Die "Weiter so"-Politik der SPD: „Wir werden kämpfen müssen“

SPD-Chef Dieter Reinken über Machtdemonstration, die Schuldenbremse, eine Rekommunalisierung der Abfallwirtschaft und fehlende Wohnungsnot.

"Sehr selbstbewusst": SPD-Chef Dieter Reinken Bild: Lena Kaiser

taz: Herr Reinken, hat dieser Wahlkampf, Ihr erster als Parteichef, überhaupt seinen Namen verdient?

Dieter Reinken: Wir gehen sehr selbstbewusst in den Wahlkampf, weil wir die gute Arbeit, die wir in den letzten Jahren gemacht haben, fortsetzen wollen.

Klingt unbescheiden!

Es ist sicher Sache der Wähler, zu entscheiden, wem sie ihre Stimmen geben – auch vor dem Hintergrund unseres neuen und nicht ganz einfachen Wahlverfahrens.

Die SPD hat den Zorn der anderen Parteien auf sich gezogen, weil sie im Alleingang die Wahlplakate erst sechs Wochen vor der Wahl aufgehängt hat. Eine Machtdemonstration, weil Sie es nicht nötig haben?

Es gab ja eine Initiative der Grünen, die Plakatierung zeitlich und in der Form einzuschränken. Wir haben diesen Vorschlag aufgegriffen und den anderen Parteien vorgeschlagen, die Idee der zeitlichen Begrenzung der Plakatierung umzusetzen. Dazu ist es nicht gekommen.

Warum?

Ich möchte da jetzt keine Schuldzuweisungen machen. Das ist auch völlig uninteressant. Wir haben gesagt, dass wir den Zeitraum einschränken und uns daran halten. Wir wollten damit keine Stärke demonstrieren.

62, ist seit 1995 in der SPD, für die er seit 2011in der Bremischen Bürgerschaft sitzt. 2014 wurde er als SPD- Landesvorsitzender Nachfolger von Andreas Bovenschulte. Von 1973 bis 1990 arbeitete er bei den Klöckner-Werken in Bremen, seit 1978 als Mitglied des Betriebsrates. Anschließend war er bei der IG Metall beschäftigt.

Gibt es nun also mehr Plakate in weniger Zeit?

Wir haben die Menge der letzten Wahl zum Maßstab genommen.

Inhaltlich setzen Sie dabei auf die ganz großen Schlagworte.

Die großen Leitthemen sind Wirtschaft und Arbeit, gute Bildung von Anfang an – also Kindertagesstätten und Bildungspolitik, Wohnen und der soziale Zusammenhalt.

Die nächste Legislatur wird bestimmt von der Schuldenbremse. Bleibt da noch politischer Handlungsspielraum?

Ich würde das nicht auf die Schuldenbremse kaprizieren. Beim Länderfinanzausgleich setzen wir darauf, dass der Pfad, mit anderen Bundesländern zu einer Regelung zu kommen, fortgesetzt wird. Wir wollen Regelungen, die für Stadtstaaten und Bremen insgesamt gut sind. Aber die Schuldenbremse hat Verfassungsrang. Wir müssen uns darauf einstellen, mit ihr zu leben.

Den Gürtel enger schnallen?

Wir sind gegenwärtig in der Situation, dass wir die Verschuldung Jahr für Jahr zurückfahren müssen, um die 300 Millionen Euro zu bekommen. Wir werden uns im Rahmen des Sanierungspfades, wie er vorgeschrieben ist, auch in den nächsten Jahren bewegen müssen. Und wir werden parallel sehr intensiv dafür kämpfen müssen, dass die bundesstaatlichen Länderfinanzregeln für Bremen besser ausfallen. Wie kompliziert das wird, sieht man aber auch an dem Vorschlag von Winfried Kretschmann zum Soli…

Der grüne Ministerpräsident aus Baden-Württemberg hat vorgeschlagen, am Soli festzuhalten, aber den Ländern die Unterkunftskosten von Hartz-IV-Empfängern aufzudrücken. Bremens grüne Finanzsenatorin Karoline Linnert kritisierte, dass so ärmere Länder ungleich belastet würden.

Postwendend wurde der Vorschlag – völlig zurecht – von seiner Parteikollegin als nicht praktikabel und schädlich für die Stadtstaaten zurückgewiesen. Quer durch alle Parteien haben wir also durch die Ebenen von Bund, Länder, Kommunen völlig unterschiedliche Interessen. Ich habe auch mit großem Interesse gelesen, dass auch der neue linke thüringische Ministerpräsident Bodo Ramelow nicht gedenkt, in die Neuverschuldung zu gehen, und am Konsolidierungskurs festhält.

Heißt das nicht, es ist letztlich egal, wen man wählt?

Natürlich nicht. Wir sind aber an den Sanierungspfad gebunden. Es ist abwegig zu sagen, dass wir von Bremen aus die Schuldenbremse in die Tonne treten.

Die Linke sagt, Bremen müsse die Spielräume ausreizen und höher pokern, weil der Bund auch verhindern will, dass das erste Bundesland die Schuldenbremse nicht packt.

