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Die WahrheitDas, wo sie drauf pfeifen

Neues von der Sprachkritik: Regelgerechte Relativpronomen sind im alltäglichen Gebrauch selbst bei angeblich niveauvollen Medien unüblich geworden.

Eine Person, auf welche ein Pronomen gern zeigt Foto: Reuters

Keine Bange! Für alle, die diese Glosse lesen, geht es mit einem Test los, welcher aber leicht zu bestehen ist. Es ist nicht mehr als ein Spielchen, was wir mit Ihnen spielen, und von den vier Fragen, wo wir eine Antwort wollen, müssen Sie nur eine verneinen. Wie also muss es heißen: a) das Relativpronomen, das einen Nebensatz einleitet? / b) das Relativpronomen, welches einen Nebensatz einleitet? / c) das Relativpronomen, was einen Nebensatz einleitet? / d) das Relativpronomen, wo einen Nebensatz einleitet?

Richtig sind b) bis d). Nur im Duden, wo ja manches Veraltete drinsteht, wird noch immer a) als Regel ausgegeben. Anders gesagt, genau das Relativpronomen, was im Schulunterricht gelehrt wird, ist im Alltag ungebräuchlich geworden – selbst große Zeitungen und öffentlich-rechtliche Sender, welche staatsvertragsgemäß auf Niveau achten sollen, pfeifen auf die traditionelle Grammatik, die wo den privaten Krawallsendern sowieso schnuppe ist.

In denen kommen die Formen, welche Gebildeten ziemen, nicht vor, während Letztgenannte sie traditionell verwenden, um Dopplungen zu vermeiden, die als Gestotter missverstanden werden könnten: „der Herr, welcher der Dame …“. Doch auch sonst gilt „welch + x“ schon seit Längerem als Ausweis von gutem Geschmack, Deutsch und vielleicht Dünkel und schmückt diejenigen, welchselbige es verwenden: „Der Schauspieler, Comedian und Kolumnist organisiert das Internationale Impro-Festival, welches zum 20. Mal stattfindet.“ Oder: „Die Politikerin Sahra Wagenknecht bekam jahrelang ‚nette Mails‘ von Rechtsextremist Gernot Mörig, welcher als Einlader für das Potsdamer Nazitreffen gilt.“

Weitaus häufiger wird das weniger prätentiöse Fragepronomen „was“ zum Relativpronomen umgenutzt. Meteorologen berichten vom „Hoch, was im Norden“ herrscht; Ökologen diskutieren „das Klimaschutzmodell, was erstellt worden ist“; Ökonomen klagen über „ein Land, was wirtschaftlich schwächelt“; Demonstranten kritisieren, dass „man ihnen das Papier nahm, was sie verteilen wollten“; und Mediziner kennen „ein Areal im Gehirn, was für Schmerz zuständig ist“, aber während es hier „ein Mittel, was hilft“, gibt, fehlt noch immer ein „Schlafmittel, was einen natürlichen Schlaf ermöglicht“.

Geschlafen im Unterricht

Wer im Duden-, das heißt, Deutschunterricht geschlafen hat, setzt das Interrogativpronomen. Wer aber aufgemerkt hat, benutzt es – und schon geht es daneben: „Hier bewahrt Altenkirch“, schreibt man dann über einen Sammler, „alles auf, das nicht ins Museum passt.“ Vertrackterweise gibt es nämlich Fallen und Fälle, wo wer oder was am Platz sind: Wenn es um alles oder nichts geht, wenn eine unbestimmte Menge sich im Satz breitmacht, sind „der, die, das“ viel zu bestimmt. Oder wenn sich das kleine Pronomen nicht auf ein großes Hauptwort, sondern ein schlankes Verb bezieht: Der Schriftsteller „Ledig wurde zu einem einjährigen Lehrgang an das Literaturinstitut Leipzig eingeladen, was er ablehnte“ – recht so! Der hier zitierte Schriftsteller Frank Witzel („Meine Literaturgeschichte des 20. Jahrhunderts“) weiß, was richtig ist, obwohl auch er nie an einem Literaturinstitut lesen und schreiben gelernt hat.

