piwik no script img

Die WocheWie geht es uns, Herr Küppersbusch?

Mehmet Scholl trägt den Titel „Don Quichotte von la Mannschaft“, die USA sorgen sich um Hillarys Mails und der AfD wachsen ständig neue Köpfe.

Funktioniert wie die Hydra: die AfD Foto: imago/Mauersberger

t az: Herr Küppersbusch, was war schlecht in der vergangenen Woche?

Friedrich Küppersbusch: Mehmet Scholl trägt fortan den Ehrentitel „Don Quichotte von la Mannschaft“.

Und was wird besser in dieser?

Ich staune selbst: mal kein Fußball.

Tony Blairs Entscheidung zum Krieg im Irak soll völkerrechtlich ­mindestens fragwürdig gewesen sein. ­Welchen politischen ­Entscheidungen der vergangenen Jahre wünschen Sie eine so umfassende Untersuchung?

„Da haben wir unsere Flugzeuge, unsere Tornados, nach Serbien geschickt, und die haben zusammen mit der Nato einen souveränen Staat gebombt. Ohne, dass es einen Sicherheitsratsbeschluss gegeben hätte.“ Glattes Geständnis von Altkanzler Schröder 2014 zum Bruch des Völkerrechts. Es gab damals Strafanzeigen – immerhin ist schon die „Vorbereitung zum Angriffskrieg“ vom Grundgesetz unter Strafe gestellt. Sie wurden als „offensichtlich unbegründet“ abgelehnt. Dazu gab es keinen Untersuchungsausschuss, und die heutige Opposition wäre zu klein – und Fischers Grüne zu beteiligt –, einen zu erzwingen.

Nach dem Brexit hat Sahra Wagenknecht mehr direkte Demokratie ­gefordert. Ein kalkulierter Denkfehler oder ein Fehler in der Kalkulation?

Ein hübsches Paradoxon: Die Forderung nach Volksentscheid ist populärer als seine möglichen Ergebnisse. „Stuttgart 21“ brachte eine unbefriedigende Befriedung der Lage; die Direktwahl des österreichischen Bundespräsidenten ermutigt nicht. Auch die Freunde der „Brexit“-Abstimmung soffen den Rausch der Volkstümlichkeit, nun dilettieren sie mit dem Resultat. Mehrheitsfähige Anliegen der Linken, „Weniger Kriegseinsätze“ – „Auch mal fair zu Putin sein“, klingen nicht so richtig abstimmbar. Und politische Aufrichtigkeit hieße zuzugeben: Auch Wähler der Linken wären bei Pegida-Themen lose Kanonen im Wahllokal. Kompromiss: Volksabstimmung über Volksabstimmungen. Bild macht dazu drei Gratiszeitungen, und das Thema ist vom Tisch.

Meuthen gegen Petry und ihre AfD: Schafft die Partei sich jetzt selbst ab oder sollten wir uns nicht zu früh freuen?

Bisher hat es eher was von einer Hydra, der stets Köpfe nachwachsen. Petry und ihre Hydranten sind, siehe „Piraten“ und die frühen Grünen, eine politische Selbsterfahrungsgruppe. Kritische Nachfragen, Intrigen, mediale Reichweite begegnen ihnen zum ersten Mal. Sie wollen nach oben, und nun regen sie sich erst mal auf, wie es da oben aussieht. Emporkömmlinge. Üblicherweise folgen auf gefrustete Amateure geschmeidige Profis. Wir werden uns noch nach der Zeit zurücksehnen, da Tourette-Trixi mit ihrer behandlungsbedürftigen Geltungsneurose rumstorchte.

Hillary Clinton wird ihre E-Mail-­Affäre einfach nicht los: Das FBI will sie zwar deswegen nicht anklagen, dafür prüft das Außenministerium jetzt wieder. Ist der Streit über ihren sorglosen Umgang mit ­dienstlichen Mails Kindergeburtstag oder ein Fehler, den es zu ahnden gilt?

Immerhin scheint es in den USA einen Fall zu geben, bei dem man sich für Datensicherheit interessiert.

„Nein heißt Nein“, hat die Bundesregierung beschlossen. Was wird sich dadurch ändern?

