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Diskriminierung auf dem ArbeitsmarktDas kleinere Übel

Jede fünfte Person mit Migrationsgeschichte hat in den letzten drei Jahren ein Unternehmen gegründet. Das als Erfolg abzufeiern, wäre zu einfach.

Der Arbeitsmarkt ist für Menschen, die von Rassismus und Armut betroffen sind, schwer zugänglich Foto: imago

D ie „Tagesschau“ veröffentlichte kürzlich den Beitrag „Immer mehr Gründer mit Migrationsgeschichte“ auf ihrer Seite. Demnach habe in den letzten drei Jahren etwa jede fünfte migrantische Person in Deutschland ihr eigenes Unternehmen gegründet. Die Gründungsquote sei damit mehr als doppelt so hoch wie bei Menschen ohne Einwanderungsgeschichte. Das sind Zahlen des Global Entrepreneurship Monitor (GEM), den die Leibniz Universität Hannover und das RKW Kompetenzzentrum veröffentlicht haben.

Ob der vielen Hindernisse wie bürokratischer Hürden sei das „beeindruckend hoch“, heißt es im „Tagesschau“-Beitrag. Gründe für die hohe Quote werden nicht genauer benannt. Warum also nehmen Menschen, die von Rassismus betroffen sind, öfter als die „einheimische Bevölkerung“, wie es in dem Bericht heißt, den Stress auf sich, um ihr eigener Chef zu sein, wenn sie nicht schon aus einer Familie von Grün­de­r*in­nen in Deutschland stammen? Laut der Förderbank KfW kann beispielsweise auch eine höhere Risikobereitschaft bei Mi­gran­t*in­nen eine Rolle spielen. Aber warum sind sie risikobereiter?

Die Entscheidung ist nicht immer freiwillig. Ich zum Beispiel habe mich entschieden, freiberuflich zu arbeiten, weil ich mich nicht mehr mit dem ausufernden Rassismus und Sexismus, den ich erfahren habe, auseinandersetzen wollte. Und das, obwohl meine Stelle gut bezahlt war. Ein bisschen Rassismus, ein bisschen Sexismus nimmt man wahrscheinlich in jedem Job hin. Aber manchmal wird es einfach zu viel.

Hinzu kommt, dass der Arbeitsmarkt für Menschen, die von Rassismus und Armut betroffen sind, nicht gerade zugänglich ist, wie Studien belegen. Selbst wenn formale Anforderungen für den Job erfüllt werden, fehlt oft der Habitus wohlhabender oder weiß-deutscher Menschen, sich qualifiziert genug zu fühlen, um im Bewerbungsprozess selbstsicher überzeugen zu können. Auch, wenn man seinen Wert kennt und nicht schüchtern ist. Das Wissen und die Erfahrung, wie man sich in bestimmten Arbeitskontexten verhält, fehlt und das Gegenüber aus der Arbeitswelt hat oft kein Verständnis dafür. Zusätzlich fehlen häufig Netzwerke und Vitamin B und möglicherweise Sprachkenntnisse.

Die Branche ist brutal

Jetzt erst mal habe ich mich für diese prekäre Lebensweise entschieden, ich muss keine Kinder versorgen, auch wenn ich meine Familie unterstütze, was bei anderen, die zum Beispiel erben, wegfällt. Keine Ahnung, wie lange ich das noch mache. Die Medienbranche ist, wie viele andere Dienstleistungsbranchen, brutal. Man wird unterbezahlt, es gibt kaum Festanstellungen und wenn, dann sind die Hürden, um reinzukommen, hoch. Oder man kann vom Einstiegsgehalt nur in einer Studi-WG leben. Wenn du dann auch noch eine Meinung hast, die über „Rassismus ist scheiße“ hinausgeht, eckst du zu sehr an.

Viele Kol­le­g*in­nen denken in Konkurrenzmustern und lassen dich ihre Ellenbogen spüren. Natürlich gibt es auch liebe Menschen in dem ganzen Gemenge und auch viele, die es trotz allem „geschafft“ haben. Doch in akademisierten Berufen sind für Rassifizierte und Armutsbetroffene die Strukturen weniger durchlässig als in der Pflege- und Reinigungsbranche, weil man dort eher deinen Platz sieht als in der Chefredaktion der „Tagesschau“.

Ganz schön deutsch, so viel Gemeckere, was? Es greift eben zu kurz, wenn es schlicht heißt, es sei „beeindruckend“, dass es so viele rassifizierte Selbstständige gibt. Als ob man beweisen will, dass jemand sich seinen Platz in der Gesellschaft wirklich verdient hat. Aber: Es ist beeindruckend, was man alles auf sich nimmt, um mit weniger Rassismus, Klassismus und Sexismus konfrontiert zu sein. Diese Aspekte müssen erwähnt werden, auch wenn sich natürlich nicht alle deswegen selbstständig machen.

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2 Kommentare

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  • Man könnte auch annehmen, dass Leute mit Migrationsgeschichte eher einen mittleren Schulabschluss erwerben, damit eine Ausbildung machen und dann ein Unternehmen gründen, weil das eben das ist, was man mit einem Meister im Handwerk anfangen kann. Als studierter Mensch hat man es vergleichsweise schwieriger, das zu tun, weil man für die Gründung mehr braucht (Ideen, Kapital, Beziehungen, etc).

  • Ja, ziemlich deutsch. Anstatt den Menschen ihren Erfolg zu gönnen und sie dafür zu feiern, sollen sie jetzt plötzlich gar keine Wahl gehabt haben. Als ob sie es lieber gehabt hätten, von Staat oder Gesellschaft automatisch eine wärmende Vollzeitstelle zu erhalten, bitte ohne zu viel Anstrengung und erst recht ohne Konflikte hinsichtlich der persönlichen Umstände. Schimmert da die Sehnsucht nach Vollzeitbetreuung in einer Welt durch, in der wir alle gleich sind? Aufwachen. In meinen Augen ist dieser Artikel ungerecht gegenüber den Unternehmern und ganz schön larmoyant. Ich lese den Beitrag der Tagesschau eher so, als ob immer noch viele Menschen ohne Einwanderungsgeschichte das Gefühl haben, die Gesellschaft oder der Staat sei ihnen eine Arbeitsstelle schuldig. Selber schuld. Gründerinnen und Gründer mit Migrationshintergrund scheinen eben tüchtiger. Glückwunsch.