Diebstahl von Bronze-Statuen: Von geplanten und gebauten Thälmann-Monumenten
Berlins Polizei sucht nach einem Bronze-Kopf. Er zeigt Ernst Thälmann und ist von einer Künstlerin, die lange an einem Mega-Denkmal für ihn arbeitete.
Die Büste von Ernst Thälmann mit hochgereckter Faust vor einer Sowjetfahne ragt 14 Meter hoch. Seit Mitte der 1980er Jahre steht sie an der Greifswalder Straße in Prenzlauer Berg, auf einem Sockel aus Granit und erinnert an den 1944 im KZ- Buchenwald ermordeten KPD-Politiker und Anführer des kommunistischen Rotkämpferbunds. Die Büste der „Hochschule für Angewandte Kunst“, Flagge und Faust sind aus Bronze gegossen. Und damit ist das Denkmal potenziell bedroht: Denn das Material ist begehrt, regelmäßig montieren Diebe frei zugänglich stehende Bronzeskulpturen ab, mutmaßlich um sie dann einzuschmelzen.
Nun ist es aufgrund der schieren Größe ziemlich unwahrscheinlich, dass Diebe dieses Werk mitgehen lassen. Doch dass sie vor politischer Schwere nicht zurückschrecken, zeigt der Fall einer anderen Thälmann-Skulptur. Von einem Grundstück in Niederschönhausen haben Unbekannte einen Bronzekopf des Politikers entwendet, vermutlich bereits zwischen dem 30. Dezember und dem 2. Januar. Der Kopf war fest in einer Betonplatte verankert und in einen Sockel aus Backstein eingelassen.
Die Polizei sucht Zeugen, die möglicherweise Personen dabei beobachtet haben, wie sie den Kopf dort abmontierten oder die mitbekommen haben, dass der Kopf irgendwo zum „Kauf, Tausch oder als Pfand“ angeboten wird. Es ist nicht der einzige entwendete Bronzegegenstand: Von sechs seit Jahresbeginn als vermisst gemeldeten Kunstwerken, zu denen die Polizei Hinweise sucht, sind drei aus Bronze.
Den nun verschwundenen Thälmann-Kopf hat Ruthild Hahne gestaltet. Hahne, geboren 1910, war Antifaschistin und Bildhauerin und 1946/1947 Mitbegründerin der Kunsthochschule Weißensee. Dort arbeitete sie auch als Dozentin.
Mauerbau verhagelte die Denkmal-Pläne
Dass ihr Thälmann-Kopf klein und klaubar ausfiel, ist letztlich einer Verkettung historischer Ereignisse geschuldet, unter anderem dem Mauerbau. Denn eigentlich war alles viel größer geplant. Hahne hatte sich in den 1950er Jahren bei einer Ausschreibung mit ihrem Entwurf gegen 182 Konkurrent*innen durchgesetzt. Das „Mammut-Denkmal“ sollte auf einen in „Thälmann-Platz“ umbenannten Teil der Wilhelmstraße in Mitte.
Geplant war auch hier ein Thälmann mit kämpferisch (Richtung Westen) hochgereckter Faust, als vorderste Figur in einem keilförmigen Ensemble aus rund 50 Arbeiter*innen. Es sollte das größte und monumentalste Denkmal der DDR werden, mit bis zu 5 Meter großen Figuren auf einer 60 Meter großen Plattform.
Doch dann kam die Mauer. Der Aufstellungsort lag nun im Sperrgebiet und ein Ort so nah an der Mauer hätte auch nicht mehr die erwünschte Wirkung entfaltet. „Ernst Thälmann wäre mit dem Kopf gegen die Wand gerannt“, schrieb die taz dazu 1995. Auch die DDR-Führung stand wohl nicht mehr hinter dem Konzept des Denkmals. Hahne musste nach 15 Jahren ihre Arbeit daran 1965 beenden – ein Lebenswerk, das sie nicht vollenden konnte.
Der Entwurf von Thälmann als Frontfigur ist noch heute in einem privaten Museum in ihrem ehemaligen Atelierhaus zu besichtigen. Auch das Märkische Museum bewahrt Teile auf. Der nun entwendete Kopf gehört wohl zu den von der Bildhauerin später geschaffenen Porträt- und Kleinplastiken.
Das Denkmal in der Greifswalder Straße gestaltete Lew Jefimowitsch Kerbel, einer der hochdotiertesten Künstler der Sowjetunion, von dem auch der Marx-Kopf in Chemnitz stammt.
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