Nein ist eine klare Antwort. Doch wie war noch mal die Frage? Im populistischen Eifer marschierte die Groko gleich durch zur Kollektivhaft – für Übergriffe soll auch der haften, den man der Gruppe des Täters zurechnet. Das war schon bescheuert, als Atomkraftgegner so eingeschüchtert wurden. Ausweisungen sollen bei entsprechenden Straftatbeständen beschleunigt werden – da sieht frau sich jäh beim Ausländerfeind untergehakt, und dies oft ohne ihren erkennbaren Willen.

Fazit: Was von dem, was in der Kölner Neujahrsnacht verbrochen wurde, war nicht da auch schon verboten? Und: Ist das Gericht im spektakulären „Fall Lohfink“ nun noch unabhängig oder nur noch Freisprechanlage? Im Hintergrund wabert ein Bild vom Mann als dem drängenden Aufnötiger von Sex und der Frau als der bedrängten Passiven. So isses, bei manchen.

Die Suche nach einem Endlager für atomaren Restmüll geht in die nächste Runde. Ihr Tipp: Welcher Ort wird die Nase vorn haben?

Keiner, denn die Kommission hat bei allen Kalamitäten vor allem eines hinbekommen: Sie hat die Rückholbarkeit zur ausschließenden Bedingung gemacht. Und was man zurückholen kann, ist kein Endlager. Da mag alter Ingenieursaberglaube ­mitschwingen, dass man in ferner Zukunft aus Atommüll eitel Blumendünger machen könne. Doch auch der Anstand, eine Lüge zu beenden. Gesucht wird also nun ein Langzeitzwischenlager.

Apropos: Hat die Tour de France ­eigentlich schon angefangen – oder hat nur keiner zugeguckt?

Etappensieger Froome saß bei Tempo 100 auf dem Oberrohr knapp vor dem Lenkervorbau. Und widerlegte die Faustformel „Du kannst ein Rennen bergab nicht gewinnen, nur verlieren“. Da sollte niemand zugucken. Im Ernstfall bräuchten die Ärzte die erste Stunde, um das Rad aus dem Fahrer zu operieren.

Die Sächsische Zeitung will künftig stets die Nationalität von Straftätern und Verdächtigen nennen. Und ­verabschiedet sich damit von den ­Regelungen im Pressekodex. Ein Einknicken vor den Wutbürgern?

Der Kölner Express schreibt von „Nafris“, wenn „zum berichteten Vorgang ein begründbarer Sachbezug besteht“. So der Wortlaut des Pressekodex. Diese Abwägung nicht mehr treffen zu wollen ist ein bisschen faul und bequem. Oft würde mich das Monatseinkommen von Tatverdächtigen mehr interessieren als ihre Religion oder Großeltern. Immerhin sucht sich jede Gesellschaft ihr Prekariat selbst aus, und wir haben den undankbaren Job armen Leuten von woanders gegeben. Es ist ein Umweg zu warten, bis wieder arme Biodeutsche mehr Verbrechen begehen, um dann über Sozialpolitik zu diskutieren.

Und was machen die Borussen?

Draxler, Neuer, Höwedes, Sané – gefühlte vier Schalker, kein Dortmunder im deutschen Team. Tja.

FRAGEN: ROBO

Links lesen, Rechts bekämpfen

Gerade jetzt, wo der Rechtsextremismus weiter erstarkt, braucht es Zusammenhalt und Solidarität. Auch und vor allem mit den Menschen, die sich vor Ort für eine starke Zivilgesellschaft einsetzen. Die taz kooperiert deshalb mit Polylux. Das Netzwerk engagiert sich seit 2018 gegen den Rechtsruck in Ostdeutschland und unterstützt Projekte, die sich für Demokratie und Toleranz einsetzen. Eine offene Gesellschaft braucht guten, frei zugänglichen Journalismus – und zivilgesellschaftliches Engagement. Finden Sie auch? Dann machen Sie mit und unterstützen Sie unsere Aktion. Noch bis zum 31. Oktober gehen 50 Prozent aller Einnahmen aus den Anmeldungen bei taz zahl ich an das Netzwerk gegen Rechts. In Zeiten wie diesen brauchen alle, die für eine offene Gesellschaft eintreten, unsere Unterstützung. Sind Sie dabei? Jetzt unterstützen

Friedrich Küppersbusch
Jahrgang: gut. Deutscher Journalist, Autor und Fernsehproduzent. Seit 2003 schreibt Friedrich Küppersbusch die wöchentliche Interview-Kolumne der taz „Wie geht es uns, Herr Küppersbusch?".
Mehr zum Thema

11 Kommentare

 / 
  • 2G
    25726 (Profil gelöscht)

    "Da wachsen doch nirgendwo Köpfe nach, da werden nur Ärsche nach oben gedrückt."

