwendung eines Antirasismusparagrafen durch den DFB zum Stadionverbot für Antirassisten führen.

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10 Kommentare

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  • Jetzt dürfte Frau Künast aus dem Staunen eigentlich nicht mehr raus kommen!

  • Eigentlich ist doch der Vater des Hurensohns derjenige, dem die Verachtung zusteht. Der meint, weil er für den Sex bezahlt hätte, bräuchte er sich um den möglicherweise entstandenen Nachwuchs nicht zu kümmern. So müssten die Fans doch eigentlich "Hurenbock" singen - aber da fühlen sie sich dann vermutlich alle selbst angesprochen

  • Zum Artikel:



    Nur weil Schmähgesänge seit Jahren "zur Soundcloud gehören" ist das noch lange nicht ok.



    Schmähungen gegen Hopp und das "Fadenkreuz-Transparent" gibt es seit über zehn Jahren trotz Strafandrohungen seitens des DFB ist bisher nicht allzuviel passiert. Es wurde seitens des DFB eine "Bewährungsauflage" verhängt, die bei Zuwiderhandlung die Wiedereinführung von Kollektivstrafen einschloß.



    Das ist nun passiert. Da muss man sich dann nicht als beleidigte Leberwurst und Unschuld vom Land generieren.



    Es gab meiner Erinnerung nach Sonderregelungen für Leverkusen etc, deren Mannschaften aus Betriebssportvereinen entstanden (20 Jahre Unterstützung etc).



    Hoffenheim umgeht die 50+1-Regel anscheinend durch eine Betreibergesellschaft, welche zum Großteil DH gehört, bzw von ihm finanziert wird. Also meiner Information nach, keine Sonderregelung des DFB, aber da lasse ich mich auch eines Besseren belehren.



    Desgleichen bei der antifaschistischen "Schickeria".



    Meiner Erinnerung nach hat diese ihre antifaschistische Gesinnung erst entdeckt und ausgelebt, nachdem sie vor (geschätzten) 10 Jahren diesen heftigen Streit mit Uli Hoeness hatte und fast Stadionverbot bekommen hätte.

    Meine Meinung:



    Ich denke, dass momentan die gesellschaftliche Stimmung gegen Verunglimpfungen jeglicher Art sensibilisiert ist und es auch bei offensichtlichen rassistischen oder homophoben Plakaten zu einer Reaktion gekommen wäre.

    Macht sich eigentlich irgendein Transparentmaler oder -hochhalter Gedanken wegen der einhellig ablehnenden Haltung sämtlicher Funktionäre, Trainer, Spieler etc. Kommt da niemand auf denGedanken seine Handlungen mal zu hinterfragen?

    Und zum Thema Kollektivstrafen und Zivilcourage: Mich erinnert manche Kurve an eine unsägliche Vereinigung, die auch immer ihre Höckes relativiert und als Einzeltäter verharmlost. Fadenkreuz ist ein Mordaufruf.

  • Verstanden wird nur, was den Umsatz und Gewinn gefährdet.



    Deshalb: Abos von Sky&Co kündigen, bis auf Weiteres leere Fankurven, keine Choreo, keine Atmosphäre in den Stadien. Statt dessen zum Anstoßzeitpunkt, friedlich, mit den Transparenten durch die Städte spazieren und ein paar Faltblätter verteilen - mit der Kritik an dem Verkauf des "Volkssport" Fußball an private Investoren. Anderes ist das Fananliegen kaum gegen die Medienmacht in der Öffentlichkeit zu vermitteln.

    Also: mal für ein paar Wochen die VIP Logen für Atmosphäre sorgen lassen. Halbleere und nicht ausverkaufte Stadien mögen die Sponsoren und Investoren nicht.

    PS: Köpfe hinter Fadenkreuzen sollten aber ein No go sein und bleiben.

  • Danke für den Artikel. Man muss sich wirklich nicht mit den persönlichen Angriffen gegen Hopp solidarisieren, gerade die Fadenkreuz-Transparente von Dortmund und Mönchengladbach sind definitiv drüber.

    Aber der mediale Furor wegen dieser Plakate, der sich null mit dem Hintergrund beschäftigt, sich pauschal gegen alle Ultras richtet, der -zugegebener Maßen geschmacklose- Hurensohn-Plakate mit rassisistischen Ausfällen gleichsetzt und gar in einem Zusammenhang mit den Terror-Toten von Hanau stellt ist pure Heuchelei und teilweise von ähnlichem Hass erfüllt.

    Es ist keine 2 Wochen her, da wird Torunarigha auf Schalke mit Affenlauten bedacht. Als er seine darüber Wut zeigt, bekommt er vom Schiri Gelb. Keine Spielunterbrechung, kein Fanausschluss, keine Grundsatzdebatte über Kultur in Stadien.

    Aber wenn Milliardär Hopp beschimpft wird, werden Fans für 3 Jahre ausgeschlossen, spricht man plötzlich von "Idioten die den Sport zerstören wollen" (Sky), vom "Tiefpunkt des Fußballs" und "Ins Gefängnis stecken" (Sport1), von der "häßlichen Fratze der Gewalt" (BILD).

    An dieser Konsequenz, hinsichttlich Beleidigungen in Fußballstadien, müssen sich jetzt Vereine, Verbände und Öffentlichkeit messen lassen.

    • @Deep South:

      Bloß weil Dietmar Hopp Milliadär ist und irgendwelche Ultras einen angeblich antifaschistischen Ansatz haben, darf man also Woche für Woche andere Leute beleidigen, bedrohen und mit brennenden Bengalos gefährden. Diese Leute haben in Sportstadien nix verloren.

      • @Gerry:

        Ja, Gerry. Das ist das Ergebnis einer Koalition von linker Neidideologie und rechter Hate-Speech.

        • @Manfred MIlde-Büttcher:

          Aber sonst gehts dir noch ganz gut? Ich hab klar geschrieben, dass ich diese Beleidigungen ablehne.

          Es geht um Verhältnismäßigkeit und Heuchelei. Dort wo wesentlich schlimmere Ausfälle jahrzehntelang nur am Rande Erwähnung fanden, herrscht seit gestern die totale Betroffenheit. Man überschlägt sich förmlich mit Forderungen nach drakonischen Strafen.

          Im Gegensatz dazu liefert der Artikel hier Hintergründe. Ganz ohne Wertung, ohne Hysterie.

          • @Deep South:

            Evtl. wärs als sich antirassistisch gebende "Schickeria" cleverer, sich einen näher an der eigentlichen Kritik an Hopp zu verortenden Spitznamen einfallen zu lassen. Das mit dem Zielkreis sollte auch dem "Tatort"-Vorspann und Leuten wie wasweißich Putin oder Bolsonaro vorbehalten bleiben; unter denen sterben Menschen desöfteren eines nichtnatürlichen Todes...

        • @Manfred MIlde-Büttcher:

          Was soll denn eine linke Neidideologie sein? Davon habe ich noch nie gehört. - Es mag Leute geben, die aus Neid eine Idee machen, die sie dann in eine Ideenlehre packen, aber die sind dann doch eher unter waschechten Kapitalisten zu suchen, die den Hals nicht voll kriegen können.