Die Woche: Wie geht es uns, Herr Küppersbusch?
Der letzte pazifistische Kanzler ist tot, die grüne Basis muss einen durchziehen – und mehr Zores um eine tütendoofe Doku.
t az: Herr Küppersbusch, was war schlecht in der vergangenen Woche?
Friedrich Küppersbusch: Der Spiegel titelt mit der „Hauptstadt Hamburg“.
Und was wird besser in dieser?
Todesnachricht Helmut Kohl Freitagnachmittag. Wir hören ihn noch einmal feixen.
Regierungszeit 1982 bis 1998: Auch Sie sind „Generation Kohl“. Ihr Geleit?
„Vater des Vaterlandes“, „Großer Aussitzer“, „Europäer“, „persönlich tragische Figur“, „provinzieller Bimbes-Autokrat“, alles recht und gut. Bis zum letzten Tag der Amtszeit Kohls waren keine deutschen Soldaten zu Kriegseinsätzen im Ausland. Nach ihm waren sie es ununterbrochen. Man mag einwenden, dass er Schröderfischer ein Jugoslawien-Fiasko hinterließ. Aus anderen sinnlosen Gemetzeln wie dem Golfkrieg hat er uns herausgekauft. Er war einer der letzten Spitzenpolitiker mit Weltkriegserfahrung, sein Bruder im Krieg getötet, seine Politik auf „pazifistische deutsche“ Wählerstimmen gemünzt. Es tut weh, dies anzuerkennen – doch so, wie der Aspekt „Friedenskanzler“ an Kohl nun gar nicht gewürdigt wird von allen kriegerischen Nachfolgern – muss wohl was dran sein. Respekt.
Theresa May hat sich verzockt und die absolute Mehrheit verloren – trotzdem halten die Tories am harten Brexit fest?
Urig, wenn ein Partner entschlossen die Scheidung einreicht, um darauf in einem haltlosen Selbstzerfleischungsprozess zu versinken. Es ist nicht Aufgabe des abgelehnten Partners EU, nun der indisponierten Ex eine besonders schöne Trennung zu bereiten. Auf gut Zurhorst: „Liebe Dich selbst und es ist egal“, von wem Du Dich gerade scheiden lässt. Der EU fehlt eine gemeinsame Sozial- und Finanzpolitik, Macron scheint das aufzugreifen und Merkel hoffentlich nicht verhindern zu können. Das beste Mittel gegen einen Brexit ist eine bessere EU. Das britische Votum kann man auch so beantworten, dass Europa langfristig mehr Corbyn bietet als May. Die Position der Tories wackelt ja schon, etwa beim Thema Freizügigkeit.
Die Innenministerkonferenz will, dass Gespräche Verdächtiger bei WhatsApp mitgelesen werden dürfen. What’s up?
Diese Lauser! Justizminister Maas möchte, dass auch Messenger-Dienste ihre Inhalte streng kuratieren; Innenminister de Maizière hofft dagegen, dort künftig ordentlich verfassungsfeindlichen Schweinkram zu finden. Datenschützer fordern eine bessere Verschlüsselung, Innenpolitiker das Recht, diese Verschlüsselung zu knacken. Es tut seinen Effekt: über Fingerabdrücke von sechsjährigen Flüchtlingskindern, DNA-Analysen bis zu Alter, Haar- und Augenfarbe und „Herkunft“ und die Zentralisierung von Polizeiarbeit ist jenseits der WhatsApp-Schlagzeile weniger die Rede. Dem Verfassungsgebot „Polizei ist Ländersache“ steht inzwischen eine hochgerüstete Bundespolizeibehörde gegenüber.
In Schleswig-Holstein haben sich CDU, FDP und Grüne auf eine Jamaika-Koalition geeinigt. Rastafari an der Ostsee?
So ganz erschließt sich nicht, warum Landesguru Robert Habeck erst „ohne Rückfahrkarte“ in den Bund wollte – um nun auf ebendiesem nicht existierenden Ticket grüner Chefstörtebecker zu bleiben. Freimütiger bekennt FDP-Kollege Bernd Buchholz, nach seiner Zeit als Stern-Manager eher auf den Bund gezielt zu haben und sich nun mit einem Kieler Ministerium abzufinden. Autobahnbau, Fehmarnbrücke, weniger Platz für Windräder, Freiheitsentzug für Flüchtlinge ohne Bleiberecht: Da wird die grüne Basis ordentlich einen durchziehen müssen, bevor sie „ja“ klickt. No Regierung, no cry.
Arte weigerte sich, eine Antisemitismus-Doku zu senden. Bild.de zeigte sie. Aufklärung kommt also neuerdings aus dem Springer-Hochhaus?
Der Film schafft es binnen der ersten 16 Minuten – länger habe ich es nicht geschafft, sorry –, Judenhass und Kritik an der Politik Israels nebensatzweise suggestiv zu einer hässlichen Pampe zu vermischen. Außerdem hat Hitler Arafat erfunden und sind Montagsirre und Globalisierungskritiker eine, nun ja, Mischpoke. In Summe wirkt das Werk so tütendoof wie sein Gegenstand: „Die Gegenseite verallgemeinert unzulässig!“, ruft es, während es die Gegenseite unzulässig verallgemeinert. Der WDR moniert, der Film enthalte „unbewiesene Tatsachenbehauptungen“, gebe Betroffenen keine Gelegenheit zur Äußerung und verletze Persönlichkeitsrechte. Wie für Bild gemacht, also. Dass er nun auch im Ersten gesendet wird: Beschäftigungsoffensive für die Gremien.
Und was machen die Borussen?
So, wie Sky und der Streamingdienst Dazn sich die Champions League aufteilen, wäre für den BVB ein Platz in der Europaleague eine publikumsfreundliche Alternative gewesen.
FRAGEN: MBRS, KML
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Kinderbetreuung in der DDR
„Alle haben funktioniert“
Hybride Kriegsführung
Angriff auf die Lebensadern
BSW in Koalitionen
Bald an der Macht – aber mit Risiko
Dieter Bohlen als CDU-Berater
Cheri, Cheri Friedrich
Niederlage für Baschar al-Assad
Zusammenbruch in Aleppo
Stellungnahme im Bundestag vorgelegt
Rechtsexperten stützen AfD-Verbotsantrag