Die neuen AfD-Abgeordneten in Sachsen: Bewährungsprobe für Populisten
Die AfD sieht sich als „Volkspartei“. Ins sächsische Parlament schickt sie Anwälte, Unternehmer und einen Polizisten.
BERLIN taz | Die Stimmung am Tag eins nach der Wahl ist prächtig. Frauke Petry ist am Montagmorgen zur Pressekonferenz eigens nach Berlin gekommen. Sie lacht, tätschelt ihre Nebenleute, verzichtet auf Manuskripte. „Hochzufrieden“ sei sie, sagt Petry. „Die Wähler gehen zu den Parteien, die sie für glaubwürdig halten.“ Also ihre. Die AfD.
Tags zuvor war Petrys Alternative für Deutschland in Sachsen der erste Landtagseinzug gelungen. 9,7 Prozent holte die erst vor anderthalb Jahren gegründete Partei und 14 Mandate. Das, frohlockt Petry, habe man „in der Form nicht erwartet“.
Björn Höcke greift gleich ganz zum Pathos. Von einer „historischen Zäsur“, spricht der Thüringer AfD-Spitzenkandidat, der am Montag neben Petry sitzt. Seine Partei werde „unsere Demokratie erneuern“. Hehre Worte für den Chef eines zerstrittenen Landesverbandes, dessen Vorstand erst im Juni komplett zurücktrat. Seit Sachsen scheint all das vergessen. „Zweifellos“, sagt Höcke, werde man in zwei Wochen auch in Brandenburg und Thüringen mit starken Ergebnissen in die Landtage einziehen.
Nur: Sachsen war ein spezieller Fall. Für die AfD ist das Land von jeher Hochburg. 10,1 Prozent holte sie hier im Mai schon zur Europawahl. Die AfD profitiert von einer ohnehin stark konservativen Wählerschaft im Land. Eine Studie bescheinigte Sachsen 2012, besonders anfällig für Fremdenfeindlichkeit zu sein.
Die Neulinge punkteten vor allem in den Grenzregionen. 14 Prozent holten sie in den Landkreisen von Görlitz und Bautzen. 33,6 Prozent gab es dort in Dürrhennersdorf – landesweite Spitze. Hier verfingen die Rufe nach mehr Polizei und Wiedereinführung von Grenzkontrollen. Auch in der Sächsischen Schweiz und im Erzgebirge war die Partei stark – trotz konstanter NPD-Resultate. Hier leben viele konservative, auch evangelikale Wähler.
Die „kleine Volkspartei“
Von einer „kleinen Volkspartei“ spricht Höcke am Montag. Tatsächlich hat die AfD gute Chancen, sich vorerst zu etablieren. Anders als die Piraten – die vor zwei Jahren vier Landtage eroberten und dann rüde abstürzten – verfügt die AfD über klarere Hierarchien und einige erfahrene Parteiüberläufer. Zudem bedient sie ein brachliegendes Wählermilieu rechts der Union und die neoliberalen Reste der FDP.
Laut Umfragen kamen am Sonntag tatsächlich die meisten AfD-Wähler von diesen beiden Parteien: 33.000 von der CDU, 18.000 von der FDP. 15.000 wechselten aber auch von der Linken über. Die CDU habe es selbst „vergeigt“, sagt Petry. Habe sich diese doch „in Meilenstiefeln auf die SPD zubewegt“. Und: 76 Prozent der AfD-Wähler begründeten ihr Kreuz mit den Inhalten der Partei, nur 20 Prozent sprachen von einem „Denkzettel“. Die Inhalte der AfD waren vor allem Angst: vor Kriminalität, vor Einwanderung, vor Geburtenrückgang.
Der Berliner Parteienforscher Oskar Niedermayer hält eine Etablierung der AfD für noch offen. „Erst muss sie ihre Personalquerelen und ihren inhaltlichen Streit beenden und sich glaubhaft nach rechts außen abgrenzen.“ Zudem stehe die Bewährungsprobe noch aus. „Die AfD muss im Landtag zeigen, dass sie Politik machen will.“
Kein problematisches Personal
Petry hat bereits erklät, „konstruktiv“ im Parlament mitarbeiten zu wollen. Über ihre 13 Gefolgsleute aber ist wenig bekannt. Abgeordnete mit problematischer Vergangenheit gibt es dort nicht – dafür hat die Parteispitze gesorgt. Als Thomas Hartung, einst Platz zwei der Landesliste, Menschen mit Down-Syndrom beleidigte, musste er seinen Platz räumen.
Auch Arvid Samtleben, dem man Kontakte zur NPD und der Anti-Islam-Partei die Freiheit nachsagte, verlor seinen Listenplatz. Zwei Kandidaten, die kurz vor der Wahl für Aufregung sorgten, weil sie den österreichischen Rechtsaußen Andreas Mölzer einluden, stehen so weit hinten auf der Liste, dass sie es trotz des guten Ergebnisses nicht in den Landtag schafften.
In der AfD-Fraktion werden Rechtsanwälte und Richter sitzen, Unternehmer und Ingenieure, ein Polizist, ein Berufssoldat. Nur vier Frauen sind darunter. Ein Abgeordneter war früher bei der FDP aktiv, Uwe Wurlitzer, die Nummer zwei hinter Petry, ist einstiger CDU-Mann, fünf Jahre arbeitete er für einen Bundestagsabgeordneten der Union. Bei den Christdemokraten habe ihn frustriert, dass man nicht über das Ausländerproblem habe reden können, erzählte er im Wahlkampf offenherzig.
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