Auch auf europäischer Ebene ist das letzte Wort über die Schuldenbremse noch nicht gesprochen. Wir brauchen ja öffentliche Investitionen, insbesondere im Bereich der Infrastruktur und Zukunftsinvestitionen, damit unser gesellschaftlicher Kapitalstock nicht vernichtet wird. Dass wir aber von Bremen aus glauben, diese Regel zu kippen, ist unvorstellbar. Mit uns wird es darüber keine Diskussionen geben.

Aber wenn der Haushalt keine Spielräume mehr zulässt, wie Linnert sagt, können Sie keine Wahlversprechen machen.

Wir machen auch keine großen Versprechungen. Wir beschreiben ein paar Kernziele, die wir erreichen wollen.

Welche sind das?

Im Bereich der Bildung setzen wir den 100-prozentigen Ausgleich bei Schwangerschaftsvertretungen durch. Das kriegen wir hin. Beim Ausbau der Grundschulen zu Ganztagsschulen sind wir im Moment bei etwa 40 Prozent, das wollen wir in den nächsten vier Jahren auf hundert Prozent bringen.

Mehr als die Grundschulen ist also nicht drin?

Im Bereich der Grundschulen schaffen wir das.

Wie viel neues Personal bräuchten Sie dafür?

Das hängt davon ab, in welcher Geschwindigkeit man das macht. Dazu brauchen wir nach der Wahl einen genauen Plan, wie wir das umsetzen. Wir müssen ja auch in die Räumlichkeiten investieren.

Bei der Rekommunalisierung der Abfallwirtschaft grätscht Ver.di Ihnen in den Wahlkampf und bezeichnet Ihre Pläne als „Mogelpackung“. Ärgert Sie das als Gewerkschafter?

Das ärgert mich nicht. Wir haben da mit Ver.di eine strittige Diskussion. Dass Ver.di den Wahlkampf nutzt, um sich zu positionieren und dafür zu werben, ist nachvollziehbar. Gewerkschaften sind Interessenverbände ihrer Mitglieder – und wir sind die Partei, die in Bremen die politische Verantwortung trägt. Wir halten den Weg, den wir im Landesvorstand der SPD beschlossen haben, für den richtigen Weg.

Sie wollen die Müllabfuhr als Anstalt öffentlichen Rechts organisieren.

Die Entscheidung, die Abfallwirtschaft und die Straßenreinigung zu privatisieren, ist vor über 20 Jahren getroffen worden. Und 2018 wird dann 20 Jahre praktiziert. Das heißt auch, dass wir zu wenig Kompetenz haben, ein Unternehmen so zu führen, dass wir die Aufgabe ab 2018 übernehmen können. Die Anstalt des öffentlichen Rechts ist für uns eher ein Zwischenschritt. Die Zusammenarbeit mit Privaten ist im Übrigen nicht neu, in Hamburg wird das in Teilbereichen auch so gemacht.

Die SPD will Bauherrn, die öffentliche Flächen kaufen, verpflichten, mindestens ein Viertel Sozialwohnungen zu bauen. Reicht das aus?

Das haben wir mit der Wohnungswirtschaft so besprochen und das wird auch schon Stück für Stück realisiert. Das Neubauprojekt Marcuskaje in der Überseestadt ist ein Beispiel dafür. In Bremen müssen wir ja noch nicht von einer Wohnungsnot reden, aber natürlich ist eine wesentliche Voraussetzung dafür, dass die nicht eintritt und dass nicht wie in Hamburg überteuerte Mieten verlangt werden, ein ausreichendes Angebot an Wohnraum.

In Bremen gibt es ja traditionell viele Sozialwohnungen, bei denen laufen die Mietpreisbindungen aber mit der Zeit aus.

Das ist natürlich ein Problem. Wir glauben aber, dass unser Programm erst einmal ausreicht. Es ist aber klar, dass an einen Verkauf der öffentlichen Wohnungsunternehmen, wie er früher von der CDU gefordert wurde, in Bremen nicht zu denken ist. Es ist leider nicht gelungen, bei dem Teilverkauf der Grohner Düne mit dem Verkäufer über die Gewoba ins Geschäft zu kommen. Wir hätten es in diesem sozialen Brennpunktgebiet gerne gesehen, wenn die Gewoba zur Stadtentwicklungspolitik beitragen kann.

Sie wollen stärker gegen nachlässige Investoren durchgreifen. Wie?

Wir haben in diesem Jahr bereits das Wohnungsaufsichtsgesetz verabschiedet, in dem wir verbesserte Eingriffsmöglichkeiten des Staates formulieren, wenn Immobilienbesitzer ihre Pflichten sträflich vernachlässigen und Wohnraum verkommen lassen. Da gibt es Spielräume im Gesetz.

Apropos Ordnung: Der SPD-Innensenator hat kürzlich etwas getan, was Politiker gerne meiden: Er hat beim Anti-Terror-Einsatz Fehler eingestanden.

Das ist auch völlig richtig, er hat aber auch den Weg gewählt, den ehemaligen Staatsanwalt Klein mit den Ermittlungen zu beauftragen, um Fehler aufzuarbeiten. Wir werden zeitnah einen Bericht kriegen und bewerten, was aufgearbeitet werden muss.

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