     

    Seit langem der schönste Satz zur Bekämpfung der montäglichen Tristesse. Danke!

  • Einspruch, Euer Ehren! Die AfD ist - anders als die Piraten und die frühen Grünen - ganz und gar keine politische Selbsterfahrungsgruppe mit offenem Ausgang, sondern der dreiste, kriminelle Versuch, neofaschistischen Quark an den "kleinen Mann", bzw. den "Mann in der Mitte" zu bringen, um dadurch möglichst schnell straf- und reibungsfreien Zugang zu den Fleischtöpfen dieses Landes zu erhalten.

    Da wachsen doch nirgendwo Köpfe nach, da werden nur Ärsche nach oben gedrückt.

     

    Sahra Wagenknechts Forderung nach Volksentscheid ist so verkehrt auch nicht. Der Olympia-Volksentscheid in Hamburg hat doch eindrucksvoll gezeigt, dass Volksentscheide durchaus "Volkes" Meinung korrekt abbilden können. Als Mittel zur nachträglichen Legitimierung von Entscheidungen, die die Regierenden vorher über die Köpfe des "Volkes" hinweg schon getroffen hatten, werden sie aber in Zukunft wohl keine Rolle mehr spielen, da der Ausgang im günstigsten Fall völlig offen bleibt und damit immer ein unkalkulierbares Risiko für derartige Verarsche bleibt.

    Mein Credo: Wer das Demokratie-Pferd fürchtet, hat auf seinem Rücken nichts verloren.

     

    By the way: Die Dortmunder sind eben auch keine Europameister - nicht mal "gefühlt".

    • @Rainer B.:

      Die Entscheidung gegen Olympia kam auf dem gleichen Wege zu Stande, wie die Brexit-Entscheidung.

       

      Die Angstmacher mit ihren Lügen, Katastrophenszenarien und falschen Versprechungen (die Möhre "350 Mio für das Gesundheitssystem" der EU-Gegner entsprach exakt der "7 Mrd für Wohnungsbau und soziale Projekte"-Karotte der Oylmpia-Gegner) hatten den längeren Atem und das hysterische Geschrei.

      • @cursed with a brain:

        Da wissen Sie mehr als ich.

        Es gab einfach keine realistische Finanzierung für Olympia - ergo wurde Olympia abgelehnt. So muss das auch sein, wenn man sich nicht weiter an Milliardengräber à la Elbphilharmonie, Stuttgart 21, BER etc. gewöhnen möchte. Nachdem bereits im Vorfeld Millionen sinnlos verbraten wurden und verbindliche Zusagen aus Berlin ausblieben, kam man dann - an der völlig falschen Stelle im Text - auf die Idee, die Bürger vielleicht auch mal zu befragen, die das alles ja letztlich bezahlen müssen.

        Diese Mischpoke von politischen Schwarzfahrern und Selbstbedienern läuft weiterhin munter frei rum, wogegen andere hier jeden Tag für lächerliche Pipibeträge inhaftiert werden, oder sostwie den dummen August geben müssen. Tut mir leid, aber für mich passt das alles hinten und vorne nicht zusammen.

        Stimmt schon, beim Brexit war es ganz ähnlich. Erst große Klappe und immer "Britain first" in allen Dingen und dann mal eben das Volk abstimmen lassen. Blöder kann eine "politische Führung" sich doch kaum noch verhalten. Aber der Sündenbock steht dabei ja immer auch schon fest - der "dumme, dumme" Wähler, der ohne diese großartigen Führer ja völlig aufgeschmissen wäre.

    • @Rainer B.:

      & ich dacht schonn -

      Wo bleibt Rainer Behle¿!

      Na bitte - da läuft er auf!

       

      Köpfe zu Hydranten & hier zu Ärschen¿!

      Gemach - Das Hydrabild (mit Köpfen&nicht Ärschen;) schärft Küppi mittels Hydranten an!

      Das - er ist Journal- & kein Forist -

      Ehrt ihn & liegt auf der Linie

      Vollpfosten - öh Volljurist usw.;).

      Sein Rest mahnt gruppendynamische Erkenntnisse & Erfahrungen an.

      Wobei die konstatierte ekelerregte Abgrenzung - bei aller beißender Kritik - Unter exEmporkömmlingen & vice versa Zu solcherart Neulingen genau zu Diesen Erfahrungen gehört.

