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Die WahrheitUnbehost und ohne Trost

Die XVI. Weltbischofssynode in Rom tagt den ganzen Oktober mit Laien wie Frauen und viel, viel Baccara. Ein Ortsbesuch.

Synodale Sekretärinnen beim Einsatz im römischen Vatikan Foto: Reuters

„Mann, ist der Teppich speckig und staubig!“ Der deutsche Kardinal Gerhard Ludwig Müller bricht als erster die Geheimhaltung. Der einstige Präfekt der Kongregation für die Glaubenslehre kann den Saustall, der sich hier unheilig in den heiligen, auslegewarebedeckten Weiten der Paul-VI-Audienzhalle des Vatikans ausgebreitet hat, tunlichst nicht länger tolerieren.

„Schwester, Staubsauger aber hurtig und merci!“, blafft er die neben ihm sitzende Vize-Synoden-Sekretärin, die französische Nonne Nathalie Becquart, an. „Synodalität ist die Grundidee der Kirche“, antwortet die ihm schnippisch, „aber als Untersekretärin der Bischofssynode sehe ich das Saugen von Staub, auch wenn er vom Herrn oder von sonst wem kommt, nicht als meine zielführende Aufgabe an!“

O weia, wir sind hier im Auftrag des Herrn, als akkreditierte Wahrheit-Vertreterin, mitten drin im Reinigungskampf der Katholen. Der läuft seit zwei Jahren, gelabelt als „Weltsynode“ und unter dem Motto „Gemeinschaft, Teilhabe, Sendung“. Deshalb ist auch ein Vertreter des weltweiten Kurier- und Kuriendienstes DHL beim dritten Teil des sakralen Global-Events derzeit im Vatikan zugegen.

Ali Özfan aus Berlin-Neukölln weiß noch gar nicht so ganz, was er hier eigentlich als gläubiger Muslim soll, doch als friedlicher Zeitgenosse berät er professionell seinen Tischnachbarn, den braven Reformator und Boss der Deutschen Bischofskonferenz, Georg Bätzing – Thema ist „Wunschnachbar“. Mit Erfolg: Nach dem Ende der Unterredung zwischen Özfan und Bätzing fordert letzterer mit samtiger Stimme und recht freundlich: „Mein linker Platz ist nun leer, ich wünsche mir den Papst her.“

Schäfchen-Gaucho in Schlotter-Soutane

Stimmt, wo ist eigentlich der Papst? Was treibt der argentinische Schäfchen-Gaucho in seiner schlohweißen Schlotter-Soutane gerade in der Paul-VI-Halle, die zugig und zugestellt mit güldenen Stapelstühlen an ein trauriges Casino erinnert, irgendwo auf dieser sich wieder mal auf dem absteigenden Ast befindenden Welt?

Tja, der Papst. Wir entdecken Franziskus bei der Sprudelfußmassage, wohlig feist lächelnd und in einem der Dutzenden Stuhlkreise leicht erhöht thronend. Ganz richtig, bei der Sprudelfußmassage. Der Heilige Vater und unheilige Greis, summt in einem fort seinen Lieblingsrefrain des hauseigenen Radio Vaticana vor sich hin: „Papst, Vatikan, Kirche, Welt, Papst, Vatikan, Kirche, Welt … aua!“

Eben hat ihn ein massierender Koi-Fisch in seinen rechten großen Zeh gezwickt, aber das gehört zum Leiden eines Fast-Heiligen halt dazu. Ein bisschen Schmerz muss sein, selbst in der ansonsten oft so unangenehm sinnenentgleisten Katholen-Kirche.

„Ich trage heute und immerdar nichts weiter drunter und drüber“, philosophiert der beseelte Oberhirte und winkt uns leutselig näher zu sich. Dieser unappetitlichen Versuchung können wir als stets hart an der wahren Grenze recherchierende Schreibkraft gerade so widerstehen, Papst hin oder her.

Spieler des Herrn am Kartentisch

Doch was uns schon noch interessieren täte: Wie funktioniert eigentlich Baccara? Nichts leichter als das! In der Masse der rund 450 Teilnehmer und der paar Frauen, die als Bischöfe verkleidet jetzt neu mitstimmen dürfen, geht es um die Religionswurst, treffen wir auf den Ordensmann und Bischof Bohdan Dzyurakh CSsR, Apostolischer Exarch der in Deutschland und Skandinavien wohnenden katholischen Ukrainer des byzantinischen Ritus. Zusammen mit anderen spielenden Laien und einer Frau, die aussieht wie Rita Süssmuth, hat der fromme „Spieler des Herrn“, wie er sich uns vorstellt, im rückwärtigen Bereich der Paul-VI-Halle einen „Kartentisch“ einrichten lassen.

„Baccara wird nicht gegen andere Spieler, sondern gegen den Dealer gespielt“, erklärt uns der Apostolische Exarch mit glasigen Augen. „Hier auf meinem von mir mitgebrachten Campingtisch gibt es zwei Hauptbereiche, nämlich Player und Banco, auf denen die Einsätze getätigt werden. Kapito?“ Wir nicken.

Um es kurz zu machen: Wenig später haben wir unsere gesamten und bereits gesegneten Oblatenvorräte voll verzockt. Zur Strafe verfügt das vatikanische Kommunikations-Dikasterium in Gestalt des schnell an den Spieltisch dahergelaufenen Oberjournalisten Paolo Ruffini unseren sofortigen und finalen Ausschluss von allen Weltbischofs-, ja überhaupt von jeglichen Weltsynoden. Gott sei es gedankt. Amen!

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