Digitale Transformation der Arbeitswelt: „Mismatch“ auf dem Jobmarkt
Die Arbeitswelt wird sich verändern. Ein Gutachten sieht die Gefahr, dass neue Ungleichheiten entstehen und alte verstärkt werden.
Angst vor einer technologisch bedingten Massenarbeitslosigkeit müsse man in Deutschland nicht haben, dagegen spreche allein schon die demografische Entwicklung, sagte Klaus Schmidt, Vorsitzender des Beirats. Die Gutachter:innen rechnen aber mit einem „Mismatch“ auf dem Arbeitsmarkt. Das heißt, es wird – auch bedingt durch die Alterung – einerseits einen Fachkräftemangel geben und andererseits eine Arbeitslosigkeit derjenigen, deren Ausbildung nicht mehr zu den angebotenen Jobs passt. Dieser „Mismatch“ könne qualifikatorisch und regional bedingt sein, sagte Jens Südekum, der das Gutachten federführend betreut hat.
Die Digitalisierung könne tendenziell die Schaffung von Arbeitsplätzen in den Städten begünstigen, während die durch Technologie ersetzbaren Arbeitsplätze sich eher in Regionen abseits der Metropolen finden, heißt es in dem Gutachten. Das ökonomische Stadt-Land-Gefälle habe in Deutschland spürbar zugenommen, und dieser Trend könne sich durch die digitale Transformation „weiter verschärfen“, so das Papier. Inwieweit eine Tätigkeit durch Algorithmen ersetzbar ist, entscheidet dabei mit über die Arbeitsplatzsicherheit. Durch den verstärkten Einsatz von künstlicher Intelligenz könnten etwa auch Jobs in den Mittelschichtmilieus, wie beispielsweise in Banken und Versicherungen, wegfallen, heißt es weiter.
Auf der Plattform des sogenannten Job-Futuromats des Nürnberger IAB-Instituts wird angegeben, inwieweit Technologien bestimmte Tätigkeiten ersetzen können. Bei Bankkaufleuten etwa ist die Tätigkeit laut Futuromat zu 88 Prozent durch Algorithmen ersetzbar, bei Paketbot:innen zu 50 Prozent, bei Krankenpflegehelfer:innen hingegen nur zu 25 Prozent. In den niedrigqualifizierten Dienstleistungsjobs konkurrieren viele Arbeitskräfte, deren Qualifikation oder Sprachkenntnisse nicht oder nicht mehr für hochqualifizierte Jobs ausreichen. Auch deswegen sind die Löhne dort entsprechend gering.
Südekum schlug vor, in Deutschland „flächendeckend“ ein Weiterbildungssystem zu etablieren, ähnlich wie die berufliche Lehre, indem man auch in höherem Alter noch „starke Bildungszertifikate“ erwerben könne. Das Bundesarbeitsministerium wies am Donnerstag auf den Ausbau von regionalen „Weiterbildungsverbünden“ hin, über die etwa mittelständische Unternehmen der Autoindustrie beraten werden können, um Weiterbildungsmaßnahmen zu entwickeln.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Vorgezogene Bundestagswahl
Ist Scholz noch der richtige Kandidat?
113 Erstunterzeichnende
Abgeordnete reichen AfD-Verbotsantrag im Bundestag ein
USA
Effizienter sparen mit Elon Musk
Bürgergeld-Empfänger:innen erzählen
„Die Selbstzweifel sind gewachsen“
Ein-Euro-Jobs als Druckmittel
Die Zwangsarbeit kehrt zurück
Aus dem Leben eines Flaschensammlers
„Sie nehmen mich wahr als Müll“