Die Wahrheit: Superheld in Adiletten
Immer noch unterwegs: Nachfolgend und letztgültig die Typenbeschreibung zum PATRIARCHAT-MANN. Still ist es um ihn geworden, kein Wunder das.
I st es eine Drohne? Ist es ein schräger Vogel? Nein, es ist …PATRIARCHAT-MANN! Früher erschien er noch häufiger als heute, und das in kräftigen Farben. Schwarz die Jogginghose, rot das Hemdchen mit dem eingestickten P, gelb das weite Cape. Heute erscheint er eher wie mit zittrigem Strich gezeichnet, als wäre er eine Figur von Hauck und Bauer. Im Grunde erscheint er aber halt kaum noch, weil er seit Jahrzehnten bekämpft wird, sich missverstanden fühlt und verständlicherweise auch ein bisschen verletzt ist.
Patriarchat-Mann lebt in einer Zitadelle mit gläsernem Boden und Wänden aus alten Autoreifen. Sein ganzer Stolz ist eine Sammlung selbst gebastelter Modellflugzeuge, ausgeblichener T-Shirts von Harley-Davidson sowie erlesener Alkoholika. Gerne erklärt er seinen Besucher*innen den Unterschied zwischen Whisky und Whiskey. Leider wird er selten besucht – eigentlich gar nicht mehr, seit sein Kumpel Prostata-Mann aus irgendwelchen Gründen nicht mehr anruft. Er ist sehr gepflegt, rasiert sich sogar den Intimbereich.
Es gab mal eine Zeit, da war er sehr gefragt. Wenn es darum ging, Schlachten zu gewinnen, vakante Vorstandsposten zu besetzen oder geschmackvolle Aktfotografien unbekleideter Damen in Bauwagen aufzuhängen. Er war nachweislich der Einzige, der große Ölgemälde malen, literarische Epen schreiben und Fortschritte in der experimentellen Quantenphysik erzielen konnte. Bei Bedarf brachte er sogar von unterwegs noch Snacks von der Tankstelle mit, darüber hat sich auch niemand beschwert.
Tiefergelegter Opel Omega
Aber der Wind hat sich gedreht. Es ist einsam geworden um Patriarchat-Mann, einsam und still. Sein tiefergelegter Opel Omega, das legendäre P-Mobil, steht meistens in der Garage. Es werden ihm keine Oden mehr gesungen, keine Blütenblätter auf den Weg gestreut. In seinen großen Zeiten war das anders. Da lag ihm die ganze Welt zu Füßen. Noch heute hat er perfekt pedikürte Fußnägel, die in seinen Adiletten gut zur Geltung kommen.
Im Einsatz ist er heutzutage eigentlich nur noch in Ausnahmefällen, etwa, wenn unbedarfte Frauen mit intensiver Dringlichkeit einen komplizierten Sachverhalt erklärt bekommen wollen. Dafür ist sich Patriarchat-Mann nicht zu schade. Manchmal sieht man ihn gedankenverloren und in der vollen U-Bahn sitzen, da erkennt man ihn an den weit gespreizten Beinen.
So weit spreizt sonst keiner, das ist schon sehenswert. Hin und wieder trägt er betagten Damen die schweren Einkaufstüten in den fünften Stock, stimmt ihr Klavier, füttert den Kanarienvogel und beseitigt die Verstopfung im Badezimmer. Angebote, sich dabei auszuziehen, lehnt er dankend ab. Er hat seinen Stolz.
Neulich auf der nächtlichen Landstraße hätte er einer liegengebliebenen Autofahrerin im Regen beinahe den Reifen gewechselt. Sie hat das dann aber einfach selbst gemacht.
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