Die Wahrheit: Wie ich die Zukunft verpasste
Vor den Einflüsterungen der Telekom gibt es kein Entrinnen. Doch liegt am Ende aller Mails und Telefonate wirklich die hyperschnelle Glasfaser?
V or ein paar Monaten, ich berichtete es an dieser Stelle, stolperte ich über das Internet. Nicht sprichwörtlich, sondern buchstäblich. Da wurden bei uns in der Straße hyperschnelle Glasfaserkabel verlegt, und vor dem Wiederzubuddeln pythonschlängelten sich diese armdicken Botschafter der Zukunft über den Gehweg und waren in der Dunkelheit schlecht zu sehen. So stellte mir der Fortschritt ein Bein.
Danach passierte erst einmal lange nichts. Bis mich eines Tages ein Anruf der Telekom erreichte. Ob ich denn, hey, nicht gern einen Glasfaseranschluss haben wollte? Puh, na ja, och, nö. Aber die Vorteile! Bandbreiten in Technicolor! Interplanetare Videotelefonie! Ich informierte den freundlichen Anrufer, dass ich keine Beschwerde über das von mir bisher genutzte technische Gerät zu führen habe. Das war das.
In den folgenden Wochen rief die Telekom immer wieder mal an. In vermutlich verkaufspsychologisch perfekt ausgeklügelten Abständen, die der potenzielle Kunde nicht als zudringlich empfindet, sondern denkt: Mensch, die gute alte Telekom mal wieder! Was die wohl will? Sie wollte wissen, ob ich denn inzwischen meine Meinung hinsichtlich der Glasfasertechnologie geändert hätte? Könnte ja sein!
Puh, na ja, och, nö, außerdem würde ich ungern mehr bezahlen. Damit hatten sie mich, denn der neue Vertrag – mit hyperschnellem Glasfaser! – würde mich keinen zusätzlichen Cent kosten. Puh, na ja, okay. Das war das.
Dann passierte erst einmal wieder lange nichts. Kriege brachen aus und wurden beendet, Präsidenten gewählt und abgewählt. Irgendwann wieder Post von der Telekom. Man würde gern meinen hyperschnellen Glasfaseranschluss legen, der Termin sei dann und dann, also wiederum irgendwann. In monatlichen Abständen wiesen nun Mails mich auf den anstehenden Termin hin. Ich bekam richtig Lust auf Glasfaser.
Zuletzt hagelte es Mails im Wochentakt. Zusätzlich täglich SMS-Botschaften, die mich über die exakte Uhrzeit meines Eintritts in die Zukunft informierten. Per Post eilte ein stylishes neues Modem seiner Installation voraus. Die Dramaturgie war perfekt, der Aufgalopp beachtlich.
Vorhin waren sie da. Zwei adrette junge Männer in meinem Flur. Sie erklärten, ich sei offenbar der einzige Mieter, der sich den hyperschnellen Quatsch hatte aufschwatzen lassen. Das sagten sie so nicht. Sie sagten, der Hausbesitzer habe einer Verlegung des Glasfaserkabels aus dem Keller durchs Treppenhaus in meine Wohnung leider nicht zugestimmt. Ob man vielleicht durch den Kamin? Ich riet dringend ab. Tja. Schulterzucken, Abgang.
Eben erreichte mich eine weitere Mail der Telekom: „Wir werden baldmöglichst mit einem neuen Terminvorschlag auf Sie zukommen.“ Ich freu mich drauf!
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