Die Wahrheit: Unglücksraben mit Schleudertrauma
Mit Auffahrunfällen ist nicht zu spaßen. Mit Gerichten auch nicht. Und mit der Familie Gaynor in Irland schon gar nicht.
M anche Familien haben einfach Pech. Frank Gaynor und seine Frau Sylvia, beide 60 Jahre alt, hatten in der Vergangenheit nach aus ihrer Sicht unverschuldeten Unfällen bereits 26 Mal erfolgreich auf Schadenersatz geklagt und versuchten es nun ein 27. Mal. Ihnen ist nämlich schon wieder jemand von hinten ins Auto gefahren, was bei beiden Schleudertraumata verursacht haben soll.
Die Töchter Nicole und Jazmin sowie die Söhne Frank Junior und Reece, die ebenfalls im Auto saßen, forderten auch jeweils 60.000 Euro Schmerzensgeld. Der Prozess zog sich seit sieben Jahren hin. Brian Stenson, der den Gaynors hinten aufgefahren war, beteuerte, er habe den Wagen nur touchiert. Das Verletzungsausmaß könne unmöglich durch eine solche Kollision entstanden sein.
Mit einem Schleudertrauma nach einem Auffahrunfall ist nicht zu spaßen. Áine, der Gattin, ist das vor vielen Jahren an einer roten Ampel in Dublin passiert. Der Schaden am Auto war beträchtlich, wir mussten für die Reparatur einen Kredit aufnehmen, bis die gegnerische Versicherung zahlte. Kaum war das Auto repariert, da fuhr ein anderer Áine an derselben roten Ampel von hinten ins Auto. Die Schadenshöhe war auf den Penny genau identisch mit dem ersten Unfall.
Wieder musste ein Kredit aufgenommen werden, doch diesmal bockte der Bankangestellte. Er glaubte nicht, dass das Auto vorübergehend repariert worden war, denn es sah genauso aus wie nach dem ersten Unfall. Und der Automechaniker zweifelte an seinem Verstand. Er glaubte, er habe die Reparatur lediglich geträumt. Am Ende bekam Áine Schadenersatz, die Versicherungen der beiden Unfallverursacher hatten zusammengelegt, aber das Schleudertrauma macht sich heute noch bisweilen bemerkbar.
Kein Vertrauen in die Klienten
Bei den Gaynors ging es hingegen schief. Im vergangenen Oktober legte ihr Anwalt sein Mandat „wegen mangelnden Vertrauens in seine Klienten“ nieder. Stensons Anwalt Paul McMorrow meinte, dass die Familie durchaus in der Lage sei, sich auch ohne Anwalt zu vertreten, da sie mit Gerichtsverfahren aufgrund der 26 früheren Schadensfälle gut vertraut sei.
Die Gaynors ließen sich aber vor Gericht nicht mehr blicken. Offenbar ahnten sie, was auf sie zukommen würde. Richter Callan sagte, das Gericht habe zur Kenntnis genommen, dass die Fälle bereits zweimal zur Verhandlung angesetzt worden seien. Es sei jedoch niemand erschienen, um zu erklären, dass der Prozess um den Schadenersatz weiterzuverfolgen sei.
Der Richter wies alle Klagen der Gaynors ab und legte jedem von ihnen die Gerichtskosten auf. Das summierte sich auf 150.000 Euro. Aber bei dem Pech, das diese Unglücksraben haben, wird sie bald wieder ein Missgeschick ereilen, sodass sie die Gerichtskosten mithilfe des Schadenersatzes, der ihnen dann bestimmt zugesprochen wird, begleichen können.
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