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Dieter Bohlen beim Crash-ProphetenMeltdown statt Goldene Schallplatte

Dieter Bohlen wirbt für einen verschwörungsideologischen Youtuber. Es geht darum, gutgläubige Menschen zu verunsichern und ihnen Gold zu verkaufen.

Der Stargast bei einem Webinar von Kettner Edelmetall: „Pop-Titan“ Dieter Bohlen Foto: Frank Zeising/imago

Viel wurde von interessierter Seite (vor allem: Nius und AfD) zu den „Vorschlägen“ des nicht gerade als Politikwissenschaftler bekannten Pop-Gurus Dieter Bohlen geschrieben, als dieser letzte Woche mal eben das Ende der Brandmauer zur extrem rechten AfD forderte, prorussische Propaganda verbreitete und von „Woke-Scheiß“ fabulierte.

Weniger beachtet blieb dabei, wo er das tat: beim Crash-Propheten Dominik Kettner von „Kettner Edelmetall“, einem Youtube-Kanal, der facettenreich und verschwörungsideologisch vom bevorstehenden Kollaps der Bundesrepublik schwurbelt. Das Geschäftsmodell ist einfach: gutgläubige Menschen verunsichern und ihnen vermeintlich krisensicheres Gold verkaufen.

Mit Bohlens jüngstem Meltdown (auch seiner goldenen Schallplatten?) schlägt der Kanal hohe Wellen, und damit nicht genug: Der „Pop-Titan“ ist am Mittwoch bei einem Webinar von Kettner Edelmetall der Stargast und reiht sich dort ein in eine Phalanx zur „finanziellen Selbstverteidigung“, macht jetzt also offenbar auch werbewirksam in Gold.

Welche Überlegungen zu dem Titel des Seminars führten, ist nur eine von mehreren Fragen, die das Führungsduo des Goldhändlers, Jürgen A. Kettner und Dominik Kettner, der taz nicht beantworten möchte. Der „größten Edelmetallhändler Europas“ aus dem „Ländle“, so die Selbstbeschreibung, lässt auch offen, wer hier wen angreift oder was wie verteidigt werden muss.

Bohlen: Bei Vermögensteuer „in sechs Stunden weg“

Bohlen, bekannt als Jurymitglied von „Deutschland sucht den Superstar“ und Ex-Mitglied des Euro-Dance-Schlager-Duos Modern Talking, redet wiederum gerne und grundsätzlich. Im Video auf dem Kettner-Youtube-Kanal legte Bohlen dar, er sei „kein Freund“ der AfD sei, aber die Partei als „Faschisten“ zu schmähen, ginge auch nicht. Die Brandmauer sei letztlich undemokratisch, da „26 Prozent (…) nicht mitmachen“ dürften, behauptet er.

Wirtschaftliche Kompetenz spricht er den „deutschen Politikern“ ab und lobt dafür unreflektiert Donald Trump. Der US-Präsident habe ein „wirtschaftliches Empfinden“ – „par excellence“. Marktradikal klingt er auch, wenn er feststellt, dass „unser Sozialstaat jenseits von Gut und Böse“ sei. Das Leistungsprinzip gelte nicht mehr, stattdessen müssten „wir alle anpacken. Wir müssen arbeiten wie die Galeerensträflinge.“

Bis Dienstag wurde das Gespräch rund 900.000-mal aufgerufen und erhielt 49.000 Likes. Das Interview wirkt letztlich wie eine stumpfe Werbung für das Webinar: „So ehrlich und unzensiert wie nie“ wird Bohlen vorgestellt, der sich auch zu Steuern positioniert: „Wenn jetzt irgendwie wirklich Vermögensteuer kommt, dann bin ich in sechs Stunden weg“. Er wisse aber auch, warum „Deutsche“ Deutschland verlassen: „Die guten Leute, wie ich, wir haben Optionen. Die ganze Welt sucht Leute, die was drauf haben … Aber wir hauen denen eigentlich immer nur in die Fresse“, so der 71-jährige Pop-Rentner. Wenig überraschend empfiehlt Bohlen dann, in Gold anzulegen.

Unseriöse Goldverkäufer

Kritische Fragen gibt es im Interview von Dominik Kettner keine. Das zeigt einmal mehr, wo das Unternehmen mit „knapp 40 Mitarbeitern“ und Sitz in Villingen-Schwenningen politisch steht. In ihrem Magazin, das auf der Webseite steht, beklagt Kettner, dass „Bargeld“ aussterbe und der Staat die „Bürger“ mit Gebühren abzocke, Demokratie-Bundesprojekte „Linksextreme“ finanzierten und „Zensur“ bestehe. Sie fordern auf, dem Staat zu misstrauen und die „Antifa“ zu verbieten.

Diese Verquickung antidemokratischer und marktradikaler Inhalte ist keine Überraschung: Seit Jahren heben Soziolog- und Po­li­to­lo­g*in­nen hervor, dass neoliberale Wirtschaftskonzepte mit autoritären Gesellschaftsvisionen verschränkt sind.

Das lässt sich auch an den weiteren Re­fe­ren­t*in­nen für das Online-Webinar ablesen. Denn mit ökonomischer Kompetenz fielen Werner Patzelt, Peter Hahne und Gloria von Thurn und Taxis bisher eher wenig auf, dafür aber mit starken politischen Interventionen. Patzelt forderte schon 2018, dass die CDU mit der AfD zusammenarbeiten solle, „um sich nicht von den Parteien links von der CDU erpressbar zu machen“. Der emeritierte Professor für Politik war bis vor Kurzem Forschungsdirektor des Mathias Corvinus Collegium, eine dem ungarischen Autokraten Viktor Orbán nahestehende Denkfabrik.

Eng im ultrakonservativen Christentum verankert

Die Unfähigkeit der Po­li­ti­ke­r*in­nen im Allgemeinen und die Unannehmlichkeiten durch die „Gutmenschen“ beklagt auch Hahne schon lange. Mit dem Mantra, dass er sein „Zigeunerschnitzel“ auch weiter genau so bezeichnen möchte, landet der ehemalige ZDF-Moderator einen Spiegel-Bestseller nach dem nächsten. Die Titel sind Programm: „Seid ihr noch ganz bei Trost! Schluss mit Sprachpolizei und Bürokraten-Terror“ oder „Ist das euer Ernst?! Aufstand gegen Idiotie und Ideologie“.

Und von Thurn und Taxis beklagt Abtreibungen als „Kultur des Todes und des Tötens“ und „gleichgeschlechtliche Ehe“ als „Verwirrung“. Die Fürstin, welche die „westliche Ideologie“ von Liberalität und Diversität als Gefahr für das „natürliche Leben“ sieht, ist eng im ultrakonservativen Christentum verankert.

Auch die Edelmetallhändler gelten als ökonomisch unseriös. Bleibt noch die Frage, wie viele Leute auf die Geschäftspraxis hereinfallen: Mit wie vielen Gästen Kettner zu seinem Webinar rechnet, ist auch eine der Fragen, die unbeantwortet blieb. Auf ihrer Website werben sie mit angeblich „mehr als 200.000 zufriedenen Kunden“. Dank Bohlen dürften es nun ein paar mehr werden.

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