Die Woche: Wie geht es uns, Herr Küppersbusch?
Die Konservativen leiden unter Herzversagen, die Sozialdemokraten unter Hirnversagen. Und die Salafisten müssen noch einiges nachholen.
t az: Herr Küppersbusch, was war schlecht in der vergangenen Woche?
Friedrich Küppersbusch: Wenn Griechenland durch ist, müssen die wieder Politik machen.
Was wird besser in dieser?
Opfert sich Portugal? Irland?
USA und Iran haben eine Einigung im Atomstreit erzielt. Steht uns eine „bessere Zukunft“ bevor, wie der iranische Präsident Hassan Rohani prophezeit?
Obama ist auf der Ehrenrunde. Well done! 1 bis 2 Prozent Friedensnobelpreis nachbegründet.
Mit „Gut leben in Deutschland“ ist Merkels Sommer-Promo-Tour betitelt. Doch für ein weinendes palästinensisches Mädchen, dessen Familie abgeschoben werden soll, hat die Kanzlerin lediglich ein paar hohle Phrasen und ein Schultertätscheln übrig. Ist Merkel nun enttarnt?
Verirrt. Merkels Trostwort: „Du hast das doch prima gemacht“, adressierte das Mädchen als Mitperformerin, als Darstellerin in einer gemeinsamen Darbietung. Abklatschen hinter der Bühne unter Profis. Dem Mädchen hingegen war nicht ganz so Ohnsorg ums Herz, es wähnte sich in der Realität. Da war es in leiblicher Anwesenheit Merkels allein. „Bürgerdialog“ sagt konkludent, dass eine Nichtbürgerin wie das Mädchen mit dem „Format“ auch nicht gemeint ist.
Griechenland ist zu Kreuze gekrochen und hat alle Reformvorgaben der EU akzeptiert. High Five für die Bundesregierung?
Unterschriebe ein(e) deutsche(r) KanzlerIn, was Tsipras zu unterschreiben sich gezwungen sah, würde der Vorwurf „Hochverrat“ aus dem Verschwörerkeller ausbrechen: „The (Greek) government needs to consult and agree with the Institutions on all draft legislation in relevant areas with adequate time before submitting it for public consultation or to Parliament.“ – Laut Abschluss-Statement des EU-Gipfels ist der Souverän Griechenlands nun „the Institutions“. Alle „relevanten“ Gesetze und Vorlagen erreichen die griechische Öffentlichkeit und das Parlament erst, wenn sie „agreed“ sind, also vereinbart.
Dazu Jürgen Habermas im Guardian: „I fear that the German government, including its social democratic faction, have gambled away in one night all the political capital that a better Germany had accumulated in half a century.” 2006 waren wir Sommermärchendeutschen stoned vor Überraschung, wie nett ausgerechnet uns ausgerechnet alle anderen fanden. Tsipras hat mit enormem Geschick das Dogma der „Alternativlosigkeit“ zerrissen – dummerweise, ohne eine Alternative zu bieten. Die Konservativen haben Herzversagen, die Sozialdemokratischen, schlimmer: Hirnversagen. Die Chance, einen europäischen Sozialstaat zu begründen, wehte durch den Raum. Merkel, anders als Kohl, ergriff den Mantel der Geschichte nicht.
Der Abschuss der malaysischen Maschine auf Flug MH17 über der Ukraine jährt sich zum ersten Mal. Prorussische Separatisten sollen für den Abschuss zuständig sein. Die niederländischen Behörden hatten einen Untersuchungsbericht angekündigt. Der ist aber doch noch nicht fertig. Was zum Kuckuck ist das Problem?
Alle wissen bereits, wie sie ein mögliches Untersuchungsergebnis instrumentalisieren wollen. Das haben sie auch ohne Ergebnis längst getan. Zum Vergleich: Auch der andere über dem Meer verschollene Malaysian-Air-Flug ist bis heute ungeklärt, und – who cares?
Ein ums andere Flüchtlingsheim brennt. Bis Juni registrierte das Bundesinnenministerium 150 Angriffe auf Flüchtlingsunterkünfte. 2014 waren es bundesweit 170 Attacken. Und alle so: Was soll ’s?
Ja, laut aktuellem Verfassungsschutzbericht ist die größte Bedrohung der inneren Sicherheit der „Salafismus“. Wenn der Bericht nicht korrigiert wird, hat der Salafist ordentlich nachzuholen.
Die Raumsonde „New Horizons“ hat endlich den Planeten Pluto fotografiert. Besonders gemütlich scheint es dort nicht zu sein. Warum flippen trotzdem alle aus?
Nach dem Poststreik sind wir genügsam geworden, wenn 9 Jahre nach Abschicken die ersten Nachrichten ankommen.
Sieben ehemalige Fifa-Funktionäre hatten die Schweizer Behörden im Mai verhaftet. Sie sollen in die Korruptionsaffäre des Verbands verstrickt sein. Jetzt wurde der erste von ihnen an die ermittelnden US-Justizbehörden ausgeliefert. Freuen Sie sich schon auf das Spektakel?
Ich freu mich, wenn sie die WM in Katar absagen. Alles drunter ist Schminke. Und geschminkte Fußballer sind peinlich (Ronaldo.)
Und was machen die Borussen?
Tuchel ist der richtige Mann. Im ersten echten Testspiel gegen Bochum ließen die Jungs genau so viele Chancen aus wie unter Klopp und verloren.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Greenpeace-Mitarbeiter über Aufrüstung
„Das 2-Prozent-Ziel ist willkürlich gesetzt“
Selbstzerstörung der FDP
Die Luft wird jetzt auch für Lindner dünn
Rücktritte an der FDP-Spitze
Generalsekretär in offener Feldschlacht gefallen
Keith Kelloggs Wege aus dem Krieg
Immer für eine Überraschung gut
Ampel-Intrige der FDP
Jetzt reicht es sogar Strack-Zimmermann
Stellungnahme im Bundestag vorgelegt
Rechtsexperten stützen AfD-Verbotsantrag