Die eine Frage: Wer Hase sagt, will rammeln
Schatz oder Spatz, Schnuffelhase oder Bärle, Hengst gar? Was für einen Kosenamen darf man als aufgeklärter Mensch haben?
I ch weiß gar nicht, wie ich drauf komme, aber ein alter Bekannter hatte die Eigenart, seine Lebensgefährtin oft und laut „Bärle“ zu nennen. Mich irritierte das. Auch wenn ich die Frau in offiziell-beruflichen Zusammenhängen sah, dachte ich die ganze Zeit kichernd: Ach, das Bärle. Deshalb war ich auch so erleichtert, als er sie auswechselte. Doch dann nannte er die Nächste wieder Bärle. Und die Übernächste auch.
Ich finde: Eine gewisse Individualität sollte man seinen Partnern schon zugestehen. Wobei ich konzediere, dass in den unübersichtlichen Übergangsphasen eine einheitliche Namensgebung hilfreich sein kann.
Die Frage, die sich uns politisch Korrekten stellt, lautet jedenfalls: Was für einen Kosenamen darf man als aufgeklärter Mensch haben?
Grundsätzlich: jeden. Wenn es sich außerhalb des öffentlichen Diskurses vollzieht – und konsensuell erfolgt. Einzige Ausnahme: Wolf. Das geht nicht. So nannte Eva Braun ihren kurzzeitigen Ehemann. Doch wenn Kosenamen öffentlich gemacht werden, so kann das die Rezeption und das Ansehen verändern. Das sollte man bedenken.
Bevor man als Partner eines katholischen Weltkirchenchefs oder fiesen Junta-Generals unangemeldet ins Zimmer platzt und ruft: „Schnuffelhase, du wolltest doch heute noch den Müll runterbringen?“
Nach einem Jahr im Amt gilt Papst Franziskus als Revolutionär. Aber was verändert sich wirklich in der Kirche? Eine Spurensuche auf fünf Kontinenten lesen Sie in der taz.am wochenende vom 15./16. März 2014 . Außerdem: Der Schriftsteller Daniel Kehlmann über Ängste, Sehnsüchte und Seitensprünge. Und: Eine Bestandsaufnahme in Bayern vor der Wahl am Sonntag. Am Kiosk, eKiosk oder gleich im praktischen Wochenendabo.
KGE und Kretsch
Einen Kosenamen kann man sich nicht heraussuchen. Man bekommt ihn verliehen. Es nützt nichts, sich selbst „Hengst“ zu nennen. Oder vielleicht „Sperminator“. Das muss schon die Partnerin machen. Wenn sie es macht, lässt das nicht unbedingt Rückschlüsse auf einen selbst zu, sondern vor allem auf ihre Bedürfnisse.
Kosenamen werden nicht nur in einer Paarbeziehung benutzt, sondern auch in einer revolutionären Bewegung oder Partei, die ja eine Abart der Liebes- und Machtbeziehung ist. Fidel nannte seinen Ernesto Che (ab 1965 dann allerdings „Herr Dr. Guevara“). Daniel und Joseph riefen alle Dany und Joschka, was unkonventionell, spontihaft und sympathisch klang. (Ich sagte: klang.)
Es ist interessant, dass Göring-Eckardt von den Grünen KGE genannt wird, was nach Umerziehungslager oder kommunaler Gasspeichergesellschaft riecht. Und sicher kein Zufall, dass Trittin gar keinen Kosenamen hatte – außer Trittin. „Kretsch“ dagegen steht für die knarzig-unverbogene Persönlichkeit des Ministerpräsidenten Kretschmann. Und „Büti“ betont wohl das Spielerische, ja Karnevaleske des EU-Grünenchefs.
Bei einer Diplompsychologin habe ich gelesen: Wer Bär sagt, will beschützt werden. Wer Süße(r) sagt, will Sinnlichkeit. Wer Tiger sagt, will in Stücke gerissen werden. Wer Engel sagt, will aufschauen. Wer Spatz sagt, will einen vorlauten, aber letztlich ungefährlichen Zwerg neben sich. Zum Beispiel soll Doris Schröder-Köpf den langjährigen Bundeskanzler Spatzl nennen. Wer Hase sagt, will rammeln. Aber mehr so kuschelmäßig. Und wer Mama oder Papa zueinander sagt, bei dem ist alles zu spät.
Knapp fünfzig Prozent der Deutschen wollen auch in dieser Sache überhaupt keine Experimente wagen und sagen Schatz oder Schatzi. In Zeiten von Abstiegsängsten und unsicherer Rente wird hier die Hoffnung auf eine wirklich verlässliche Wertanlage ausgedrückt. Wobei das etwas prolligere Schatzi im Vergleich zum soliden Schatz etwa dem Größenverhältnis der CSU zur CDU entspricht.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Debatte um SPD-Kanzlerkandidatur
Schwielowsee an der Copacabana
BSW und „Freie Sachsen“
Görlitzer Querfront gemeinsam für Putin
Urteil nach Tötung eines Geflüchteten
Gericht findet mal wieder keine Beweise für Rassismus
Papst äußert sich zu Gaza
Scharfe Worte aus Rom
Unterwanderung der Bauernproteste
Alles, was rechts ist
Bisheriger Ost-Beauftragter
Marco Wanderwitz zieht sich aus Politik zurück