Die Woche: Wie geht es uns, Herr Küppersbusch?

Wulffs Urlaubsvertretung dankt ab, „Rock am Ring“ ist noch kein Dinosaurier, und es gibt Mittel zur Bekämpfung der Rechten.

Festivalbesucher in Regenmänteln gehen beim Festival „Rock am Ring“ nach einem Gewitterregen über das aufgeweichte Gelände

Der Klimawandel – endlich ein Grund zur Panik? Foto: dpa

taz: Herr Küppersbusch, was war schlecht in der vergangenen Woche?

Friedrich Küppersbusch: Lange keine Diskussion um irgendwelche Bundespräsidenten mehr.

Und was wird besser in dieser?

Wulffs Urlaubsvertretung dankt ab.

Beim Hochwasser in Niederbayern sind mindestens sieben Menschen ums Leben gekommen. Der Klimawandel – endlich ein Grund zur Panik?

Das ist Chaospraxis zur Chaostheorie. Nach der können viele Puzzlesteine verdächtig nach einem Gesamtbild Klimawandel aussehen – jedoch genauso gut viele Puzzlesteine sein und nichts weiter. Umweltministerin Hendricks bewertet „Intensität und Anzahl extremer Wetterlagen“ als „Zeichen für einen Klimawandel“; Statistiker notieren seit 1997 fast ausnahmslos Rekordjahre. Nach Darwin erzeugen veränderte Umweltbedingungen Selektionsdruck; was ebenfalls wiederum behutsam zu lesen ist: „Rock am Ring“ und Teile Bayerns sind damit noch keine Dinosaurier. Doch es könnte auf die feinsinnige Pointe hinauslaufen, dass der Nordhalbkugeltyp Mensch sich abschafft zugunsten etwa von Afrikanern, die dem Warmwetter besser angepasst sind.

Der Bundestag hat die Armenien-Resolution beschlossen – inmitten aller aktuellen Probleme mit der Türkei: Warum jetzt?

Eben drum. Zum hundertsten Jahrestag des Völkermords 2015 sandte der Bundestag die Resolution noch zum Schimmeln in die Ausschüsse; nun weht ein Hauch von Trotz gegen den sich erfrechenden Erdoğan mit. Das Ding ist und bleibt ein unglückliches Ereignis, denn als Völkermord-TÜV ist Deutschland so maximal kompetent wie minimal berechtigt, andere zu belehren. Deshalb betont der Text immerhin die Mitverantwortung des Deutschen Reiches für die Schandtaten seines osmanischen Verbündeten. Ihre einzige Gegenstimme begründet eine CDU-Abgeordnete u. a. mit kostenorientierter Moral: Da könnten „Wiedergutmachungsforderungen seitens Armenien“ drohen. Eben mit großzügigen Förderungen für armenische Kultur könnte der Bundestag beweisen, dass es ihm nicht um Gratismoral geht. Und Erdoğan noch viel netter ärgern.

Im sächsischen Arnsdorf wurde ein psychisch kranker Asylbewerber von Mitgliedern der Bürgerwehr an einen Baum gefesselt. Was lernen wir daraus?

Möglich ist, dass ein Video vom Treiben einer Bürgerwehr gedreht wurde, damit mal ein Video vom Treiben einer Bürgerwehr gedreht wurde. Prügel-Lesson für Lügenpresse, die den Spaß immerhin vorsichtiger anfasst als die ortszuständige Polizeidirektion. Die findet „das Festhalten des Asylbewerbers sinnvoll“. Wenn ich das nächste Mal bei Rot über die Ampel hämmere, überlasse ich die moralisch einfühlsame Begründung gern den örtlichen Polizeidienstkräften.

Jedes siebte Kind wächst in Deutschland am Rande des Existenzminimums auf. Topaussichten?

Ungerechtigkeit muss man lange ziehen lassen, dann kommt ein Schmarotzer und stellt den Regler von „oben – unten“ auf „drinnen – draußen“, und die Aggression wendet sich gegen alles, was man irgendwie „anders“ finden kann. So gesehen führt ein roter Faden von der Unwucht der Agendapolitik zu den Wahlerfolgen der Rechten. Und jetzt Hokuspokus Sozialpolitik: Genau da findet sich auch das Mittel zur Bekämpfung der Rechten.

Endlich Sample-Freiheit. Was wollten Sie immer schon mal verwursten?

Die Vorinstanz Bundesgerichtshof – gerade im HipHop eine der führenden Mächte – hatte Moses Pelham salomonisch beschieden: Er dürfe das umstrittene „Kraftwerk“-Sample von zwei Sekunden nur klauen, wenn es nicht „gleichwertig nachgespielt“ werden könne. Denkt man an das markante Intro von Police’ „Every breath you take“, haben sich das wohl inzwischen Tausende von Gitarristen lizenzfrei draufgeschafft – so oft hört man es. Oder sie haben höflich bei The Police nachgefragt und einen Obolus bezahlt. Jedenfalls wirft das noch hippere Bundesverfassungsgericht die Vorinstanz um und erlaubt das Plagiat. Das befremdet, denn hier sagen die Richter: Zwei Sekunden Kraftwerk darf man klauen – für drei Sekunden dagegen hat die Band dunnemals 400.000 Mark bekommen, das Jingle der „Expo 2000“. Das Urteil ist respektlos gegenüber urhebenden Künstlern, ich möchte es nicht gerappt bekommen.

Marco Reus ist verletzt – und verpasst die EM. Ein aufmunterndes Wort?

Mit jedem Problem sinkt die Gefahr, zu Bayern zu müssen.

Und was machen die Borussen?

Im finalen Kader zur EM sechs Bayern, ein Dortmunder. Fußball an sich ist auch überbewertet.

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Jahrgang: gut. Deutscher Journalist, Autor und Fernsehproduzent. Seit 2003 schreibt Friedrich Küppersbusch die wöchentliche Interview-Kolumne der taz „Wie geht es uns, Herr Küppersbusch?".

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