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Die WahrheitNeues aus der Daily Soap

Der neueste Trend soll ausgerechnet das Sich-Säubern mit Seife sein, diese gute alte Reinigungssubstanz in einer meist handschmeichlerischen Form.

W enn nun so nach und nach alle gedruckten Zeitungen vom Markt verschwinden, hat das sowohl Vor- als auch Nachteile. Ein Phänomen, das ich bestätigen kann. Denn zum Beispiel verschwinden Zeitungen nicht nur vom Markt, sondern auch aus meinem Wohnumfeld, in dem sich derzeit noch Stapel ungelesener Gazetten neben meinem Sofa auftürmen. Sauber, wenn die endlich mal abgetragen sind, aber auch schade, weil sich darin manchmal merkwürdige Trouvaillen finden – wie Trouvaillen es zu tun pflegen.

So stieß ich unlängst in einem der besagten Stapel auf eine „Kaufdownanzeigenveröffentlichung“ einer renommierten süddeutschen Tageszeitung. Keine Ahnung, warum ich die aufbewahrt hatte. Zwar spricht mich das Thema grundsätzlich an: „Freude pur“ will auch ich immer haben, was dann aber als „Wellness & Spa“ empfohlen wird, ist nicht so ganz mein Ding. Hotelaufenthalte mit „Apparativen Treatments“ für „Better Aging“, „Rooftop-Whirlpools“ und „Good Mood Food“ brauche ich nicht wirklich. Also ab in den Papierkorb.

Aber halt – da hatte ich auf der Titelseite was mit Textmarker unterlegt: „Sauber mit Seife. Klassische Körperpflege liegt voll im Trend.“ Weil das ja bedeutete: Ausnahmsweise liege auch ich mal voll im Trend. Denn mit Seife mache ich mich sauber, seit ich in der Lage bin, mich schmutzig zu machen. Zeit meines Lebens liegt auf den Küchen- und Badezimmerwaschbecken immer ein Stück Seife zum Saubermachen. Und ich wusste gar nicht, dass das, was jetzt wieder in ist, mal out war.

„Dabei ist es noch gar nicht lange her, dass es einzig und allein Seife gab. Noch die Großeltern wuschen damit Haut wie Haare“, heißt es dann hinten in der Beilage. Hm, noch nicht lange her, aber irgendwie doch bei Oma & Opa? Genauer gesagt waren „bis in die 1970er-Jahre in praktisch jedem Haushalt eine Fenjala, eine Lux oder eine nach Lavendel duftende Mouson-Feinseife zu finden“.

Genau. Das hatte ich auch, gern auch die bewährte Fa wegen ihrer handschmeichlerischen Form. Jetzt kaufe ich aber auch mal am olfaktorisch gegen den Glühwein- und Bratwurstmief anduftenden Seifenstand auf dem Weihnachtsmarkt etwas Ausgefallenes wie zum Beispiel eine Seife in einer hübschen Blechdose mit einem Eselsbild auf dem Deckel. Und nun also „erleben die klassischen Seifenstücke ein Comeback“, wegen ihres „Retro-Charmes“!

Wofür steht der charmante Retro-Trend? Slow Living? Neue Bescheidenheit ob der Verarmung des Landes? Und wohin führt er? Wird die Jugend der Republik in Seifenkisten dem Abgrund entgegenrasen? Stehen künftig nur noch Seifenopern auf den Programmzetteln der Tonkunsthäuser? Erleben die Anarcho-Comics von Gerhard Sei- … nein, Seyfried eine Renaissance? Oder platzt der Hype wie eine Seifenblase? Was auch kommen mag: Ich werden weiterhin meine Hände in Seife waschen. Und was macht die Seife? „Die Seife lacht“ (Ringelnatz).

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