Die Wahrheit: Hubert Swift
Lebenslänglich Bayer: Es ist ein Kreuz mit dem Aiwanger. Bauern, Spediteure und andere Jünger sehen im Führer der Freien Wähler den Heiland.
H ubert Aiwanger ist der Taylor Swift der bayerischen Politik. Wo er auftaucht, kreischen die Menschen. Seine Tournee führt ihn von einem Open-Air-Festival zum anderen. Es sind Bauern, Spediteure und andere Freunde des Verbrennens, die in ihm den Heiland sehen. Ihre „Hubsi“-Sprechchöre sind der Soundtrack dieser kalten Tage.
Ob er es wohl rechtzeitig schaffen wird? Das fragten sich Hunderte seiner Fans, die Mitte Januar und mit riesigen Lastkraftwagen nach München zur Theresienwiese gefahren waren, um sich an Aiwangers Hass und Hetze die Herzen zu erwärmen. Er hat es geschafft – trotz der befürchteten Lkw-Staus. Ein Wunder! Und natürlich hat er seine größten Hits gespielt. Irgendwas gegen Ukrainer, Faule, Grüne und die da oben hat er immer im Programm. Ein Bad in der Menge hat er auch noch genommen und nur wer schnell die Flucht ergriffen hat, konnte verhindern, dass Aiwanger sich für ein Selfie neben ihn in Positur gestellt hat.
Dass Aiwanger im Rausch der Emotionen vergessen hat, dass er als Wirtschaftsminister für den Ausbau der erneuerbaren Energien zuständig ist, das ist da doch nur allzu verständlich. Aiwangers dichter Tourplan ließ einfach keinen Platz für Politik. Er will immer nah bei den Traktoren sein, mit denen die Fans zu seinen Auftritten fahren, um ihn mit einem heiteren Galgen, an dem eine Ampel hängt, oder anderen Späßen zu erfreuen. Er trat in Landshut auf, in Schwandorf, in Cham oder in Karpfham.
Dort hat er schon im September einen großen Erfolg gefeiert, als er beim Karpfhamer Fest ein Bierzelt mit dem Namen Holzhamer Hütte zum Brodeln gebracht hat. 400.000 Menschen strömen alljährlich zu dem Volksfest, in dem die niederbayerische Tradition gepflegt wird wie kaum an einem anderen Ort im Freistaat. Der Auftritt von DJ Robin aus dem württembergischen Ditzingen, der seinen notgeilen Smash-Hit „Layla“ in der Karpfhamer Hütte zum Besten gegeben hat, ist nur ein Beleg für das Traditionsbewusstsein einer Gegend, in der einst große bayerische Geschichte geschrieben worden ist.
In jenem Bäderdreieck nämlich nahm einst die Flucht eines gewissen Eduard Zwick ins Steuerparadies Schweiz ihren Ausgang. Der sogenannte Bäderkönig, der dem kränkelnden Volk ein riesiges Thermalbad geschenkt hatte, konnte nicht verstehen, dass ihn der bayerische Fiskus, dem er 71 Millionen Mark schuldete, nicht in Frieden ließ, obwohl er doch einer der besten Freunde vom damals allmächtigen Ministerpräsidenten Franz-Josef Strauß war. Später wurde der Steuerfall niedergeschlagen gegen eine Zahlung von 8,7 Millionen Mark. Zwick mag sich gedacht haben, dass es sich dann doch wohl gelohnt hat, dem damaligen Finanzminister Gerold Tandler Privatkredite von mehreren Hunderttausend Mark gewährt zu haben.
Geschichten aus der alten Zeit sind das, jener Zeit vor der Diktatur der Grünen, als noch die Demokratie herrschte, die Aiwanger für seine Fans so gern zurückholen möchte.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Energiepläne der Union
Der die Windräder abbauen will
SPD nach Ampel-Aus
It’s soziale Sicherheit, stupid
Streit um Neuwahlen
Inhaltsleeres Termingerangel
Wirbel um Berichterstattung in Amsterdam
Medien zeigen falsches Hetz-Video
Ringen um Termin für Neuwahl
Wann ist denn endlich wieder Wahltag?
Lehren aus den US-Wahlen
Wo bleibt das linke Gerechtigkeitsversprechen?