Die Wahrheit: Nackter Schneekerl mit Schal und Sixpack
Seltsame Filmbeschreibungen gibt es viele. Aber wer ist eigentlich dieser „Hot Frosty“? Offenbar ein merkwürdiger Schmelzmann aus einer RomCom.
Z ugegeben: Ich bin leicht zu kriegen. Da braucht nur ein einziger erstaunlicher Satz in einer Filminhaltsangabe aufzutauchen, und schon hänge ich am Haken. Nicht mal vorhersehbare RomComs schrecken mich ab.
Zu einer weihnachtlichen Streamingproduktion namens „Hot Frosty“ las ich neulich folgende Ankündigung: „Der Zauberschal einer jungen Witwe erweckt einen attraktiven Schneemann zum Leben. Kann sie Romantik, Freude und Weihnachtsstimmung wiedererleben, bevor er schmilzt?“
O Himmel, Herrgott und Frau Holle, ob sie das kann!? Ich spoilere mal: Der „attraktive Schneemann“ schafft es mit Hilfe des „Zauberschals“ tatsächlich, das mittlerweile recht kalte Herz der „jungen Witwe“ zu erobern. Und das alles als Realfilm – jener Schneemann hat somit nichts von „Olaf“, dem schielenden Schneemann und Sidekick aus Disneys von Hans Christian Andersen abgekupfertem Animationsmusical „Frozen“.
Auch mit dem seit Jahrzehnten durch den angelsächsischen Sprachraum trampelnden „Abominable Snowman“, den man hier „Yeti“ nennt, verbindet den SnowBloke nichts. Stattdessen handelt es sich bei „Hot Frosty“ um einen bis auf den Schal nackten jungen Mann mit Sixpack, der lächelnd durch eine vor adventssinnigem Schlittenglockengeläut schier berstende Kleinstadt irrt und Eiswürfel schlucken muss, um die Temperatur des Athletenkörpers unter null zu halten. Am Ende küsst man und schmilzt kollektiv dahin – sinnbildlich.
Dabei weisen absurde Klappentexte keinesfalls stets auf das RomCom-Genre hin. Auch misogyne Thriller werden zuweilen gern mit erstaunlichen Sprachbildern interessant gemacht. An einem schlaflosen Abend las ich letztens die Filmankündigung: „In der Model-Szene von Miami geht die Angst um. Mehrere Frauen sind verschwunden …“
Mal abgesehen davon, dass es keine „Model-Szene“ gibt, denn anders als von sexistischen Drehbuchautorengehirnen erträumt, leben nicht alle Supermodels dieser Welt in Wohngemeinschaften und posen abends leicht bekleidet in ihren hell erleuchteten Wohnzimmern; mal auch abgesehen vom zweiten Buzzword „Miami“ – denn falls die Supermodel-WG doch irgendwo ihre Bikinis spazieren führt, dann jawohl an den Sandy Beaches dieser viel zu heißen Südküstenmetropole –, also von all dem mal abgesehen, reproduziert so ein Narrativ das klassische weibliche Opfer. Und bietet zudem jede Menge Gelegenheiten für langsame Kameraschwenks über Modelkörper. Der Unterschied zwischen dem knapp bekleideten (Schnee-)Mann, der zum Leben erweckt wird, und den knapp bekleideten Frauen, deren Leben in Gefahr gerät, ist symptomatisch.
Da lobe ich mir doch eine Tagline wie beim zweiten Teil des Kinderfilms „Die Heinzels“: „Neue Mützen, neue Mission“. Auch ein knappes Kleidungsstück, auch ein Abenteuer. Aber immerhin keine (Heinzel-)Männchen.
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