Das Pronomen „was“ hat allerdings einen Nachteil: Für eine adverbiale Ergänzung, für die eine Präposition vonnöten wäre, kann es nicht eingewechselt werden. Der Vorteil: Hier kann ein anderes Fragepronomen zweckentfremdet werden, wo immer Verlass ist. Deshalb gab es im Bundestag „eine öffentliche Anhörung, wo“ jemand befragt wurde, und im Fußball „ein Spiel, wo wir aufpassen müssen“; die Grüne Jugend benannte „viele von den Punkten, wo wir unzufrieden sind“, und Olaf Scholz will „gewinnen, auch aus einer Ausgangslage, wo wir hinten liegen“. Der Bonus: Dieses Wörtchen kann frei nach Albert Einstein statt einen Raum sogar die Zeit anzeigen: „Dienstag ist der Tag, wo immer die Fraktionen tagen“!

Und der Extrabonus: Das Fragepronömchen ist so frei, dass es auch in anderen Fällen zur freien Verfügung steht! Im Nominativ: „Beckenbauer war einer der Größten, wo es jemals im deutschen Fußball gab“, und im Akkusativ, denn es gibt „Dinge, wo man so nicht kennt“.

Es könnte also vom hochkomplizierten „der, die, das“ ausgehend über das einfachere „was“ beim noch kürzeren „wo“ enden. Doch halt: Der Genitiv scheint bisher nicht mitzuspielen. Hier muss nach wie vor das alte Relativpronomen ran! Wie also muss es heißen? Erinnern Sie sich: Es gilt hier jene steinalte Regel, a) deren ich mich erinnere / b) derem ich mich erinnere / c) dessen ich mich erinnere / d) derer ich mich erinnere.

Gehören Sie, liebe Leser, zu denjenigen welchen, die wo es wissen? Und die die Regel kennen, deren oder derer hier gedacht wurde?

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10 Kommentare

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  • Das falsche "wo" ist nur ein Markierer für peinliches Sprachschwäbeln. Die anderen Varianten schmerzen aber auch in der Retina.

    Karl Kraus machte sich vor rund hundert Jahren die Mühe, den Unterschied zwischen der/die/das und welcher/welche/welches zuzuspitzen.



    "..., welcher" ist keine genaue Bestimmung, sondern eine Art eingestreuter Ergänzung zu dem Vorigen.

  • Ich empfehle den lyrischen Sprachgebrauch, welcher das das vorzieht in den Hauptsatz und so elegant dem was Platz einräumt:

    „Hier bewahrt Altenkirch all das auf, was nicht ins Museum passt.“

    Nur so klingt der Gebrauch des was als Relativpronomen nicht nur elegant, sondern auch logisch! „Hier bewahrt Altenkirch alles auf, das nicht ins Museum passt“ hingegen ist weder elegant noch logisch, da in jenem Hier eben nicht Alles lagert, sondern der sehenswerte Teil von diesem Alles im Museum sichtbar präsentiert ist. Und das was reimt sich auf das das, womit wir bei Rudi Carrell wären, also demjenigen, der den Goethe gut fand wegen dessen gekonntem Reimen.

    Dabei ist das das das, das das, was das was bedeutet, spezifiziert, das all also nur eine Ausschmückung, und das was das, was die Antwort auf die etwaig aufkommen könnende Frage nach dem, was das das denn sei, einleitet, ohne dafür prominent einen Hauptsatz zu beanspruchen, geschweige dass die Frage überhaupt erst gestellt werden muss.

    Kürzewürze, das-was-Reim, Ausschmückung - dichterische Freiheit, welche in diesem Falle elegant für Klarheit sorgt. Was beweist: Wie arm wäre unsere Sprache doch ohne die Poesie.

