Die Wahrheit: Kleber, Glibber, Kleister
Endlich greift die Polizei ganz massiv gegen Klimademonstranten durch – verblüffende Erfolge durch neue Mittel und Methoden.
Montagmorgen, halb zehn Uhr in Deutschland. Eine vielbefahrene Kreuzung im Zentrum einer sehr, sehr großen Stadt, deren Name hier nicht genannt werden soll, weil sie in diesem Zusammenhang nicht mehr erwähnt werden möchte. Der Verkehr jedenfalls rollt in Berlin.
Hier biegt ein Lkw, noch schnell ohne zu bremsen, links ab, dort schummelt sich ein SUV schlitternd über die Kreuzung, obwohl er schon längst dunkelgelb hatte. Radfahrer klingeln und rufen wie üblich: „Ey!“ Flinke Fußgängerinnen und Fußgänger spritzen beiseite wie Wassertropfen in einer heißen Ölpfanne. Von passiv-militanten Klimaklebern ist weit und breit keine Spur, obwohl die Letzte Generation in diesen Tagen wieder massive und gefährliche Eingriffe in den deutschen Straßenverkehr angedroht hatte.
Dass hier und heute niemand auf dem Asphalt klebt, grenzt schon fast an ein Wunder, ist aber der Erfolg einer konsequenten und kompromisslosen Polizeiarbeit, wie uns der Polizeisprecher Heinz Krupp mit nicht wenig Stolz in der Stimme erklärt: „Nun, wir greifen halt hart durch“, sagt der untersetzte Beamte in seiner dicken Schlechtwetteruniform, „allerdings wurden in der ersten Zeit viele Fehler gemacht. Allein schon, dass wir dem Feind so viel Spielraum zugestanden haben und dass wir zugelassen haben, dass sich diese Klimakleber auf die Fahrbahnen kleben. Sie dann wieder mühevoll mit umweltschädlichen Lösungsmitteln abzukriegen, das war schon sehr zeit-, kraft- und personalaufwendig.“
Hinter Krupp knallt es. Der Polizeiobermeister zuckt kurz zusammen. Zwei Autofahrer haben auf der rutschigen Fahrbahn die Kontrolle über ihre Fahrzeuge verloren, die Wagen sind kollidiert. „Kleinen Moment“, sagt Krupp, greift nach seinem Funkgerät, meldet den Unfall und bittet um Verstärkung.
„Wo war ich? – Ach so, wir arbeiten jetzt präventiv. Also zum Beispiel: Diese Kreuzung haben wir gegen Klimakleber imprägniert. Das kennen Ihre Leser sicherlich von Outdoorkleidung und Schuhen. Die werden ja auch imprägniert. Damit da nichts haften bleibt. Heute morgen haben die Kollegen von der ‚Soko Uhu‘ mehrere Liter Öl auf der Fahrbahn ausgebracht. Da hält kein Klebstoff mehr. Auch nicht der Super-duper-Sekundenkleber von der einen Firma, die ich hier aus Markenschutzgründen nicht nennen darf. Aber fragen Sie sich mal, warum es ‚Soko Uhu‘ heißt.“
Der Kleber klebt überhaupt nicht
Er holt sein Smartphone aus der Tasche und zeigt uns ein Video, das er ein paar Stunden zuvor hier in Zivil aufgenommen hat. Eine kleine Gruppe junger Leute in gelben und orangen Sicherheitswesten stürmen die Fahrbahn, setzen sich auf den Asphalt, schmieren ihre Hände mit Kleber aus der Tube ein und stellen dann fest, dass der Kleber überhaupt nicht klebt. Es ist viel zu ölig. Sie erheben sich mühsam und verlassen weinend die Kreuzung. Ein junger Mann rutscht aus, fällt hin und humpelt, von seinen Klimakumpanen gestützt, von dannen. Eine Hand hat er sich aus Versehen an seinem Haar festgeklebt.
Heinz Krupp grinst. „Und so machen wir es auch auf allen anderen Kreuzungen. Wir experimentieren neben Öl auch noch mit Seifenlaugen und leichten Säuremischungen. Da löst sich der Asphalt auf, da klebt nichts mehr“, freut sich der humorvolle 64-Jährige und erklärt, dass Arbeitsgruppen der Polizei täglich in Baumärkten unterwegs sind und heimlich Sekundenkleber mit eigenen Klebstofftuben austauschen.
„Da ist nur so ein Glibber drin, wie ihn die meisten auch aus der Kindheit kennen. Klebt nicht, riecht unangenehm und leuchtet unter UV-Licht, da können wir auch nach Wochen bei anlassunabhängigen Personenkontrollen noch sehen, wer zu den Klimaklebern gehört und in Präventivhaft genommen werden muss.“
Die Gefahr, dass unschuldige Mitbürger im Baumarkt zur falschen Tube greifen, besteht indes nicht, meint Krupp. „Nee, da steht Super-Asphalt-Kleber drauf, das kaufen nur diese Klimaterroristen“, wie Krupp weiß und weiter ausführt: „Als ultimative Präventionsmaßnahme nehmen wir den Klebern noch die Plätze weg. Denn was wirkt am präventivsten? Man besetzt die strategischen Orte, ehe der Feind das tut. Das machen wir auch.“
„Die Kollegen kommen gleich!“
Wieder rumst es hinter Krupp. Zwei weitere Fahrzeuge sind auf dem öligen Asphalt in die bereits kollidierten Unfallautos geknallt. „Die Kollegen kommen gleich!“, ruft er zum Unfallort hinüber.
„Was wollte ich gerade … ach so, die Kollegen der ‚Soko Uhu‘ kleben sich selbst vorbeugend auf besonders wichtige Hauptverkehrsstraßen, die sonst von den Aktivisten okkupiert werden würden. Natürlich in Uniform, damit die Autofahrer sehen, dass das hier nicht irgendwelche Umweltspinner sind, sondern der starke, durchgreifende Arm der Staatsgewalt. Und was soll ich Ihnen sagen, wir haben schon die ersten Erfolge. Mehrere Kollegen haben mir berichtet, wie kleine Aktivistengrüppchen ungläubig staunend an Kreuzungen ankamen und da klebten bereits Polizeikräfte. Ich hab Fotos gesehen, das glauben Sie nicht. Die Gesichter … Vielleicht lassen wir schnell noch unseren Polizeikalender fürs nächste Jahr draus machen.“
Ein Polizeiwagen nähert sich dem Unfallort, gerät ins Schlittern und rammt den inzwischen ansehnlichen Pulk von Unfallwagen.
„Ah, die Kollegen sind da. Ich muss mal rüber. Und wir haben natürlich noch mehr Aktionen vor, aber – pssst! –, die verrate ich noch nicht. Nur so viel, eine hat mit Presslufthämmern und ganz viel Sand zu tun …“
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