      Ein gewisser Bruder Johannes -

      Mitglied der vormals vaterlandslosen Gesellen&Schmuddelkinder - hat es Bekanntlich als unzumutbare Majestätsbeleidigung empfunden & Entsprechend politischvollpfostig Gegenüber dem Ansinnen reagiert -

      Sich mit diesen grünschnäbeligen Unfrisierten Lümmeln&Lümmelienen Von der letzten Bank nur an den

      Tisch zu setzen!

      (Was ich klarstellungshalber mit AfD & Ähnlichem Tourettkaliber auch

      Nicht wollte!)

       

      (ps: Daß Sie Sahra weiterhin erwartbar Tapfer die Stange halten - ehrt Sie - Unterschiede vermag ich aber nicht zu Erkennen!)

      kurz - Europameister ist Portugal!

      Nicht nur gefühlt!;))

      • @Lowandorder:

        Na, mein lieber Lowan Dorder, ohne dem Bruder Johannes hier posthum noch irgendwie zur Seite springen zu wollen, muss man ihm letztlich eine gewisse Bibelfestigkeit attestieren. Die heutigen Hemdständer kennen Bücher ja meist nur vom Hörensagen und von uralten Gemälden. Auch hier gilt: Nicht alles, was von Weinbrand gezeichnet ist, wäre auch von Rembrandt gemalt worden.

        An Sahras Stange tanzen heute vor allem solche Medien, die früher mal "links" sein wollten, dann aber sehr bald den Weg des geringsten Widerstands für sich entdeckt haben. Das macht die Sahra einfach Klasse und wo sie recht hat, hat sie nun mal recht. So! Und Portugal ist nur Europameister geworden, weil die Franzosen ernsthaft geglaubt haben, sie könnten sich gegen Portugal genauso bequem durchmogeln wie gegen Deutschland. Nun gehet eurer Wege, hebet die Hände, danket dem Herrn mit der Pfeife und seid froh! Amen!

        • @Rainer B.:

          Eins noch achterher. Die guten Gründe, aus denen man sich mit gewissen Leuten nicht an einen Tisch setzt, sind dieselben aus denen man dies auch von anderen nicht erwarten kann.

          • @Rainer B.:

            klar - wie man sich bettet -

            So schallt es heraus!;()

            • @Lowandorder:

              Die Hoffnung stirbt deshalb zuletzt, weil sie danach niemals wiedergeboren wird.

  • Schön - Wort für Wort zu lesen -

    Wie Küppersbusch jenseits der

    Allgegenwärtigen Fußballbesoffenheit -

    Politische Denke weiter salonfähig hält!

    Danke.

  • "Die Sächsische Zeitung will künftig stets die Nationalität von Straftätern und Verdächtigen nennen. Und ¬verabschiedet sich damit von den ¬Regelungen im Pressekodex. Ein Einknicken vor den Wutbürgern?"

     

    Die SZ, liest man, sei "die auflagenstärkste Zeitung in ihrem Verbreitungsgebiet". Ihr Verlag gehört zu 60 Prozent Gruner + Jahr und zu 40 Prozent der ddvg, einem Medienbeteiligungsunternehmen der SPD. Chefredakteur ist seit 2007 Uwe Vetterick, der seinen Job bei der Bild-Zeitung gelernt hat, wo er von 1993 bis 2006 Redaktionsleiter Berlin und Neue Bundesländer sowie stellvertretender Chefredakteur war. Mit der SZ hat Vetterick 2013 den Deutschen Lokaljournalistenpreis der Konrad-Adenauer-Stiftung gewonnen. Ein Jahr später hat ihn dann auch das Medium Magazin, eine Fachzeitschrift für Journalisten mit Sitz in Frankfurt am Main ausgezeichnet. Als dritten Journalisten des Jahres 2014. 2015 gewann Vetterick dann schließlich die Wahl zum Chefredakteur des Jahres (regional).

     

    Sieht für mich und von hier also ganz so aus, als wäre SZ weniger vor den Dresdner Wutbürgern "eingeknickt", als vielmehr vor dem Druck gewisser Regeln. Sie hat sich offensichtlich sehr erfolgreich rangewanzt an Leute, die tatsächlich was zu sagen haben und die wissen, wie man Kohle scheffelt, ohne sich dabei die Pfoten dreckig zu machen. Pressekodex? Ist bei dieser Übung offensichtlich eher hinderlich.