    • @Uwe Kulick:

      May be. “…womit wir bei Rudi Carrell wären, also demjenigen, der den Goethe gut fand wegen dessen gekonntem Reimen.“

      Der Mopser? Ah geh!



      In Holland Mopser geannt - weil er nie eigenen Gag hingekriegt - sondern nur gemopste am Start hat.



      “Anders als sein Vater: Ein ganz schlechter Kabarettist…(WDR Kölner Treff Bettina Böttinger suchte zu intervenieren;) …ein ganz schlechter Kabaretist! Ich kann das beurteilen!



      Hab mit beiden getourt!“ Han Bennink 🥁 - “der alte Gauner & friend;)



      …anschließe mich



      (das anschließend: “🎶🎵🎶 sind Vogelscheiße auf Papier“ eröffnete Bettina den eleganten Übergang!;))

  • nein, diese Regeln kannte ich nicht. :)



    aber der Satz: "Das Hoch, was im Norden herrscht", klingt richtig falsch Es ist mir auch noch nicht bewußt aufgefallen, dass das so benutzt wird. Aber manchmal ersetze ich gehörte Wörte simultan durch mir genehme, z.B. höre ich immer Sonnabend, egal was das Gegenüber sagt... :)

  • Echt eine schöne Glosse, wo sie geschrieben haben! Und als nächstes dann bitte eine über die Kasuskongruenz der Apposition, "dem" häufigsten Fehler der gesamten Journaille.

  • Alles klar - der Ball, wo ich gestern ins Tor geschossen habe, war rund.

    Amüsiert gelesen. Danke.

    unterm——



    Schön - daß meine Schreibarbeiten in staatlicher Ägide weniger etwelchen Duden Deutschlehrern Dödeln geschuldet waren - als vielmehr meinen Eltern - ihrer Sprache.



    Die Mutter*04 als Braaanschwagerin des betuchten Bildungsbürgertums - eh klar.



    Und de Ohl*03 - “Krögers Hans“ erste Fremdsprache Hochdeutsch - von gelassener Genauigkeit in Hochdeutsch Plattdütsch Spanisch Englisch (gern auch Latein Alt-Griechisch**).



    Was in der Sprache - wie im übrigen auch in der Musik - den uneinholbaren Vorteil hat - keinen Zerberus im Nacken zu haben - sondern: “…der Duden bin ich - wer denn sonst!“;) - 🙀🥳 -

    unterm—-2



    ** Der olle Koofmich rettete - mir drohte das 2x Backenbleiben nacheinander - im 🐈‍⬛ 🐈 🐈‍⬛ Museum. Unserer Penne + Großonkel.



    Das anschließende Blätterrauschen “…der kann ja besser Latein & Griechisch als wir!“ quittierte er so: “Na Jung. Nun hör mal zu: Jede Woche ne Lateinarbeit - immer vom deutschen ins lateinische; alle 2 Wochen ne Griechischarbeit!



    Dann soll man es ja irgendwann gefressen haben!“



    (3x eines Thomas Mann - war mir nicht vergönnt - dafür aber Abi.

    • @Lowandorder:

      Was soll Ihr Nickname uns sagen?

      • @UNGUIS:

        Tja who know‘s - bin ganz 👂! Woll

  • Schade ... durch so einen Text wird die Verunsicherung bei manchen Lesern noch größer als zuvor, denn nirgends wird das Falsche/Schlunzige dem Richtigen/Eleganten gegenübergestellt.

    Warum bei der ersten Frage die Antwort b), c) und d) richtig sein soll, erschließt sich mir (ohne einen Hinweis auf Ironie) nicht.

    Ach, wo wir schon dabei sind:



    Streng genommen handelt es sich bei den "vier Fragen" lediglich um eine einzige mit vier gesetzten Antwortmöglichkeiten.



    Und vor und nach einem Schrägstrich kommen keine Leerzeichen!

    Schönen Tag noch.

  • Alles, was das Herz begehrt!😀✏️🎶💐😇