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Die WahrheitMündliche Prüfung

Es ist ein einziger Albtraum: Vor dem Bahnhof waren mehrere Hütten errichtet worden. Darin saßen nun die Prüfer mit ihren merkwürdigen Fragen.

W ie ich zu wissen glaubte, hielten offiziell keine Züge mehr in dieser Stadt, seit der Bahnhof zugemauert worden war. Es konnte allerdings sein, dass inoffiziell doch welche hielten und ich mit so einem Zug angekommen war, um meine mündliche Prüfung abzulegen.

Auf dem Prüfungsgelände sah es ähnlich aus wie vor dem Bahnhof. Dutzende kleiner kastenartiger Holzhütten füllten einen großen Platz. Ich musste nun die richtige finden. Das war Teil der Prüfung. Mein Prüfer hieß Merbehorn, so viel war mir mitgeteilt worden. Dummerweise konnte ich niemanden nach dem Standort von Herrn Merbehorns Hütte fragen, denn außer mir befand sich kein Mensch auf dem Gelände. Die Suche konnte tagelang dauern.

Wovon sollte ich während dieser Zeit leben und wo übernachten? Vielleicht war es ein böses Omen gewesen, dass an diesem Morgen auffallend zwergenwüchsige Menschen auf entsprechend kleinen Zweirädern durch die Straße, in der ich wohnte, gefahren waren?

Zu meinem großen Glück erwies sich schon die fünfte Hütte als die gesuchte. Den spärlich möblierten, nur von ein paar Kerzen beleuchteten Prüfungsraum fand ich im oberirdischen Bereich. Hinter einem kleinen Schreibtisch saßen eine ältere Frau und ein etwas jüngerer Mann. Die Frau teilte mir mit, sie sei die Prüferin und der Mann ihr Beisitzer. Herr Merbehorn sei inzwischen in den Ruhestand getreten.

Die Prüfung begann, nachdem ich die Krümel von dem vor dem Schreibtisch stehenden Stuhl entfernt und Papier sowie einen Kugelschreiber in Empfang genommen hatte. Die erste Frage lautete: „Was bedeutet der Begriff 'Zeitraum’?“ Ich antwortete: „Der Begriff 'Zeitraum’ wurde entwickelt, um die heimische Leicht- und Kurzwarenindustrie bewerten zu können.“ Es wurde kein Widerspruch geäußert, doch ich hatte das Gefühl, etwas für mich Peinliches vor den beiden verbergen zu müssen. Vielleicht kam es daher, dass mir unbekannt war, wie der Rang einer Prüferin respektive eines Prüfers zu bestimmen sei.

Als Nächstes wollte die Frau wissen: „Welche Perspektive gilt? Die der Person, die einem Gefäß etwas entnimmt, oder die des Gefäßes, dem etwas entnommen wird?“ Weder verstand ich die Frage, noch konnte ich sie beantworten. Ich fühlte mich so schwach, dass ich befürchtete, mich hinlegen zu müssen. Die Prüferin wechselte ein paar geflüsterte Sätze mit ihrem Beisitzer, dann fragte sie mich: „Sind in letzter Zeit vielleicht auffallend zwergenwüchsige Menschen auf entsprechend kleinen Zweirädern durch die Straße gefahren, in der Sie wohnen?“

Ich bejahte überrascht. Abermals besprach die Prüferin sich mit dem Beisitzer, um mir dann mitzuteilen: „Wir haben es uns nicht leicht mit Ihnen gemacht. Aber Sie haben leider nicht bestanden.“ Der Beisitzer legte mir ein Formular vor und sagte: „Unterschreiben Sie hier, dass Sie mit allem einverstanden sind.“

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