Digitalisierung von Polizeivernehmung: Zeugenaussage via Zoom
Bei der Polizei in NRW werden Vernehmungen künftig online durchgeführt. Dadurch soll die Sachbearbeitung erleichtert werden.
Neben Betroffenen haben Zeug:innen, Dolmetscher:innen sowie Rechtsbeistände dann die Möglichkeit, ihre Aussage nicht wie bislang vor Ort, sondern über eine Videokonferenz zu führen. Ziel dieses Verfahrens ist es, die Ermittlungsarbeit zu beschleunigen und Menschen, die zur Vernehmung erscheinen sollen, zu entlasten. Ferner sollen dadurch Kosten und Zeit gespart werden, da Hürden wie Anreise oder die Bearbeitung durch unterschiedliche Dienststellen entfallen.
Die Sprecherin des Innenministeriums erklärte, das Verfahren laufe ähnlich ab wie bei Zoom, dem virtuellen Konferenzraum-System. „Wir nutzen das Videokonferenzsystem der Polizei, unser System fundiert also nicht auf Zoom. Aber es funktioniert ähnlich. Man bekommt einen Link zugeschickt, meldet sich darüber an und befindet sich erstmal in einem Warteraum. Wenn der vernehmende Beamte einen reinlässt, geht es weiter mit der Identifikation.“
Bislang war es für Zeug:innen und Geschädigte eine Pflicht, persönlich im Kriminalkommissariat zu erscheinen, um ihre Aussage aufzugeben. Wenn der Wohnort aber vom Tatort abwich, musste die Dienststelle am Wohnort die Vernehmung übernehmen. Bei Menschen, die im Ausland leben, wurde das Verfahren noch schwieriger. Mit der Digitalisierung soll die Sachbearbeitung und Verzögerung aufgrund mehrerer Ermittler:innen verkürzt werden.
Gesteigerte Bereitschaft durch die Home-Office-Option
„Wir sehen eher, dass dieses Verfahren mehr Chancen bietet. Mütter oder Väter müssen sich nicht um eine Betreuung kümmern, sondern können es von zu Hause aus machen. Dadurch steigt die Bereitschaft, an einer Vernehmung teilzunehmen“, so die Sprecherin.
Die digitale Vernehmung ist für die Befragten optional. Neben der schriftlichen Protokollierung kann die Vernehmung auch digital aufgezeichnet werden. Dabei werden Beweismittel ebenfalls durch Bildschirmübertragung eingeblendet. Am Ende wird das Protokoll verlesen, korrigiert und durch die betroffene Person bestätigt.
Ein Pilotprojekt dieser Art wird bereits seit Juli 2021 in Düsseldorf in echten Strafverfahren durchgeführt. Laut Innenministerium gab es durch die Option, die Vernehmung von zu Hause aus zu führen, eine gesteigerte Bereitschaft zur Teilnahme. Daher werde nun an einem landesweiten Umsetzungskonzept gearbeitet.
Die Option der digitalen Vernehmung ist Teil der Initiative „Pro K“, die vom NRW-Innenminister Herbert Reul ins Leben gerufen wurde. Damit soll die Kriminalpolizei moderner, attraktiver und zukunftsfähig aufgestellt werden: „Die Ergebnisse aus dem Polizeipräsidium Düsseldorf zeigen einmal mehr, dass die NRW-Polizei mit der Zeit geht und sich nicht nur für den Bürokratieabbau, sondern auch für das Berufs- und Familienleben einsetzt“, so Reul.
Endlich auch mal gute Nachrichten?
Von der Maßnahme betroffen sind Vernehmungen, bei denen es sich um leichte bis mittelschwere Kriminalität wie Körperverletzung oder Beleidigung handelt. Für schwere Verbrechen wie Mord oder Sexualdelikte findet die Vernehmung weiterhin vor Ort statt. Dies gilt auch für andere sensible und schwere Delikte, die besondere Anforderungen für den Opferschutz stellen.
Mit dem Online-Verfahren ist NRW das erste Bundesland, in dem eine solche Home-Office-Option angeboten wird. Die digitale Möglichkeit wird es in allen 47 Kreispolizeibehörden geben, sie soll bis Jahresende überall einsatzbereit sein.
Nach mehreren Skandalen bei der nordrhein-westfälischen Polizei wie Verheimlichung und Datenlöschung, Polizeigewalt sowie enttarnten rechten Chatgruppen ist die Digitalisierung von Vernehmungen eine erfreuliche Nachricht. Ob dadurch der Beruf der Kriminalbeamt:innen tatsächlich attraktiver wird, bleibt allerdings ungewiss.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
IStGH erlässt Haftbefehl gegen Netanjahu
Wanted wegen mutmaßlicher Kriegsverbrechen
Nahost-Konflikt
Alternative Narrative
+++ Nachrichten im Nahost-Krieg +++
IStGH erlässt Haftbefehl gegen Netanjahu und Hamas-Anführer
Gespräche in Israel über Waffenruhe
Größere Chance auf Annexion als auf Frieden
Nach der Gewalt in Amsterdam
Eine Stadt in Aufruhr
Krieg in der Ukraine
USA will Ukraine Anti-Personen-Minen liefern