piwik no script img

Die WahrheitPionier des Knips’n’Roll

Volle Kanne guinnessbuchreif: Harald Metzmeier aus Frankfurt am Main machte wohl weltweit als erster Mensch ein Handyfoto auf einem Konzert.

Seit dem Coup Metzmeiers 1999 ständig per Handy fotografiert: die Red Hot Chili Peppers Foto: Reuters

Alsterdorfer Sporthalle, Hamburg, am 4. November 1999. Die Vorband heißt immerhin Muse, doch die Fans warten sehnsüchtig auf den Hauptakt: Die Red Hot Chili Peppers sind auf großer Welttournee.

„Ich fand damals eigentlich beide Bands scheiße“, erinnert sich Harald Metzmeier (56) heute am Tresen in Frankfurt-Bornheim. Er selbst sei mehr so der Technotyp. „Die Karten hatte ein Kollege aus dem Investment bei der Deutschen Bank. Also sind wir halt aus Frankfurt nach Hamburg gejettet.“

Beim dritten Lied der Red Hot Chili Peppers, bei „Otherside“, geschah dann das, womit Metzmeier nun ins Guinnessbuch der Rekorde will. Direkt vor dem Mischpult stehend, zückte der Banker alert sein Mobil­telefon, richtete es auf die Bühne mit den Musikern – und schoss ein Foto.

„Die Leute um mich herum haben gar nicht gerafft, was ich mache. Damals gab es in Europa ja noch keine Handys mit Kamera“, erklärt Metzmeier beim hessischen Apfelwein im lauschigen Bornheim. Er aber habe eben schon ein Handy mit Linse besessen – ein Toshiba Camesse. Das weltweit erste Kamerahandy kam tatsächlich 1999 exklusiv in Japan auf den Markt.

In Deutschland waren „vergleichbare Geräte mit Fotofunktion erst ab 2002 erhältlich“, doziert Metzmeier und prostet uns wohlwollend zu. „Ich hatte das Gerät von einem japanischen Geschäftspartner geschenkt bekommen. Das war so ein windiges oranges Plastikteil, aber technisch, sage ich Ihnen, technisch top notch!“

Wo ist das erste Handy von Metzmeier?

Über seinem Schreibtisch zu Hause hänge heute noch ein Foto vom für ihn legendären Konzert der Red Hot Chili Peppers 1999. Allerdings nicht jenes, das er mit dem Toshiba Camesse geschossen hatte. „Keine Ahnung, wo das ist, ich kauf jedes Jahr ein neues Handy, und die alten bekommt immer meine Frau“, sagt Metzmeier entwaffnend ehrlich.

Das Bild bei ihm stammt vom Tour­fotografen der Band, Metzmeier hat es rahmen lassen. Er zeigt es uns auf seinem aktuellen Smartphone: Ein wild tanzendes, verschwitztes Publikum – und ganz hinten ragt ein Arm aus der Menge, oben in der Hand ein kleiner oranger Gegenstand.

„Sehen Sie? Das bin ich am Handyablöser! Als Erster auf der ganzen Welt“, begeistert sich Metzmeier. „Kurz nachdem ich das Foto geknipst hatte, haben wir das Konzert aber verlassen und sind in Hamburg-Eppendorf zum Italiener. Ich find Rockmusik wie gesagt ziemlich scheiße.“

Angenommen, Harald Metzmeier war tatsächlich der weltweit Erste mit Kamerahandy auf einem Konzert – bereut er denn nicht, was er ausgelöst hat? Viele Musiker und Fans bedauern es, dass bei Auftritten nicht mehr nur die Hände hochgehen, sondern vor allem die Handys. „Smartphones muss man auf unseren Konzerten beim Einlass abgeben“, sagt etwa der Rammstein-Keyboarder Flake. „Sie zerstören die Atmosphäre der Intimität, die eine Band zum Publikum aufbauen will.“

Kein Verständnis für künstlerische Ideale

Für derlei künstlerische Ideale hat Harald Metzmeier hier am Tresen in Bornheim überhaupt kein Verständnis: „Ich sag immer: Geh mit der Zeit oder geh sterben! Ist doch super, wenn man während einer Ballade ein paar Trades machen und den Liebsten ein paar Fotos mailen kann.“ Er habe vor Kurzem sogar ein Zoom-Meeting gehabt, an dem ein Kollege von einem Konzert Mark Knopflers aus teilgenommen habe. 
„Ich musste den Kollegen aber stummschalten. Unerträglich dieses elende Geklampfe!“

Beim Guinnessbuch der Rekorde in London ist man gewillt, Metzmeiers Leistung anzuerkennen. „Sollte sich bis Jahresende keine andere Person melden, die beweisen kann, noch vor dem Deutschen ein Handyfoto auf einem Konzert gemacht zu haben, nehmen wir diese Pionierleistung auf“, teilte jetzt ein Sprecher mit.


Der Frankfurter Banker hat unterdessen schon neue Pläne, wie er uns schließlich bei einem Absacker verrät. Denn Anfang nächsten Jahres erscheint zunächst in den USA die revolutionäre VR-Brille „Apple Vision Pro“. Harald Metzmeier will dann der Erste sein, der mit einem solchen Gerät auf dem Kopf ein Konzert der Rolling Stones besucht: „Und wissen Sie, was ich dann mache?“ Wir schütteln den Kopf. „Da mach ich mir schön ein Scooter-Konzert in der Virtual Reality an! Diesen Rentnerrocker Mick Jagger hält ja kein normaler Mensch aus …“

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

1 Kommentar

 / 
  • Interessanter Artikel über den Beginn eines Phänomens. Noch interessanter ist, wie sich Herr Metzmeier auch noch stolz als Kulturbanause inszeniert. Mal eben auf einem Konzert während einer Ballade ein paar Trades machen? Wenn er das so verdiente Geld dann in Spenden an Kulturtreibende stecken würde, hätte das wenigstens noch einen Zusammenhang. Tut er das? Ich habe da gewisse Zweifel.